Duisburg. . Eine Sparkassen-Angestellte steht plötzlich Bankräubern gegenüber. Sie alarmiert die Polizei. Die geht drei Stunden von einer Geiselnahme aus.
- Hundertschaften und SEKs aus ganz Nordrhein-Westfalen zusammengezogen.
- Hubschrauber vorsorglich in der Luft, falls Täter sich durchschlagen wollten.
- Polizei nimmt in der Nähe der Sparkasse zwei Männer in Gewahrsam. Bis abends vernommen.
An diesem Donnerstagmorgen endet das Idyll von Rumeln-Kaldenhausen genau an der Einmündung der „Dorfstraße“, der Hauptstraße hier. Mitten in Duisburgs ländlich-bürgerlichem Vorort weit links des Rheins stehen plötzlich Polizeiwagen quer, ihr Blaulicht flackert, davor Polizisten mit Maschinenpistolen; sie treten nur zur Seite, wenn wieder Rettungswagen in den Sperrbezirk drängen oder Kastenwagen mit SEK-Beamten.
Männer in Schwarz fahren vor, steigen aus, verschwinden irgendwo, Männer unter Sturmhauben, Männer mit Gewehren, aus Gelsenkirchen, Düsseldorf, Köln, ach was: aus halb NRW.
Hundertschaften sammeln sich auf dem Schulhof
Die Lage: eine vermutete Geiselnahme in der kleinen Sparkasse da hinten. Am Himmel kreist ein Hubschrauber, vorsorglich, falls der Einsatz in Bewegung gerät. Eine Geiselnahme in Bewegung, das wäre der Alptraum der nordrhein-westfälischen Polizei.
1988 hatte sie die Gladbeck-Gangster mit ihren Geiseln ziehen lassen, und am Ende waren drei Menschen tot. Seitdem gilt: Geiselnehmer kommen grundsätzlich nicht mehr weg – wenn es eben geht. Und so sammeln sich die Hundertschaften auf dem Rumelner Schulhof.
„Ihre Stimme zitterte“
Es ist jetzt gegen elf Uhr, und niemand weiß, was sich in der Sparkasse abspielen mag. Nur soviel ist bekannt: Kurz nach halb neun ist eine Angestellte in die Bank gekommen, die noch geschlossen ist, und sieht Fremde. Bankräuber. Sie flieht zum Nachbarhaus, hält noch einen Kollegen auf, der auch zur Arbeit kommt
„Ihre Stimme zitterte“, wird sich die Nachbarin später erinnern. „Ich bin sofort heruntergelaufen“, sagt ihr Mann. Auf der Straße sieht er einen weiteren Mitarbeiter herankommen, warnt ihn: „Nicht hinein gehen!“ Nun ist die Polizei längst alarmiert, schon gegen neun hat sie das Gebäude abgeriegelt. Aber was passiert darin? Zwei Räuber oder drei sollen noch dort sein – und zwei Mitarbeiter.
Polizei besetzt Dachfenster mit Blick zur Bank
„Ich habe das alles erst gemerkt, weil ich nicht vom Joggen zurückkam“, sagt der Nachbar Reiner Gother. Polizisten halten ihn auf, nur auf Schleichwegen findet er heim zu seiner Frau, die – wie jeder Nachbar – nicht auf die Straße gehen soll.
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Da klingelt es, zwei SEK-Beamte stürmen ins Dach, besetzen ein Fenster mit Blick auf die Filiale. „Die trugen richtige Kampfanzüge und Maschinenpistolen“, sagt Christel Gother: „Das war schon stramm.“ In anderen Dachfenstern – sitzt die Polizei auch.
Die Beschreibung könnte stimmen
Was dann passiert, ist erst nicht recht klar. Gegen 11 Uhr gelingt es einer weiteren Angestellten, aus der Sparkasse zu fliehen; kurz darauf nehmen SEK-Polizisten zwei Männer in Gewahrsam, 500 Meter entfernt, vor der Bäckerei „Mein lieber Schollin“.
Sind das die Bankräuber? Die Beschreibung könnte stimmen. Doch wie sollten sie durch die Abriegelung geschlüpft sein? Oder sind sie, ertappt von der Angestellten, sofort aus der Bank verschwunden – und in der Nähe geblieben? Die Polizei nimmt sie jedenfalls mit zum Präsidium nach Duisburg, um sie zu vernehmen. Am späten Nachmittag stellt sich heraus: Der Verdacht ist falsch. Mit Hilfe von Arbeitskollegen hatten sie ein Alibi nachweisen können.
„Er war gefesselt, aber augenscheinlich unverletzt“
Jetzt wagen die Beamten auch, die Bank zu betreten. Da ist kein Bankräuber mehr, nur der dritte, noch fehlende Angestellte. „Der Mann lag im Tresorraum, er war gefesselt, aber augenscheinlich unverletzt“, sagt Polizeisprecher Ramon van der Maat. Psychologen nehmen sich der Opfer an.
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Die Polizei aber steht vor mehr Rätseln, als sie brauchen kann. Saßen zwei Bankräuber schon in dem älteren roten Golf, der etwa zur Zeit des Alarms von der Bank wegfuhr? Das Kennzeichen ist unbekannt. Oder fuhr der Golf nur zufällig daher? Fragen über Fragen. Die Höhe der Beute jedenfalls wird als „größere Geldsumme“ beschrieben.
SEKs und Hundertschaften sind schon längst wieder weg, da begleiten noch immer Polizisten Anwohner zu ihren Haustüren. Es war ja die Rede vom dritten Mann. Und wo steckt der? Hier nicht. Es dauert ein paar Stunden, bis das Idyll in die Dorfstraße zurückkehrt.