Duisburg. Junge Duisburgerin ist die erste Frau, die bei den Duisburger Hüttenwerken Krupp-Mannesmann am Hochofen arbeitet – und das ausgesprochen gern.

  • Die 24-Jährige Dominika Rother ist die erste Frau, die bei HKM am Hochofen eingesetzt wird
  • Sie ist die einzige Frau unter insgesamt 150 Kollegen im Hochofenbetrieb der Hüttenwerke
  • Das neue Jahr beginnt für sie um 4.45 Uhr mit der Frühschicht, Feiern fällt für sie aus

Blei gießen und dann die skurrilen Formen deuten, die das Metall bei der Abkühlung bildet, ist für viele beliebter Zeitvertreib beim Warten auf den Jahreswechsel. Am Hochofen A der Hüttenwerke Krupp-Mannesmann (HKM) hat die Mannschaft andere Sorgen. Die Anlage kennt keinen Feiertag, sie wird, wie jeden Tag, bei jedem Abstich bis zu 600 Tonnen in die Torpedopfannen spucken. Eine Kelle voll abschöpfen aus dem glühenden Roheisen-Strahl und damit lustige Figuren in Wasser gießen? Dominika Rother winkt ab. „Viel zu gefährlich und streng verboten.“ Für die junge Verfahrensmechanikerin fällt die Party aus: Um 4.45 Uhr tritt sie zu ihrer ersten Neujahrs-Frühschicht am Hochofen an. Eine doppelte Premiere: die 24-Jährige ist die erste Frau, die bei HKM am Hochofen eingesetzt wird.

1500 Grad heiße Masse: Arbeiten im Hochofen

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    „Grüßt mir die Männer am Hochofen. Frauen habt ihr da ja nicht“, war die Vermutung, mit der Arbeitsdirektor Peter Gasse unlängst eine Besprechung beendete. „Mooooment“, hat Sebastian Tauchert da gesagt. Denn seit einigen Monaten gehört Dominika Rother zum „Team Produktion“, das der Ingenieur leitet – als erste und einzige Frau unter insgesamt 150 Kollegen im Hochofenbetrieb der HKM.

    Wie landet denn eine eher zierliche junge Frau mit einem Vornamen, der eher zur Kloster- als zur Eisenfrau führt, in der ersten Hitze am Hochofen? Dominika grinst: „Das ist mein Ding. Hier musst du schleppen können. Und ich kann mithalten.“ Schon ihr kräftiger Händedruck macht klar: Das Mädel kann was bewegen, wenn’s sein muss.

    Als Kind aus Polen gekommen

    Eine familiäre Vorbelastung? „Nee, eigentlich nicht“, sagt die 24-Jährige. Nur ein Onkel in einer Eisengießerei, „aber am Konverter“. Zählt also nicht. Eher zufällig sei das alles gekommen, nachdem sie mit ihrer Familie 1999 als Kind aus Polen nach Wanheim kam. Den Schulabschluss machte sie auf der Hauptschule beim Knevelshof, die Fachoberschulreife wenige hundert Meter weiter am Bertolt-Brecht-Berufskolleg in der Fachrichtung Elektrotechnik. Die Bewerbung auf der benachbarten Hütte lag da nahe. „Ich hatte gehört, dass man hier gutes Geld verdient“, erinnert sie sich.

    Scheu vor harter Arbeit hat Dominika Rother nicht. Und dass ihr Job nicht ungefährlich ist, weiß sie auch.
    Scheu vor harter Arbeit hat Dominika Rother nicht. Und dass ihr Job nicht ungefährlich ist, weiß sie auch. © Volker Hartmann

    Im ersten Anlauf hat man sie abgelehnt, aber ihr Potenzial erkannt. Einen Platz bekam sie im Projekt „Zweite Chance“ für Bewerber, die einen etwas längeren Anlauf brauchen – Dominika nahm ihn erfolgreich über die Werkkiste in Bruckhausen, begann im Herbst 2013 die Ausbildung, die sie um ein halbes Jahr verkürzt im vergangenen Juni erfolgreich abschloss.

    Kokerei, Sinteranlage, Stahlwerk – verschiedene Stationen durchläuft der HKM-Nachwuchs, ehe nach der Zwischenprüfung sortiert wird: Eine Gruppe geht ins Stahlwerk, die andere zu den Hochöfen. Dominika hat nie gezweifelt. „Stahlwerk ist wie ein Käfig, alles überdacht“, sagt sie. „Ein anderes Feeling“ sei das am Ofen, mit Gießhalle, Messhalle, Möllerung. „Kein Tag ist gleich, man sieht den Himmel öfter“. Sicher oft hart und manchmal gefährlich, auch das. „Aber damit kann ich leben.“

    Einzige Frau unter 150 Männern

    Wie war das, als all die Männer merkten, dass da keine Praktikantin kommt, die nach wenigen Tagen wieder geht? „Einige haben schon ein bisschen komisch geguckt“, sagt die junge Frau, „aber das war mir egal.“ Die ein oder andere Bemerkung, die gebe es bis heute. Das wird sich legen, da ist sie sicher, wenn auch der letzte gemerkt hat, dass sie ihr Metier beherrscht. Das ist es auch, was für ihren Chef zählt. „Ob die Arbeit immer so geeignet ist“, das hat sich Sebastian Tauchert schon gefragt, als ihm die junge Kollegin „serviert“ wurde. Aber als einziges Ausschluss-Kriterium für den Hochofen-Job gilt eine Schwangerschaft. „Wegen einer möglichen Gasbelastung zu gefährlich für das Kind“, erklärt der Produktionsleiter.

    Selbstbewusst in einer (bisher noch) reinen Männerwelt rund um die HKM-Hochöfen: Dominika Rother, die erste und noch einzige Schmelzerin der Hütte.
    Selbstbewusst in einer (bisher noch) reinen Männerwelt rund um die HKM-Hochöfen: Dominika Rother, die erste und noch einzige Schmelzerin der Hütte. © Volker Hartmann

    Als „Eisenfrau“ steht Dominika Rother nun am Ofen. Die Aufgabe: zu überwachen, dass der Roheisenstrahl aus der Rinne sauber in die Pfannen und Kessel schießt, die auf dem Gleis an den Ofen gerollt werden. Wenn am Ausguss, dem sogenannten Schnabel, Eisen und Schlacke festbacken und den bis zu 1500 Grad heißen Fluss abzulenken drohen, steckt sie den Sauerstoff-Schlauch auf die meterlange Metallstange, um die Anhaftungen abzubrennen und mit heftigen Stößen zu lösen. Silberzeug, Helm und Brille schützen vor Hitze, Funkenflug und Eisenspritzern.

    Die Familie ist stolz auf Dominika

    Die „letzte Weihe“ wartet noch auf Dominika Rother. Vor ihr stehen noch der Oberschmelzer und der „erste Mann“. Der öffnet das Stichloch am Ofen, muss es säubern und anschließend fachmännisch wieder stopfen. „Ein verantwortungsvoller Job, entscheidend für den gesamten Prozess“, erklärt Tauchert. Dominika wird dafür derzeit angelernt, um bald im Viererteam nicht mehr „am Eisen“ sondern auch in der ersten Hitze zu stehen.

    Und die wird sich da nicht beirren lassen. In ihrer Familie, unter den Freunden, da haben einige gesagt: „Du bist bekloppt.“ Egal, sagt sie. „Denn die sind alle auch stolz auf mich.“