Duisburg. . Diese Bücher entführen ihre Leser mal in den Tiefschnee, mal in den schrägen Alltag einer Kleinstadt. Auch ein Pulitzer-Preisträger ist dabei.
Mit dem Erzählungsband „Schneegeschichten“ empfiehlt Christiane Bays, Lektorin der Stadtbibliothek, ebenso ein echtes Winterbuch wie mit dem Krimi „Wintertod“. Aber an langen Winterabenden lässt man sich doch auch gern in andere Länder entführen, diesmal gibt es tiefe Einblicke zum Beispiel in das Leben in einer Kleinstadt in den USA oder in der Großstadt Istanbul. Stoff für genussvolle Lesestunden!
Richard Russo: Diese gottverdammten Träume, Dumont, 24,99 Euro.
Empire Falls ist eine Kleinstadt in Maine. Dank C.B. Whiting, dem erfolgreichen Besitzer einer Hemdenfabrik, war dies einst ein wohlhabender Ort, nun ist alles im Verfall begriffen. Umgeben von aufdringlichen Angebern, frustrierten Aerobic-Lehrerinnen und korrupten Polizisten schlägt sich Miles Roby, Inhaber eines Diners, mehr schlecht als recht mit einer halbwüchsigen Tochter durchs Leben. Endlich liegt dieser bereits 2002 mit dem Pulitzer Preis versehene Roman in deutscher Übersetzung vor. Eine nur scheinbar leicht erzählte Geschichte über Trauer, Wut, Hoffnung, Einsamkeit und Liebe. Mit viel Humor und Einfühlungsvermögen schildert Russo seine Figuren.
Joao Tordo: Stockmans Melodie, Droemer, 19,99 Euro.
Der Philosoph und Journalist Joao Tordo zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern Portugals. In „Stockmans Melodie“ erlebt der Kontrabassist Hugo etwas sehr Seltsames: Bei einem Konzert des Pianisten Luis Stockman spielt dieser eine Komposition, an der Hugo schon seit Jahren arbeitet. Dieses Erlebnis wirft den ohnehin labilen Hugo aus der Bahn. Wie kann etwas so Einzigartiges, das bislang nur in seinem Kopf existierte, von jemand anderem kopiert werden? Er entwickelt eine Obsession: Stockman muss sein bei der Geburt verstorbener Zwillingsbruder sein. Die Grenzen zwischen Wahn und Realität verschwimmen zusehends und der Leser wird in eine packende Suche nach Identität und Individualität gezogen.
Johannes Schweikle: Schneegeschichten, Kloepfer & Meyer, 18 Euro.
„Unterwegs zum vergänglichen Glück“ lautet der Untertitel zu Schweikles Erzählband über ein Gut, das immer kostbarer wird, weil es immer rarer wird. Der Autor hat sich auf die Reise begeben von Grönland über Indien bis nach Kitzbühel, wo die Streif unbedingt für das spektakuläre Rennen befahrbar gemacht werden muss. Wir erfahren viel über die Freude eines Kindes im Schnee, über das Schneeleben eines Inuit, die Faszination am Biathlon, über das Training von Lawinenhunden und über das Staunen angesichts einer unberührten Schneefläche in einer Großstadt. Ein sehr facettenreiches Buch über den Winter und den Schnee – nicht nur für Skifahrer.
Rose Tremain: Und damit fing es an, Insel, 22 Euro.
Gustav wächst in den 1940er Jahren in ärmlichen Verhältnissen in einem kleinen Ort in der Schweiz bei seiner Mutter auf, die er abgöttisch liebt. Sein Vater ist gestorben, weil er Juden geholfen hat. Mehr verrät die Mutter nicht. Doch dann freundet Gustav sich mit Anton an, der aus einer kultivierten jüdischen Familie stammt und mit ihm zieht das Schöne in sein Leben ein. Erst spät erfährt er die Hintergründe über das Schicksal seines Vaters, der als stellvertretender Polizeichef jüdischen Familien mit gefälschten Daten das Leben gerettet hat. Ein Buch über die vielen Möglichkeiten, ein Leben in Freundschaft und Liebe zu verbringen, wozu aber auch unweigerlich Täuschung, Enttäuschung und Zurückweisung gehören.
Elif Shafak: Der Geruch des Paradieses, Kein & Aber, 25 Euro.
Peri wächst in den 1980er Jahren in Istanbul auf. Durch ihre Familie zieht sich ein tiefer Riss: Während ihr Vater sich über Allah lustig macht und Atatürk verehrt, hat sich ihre Mutter dem Kreis eines strengen Predigers angeschlossen. Früh setzt Peri sich mit der Frage auseinander, wer Gott ist, wenn es ihn denn gibt. Der Vater ermöglicht ihr ein Studium in Oxford, wo eine enge Freundschaft zwischen ihr und zwei Musliminnen unterschiedlicher Prägung entsteht. Zudem verfällt sie dem charismatischen Professor Azur. Später lebt Peri wieder mit Mann und Tochter in Istanbul, wo sie durch ein Ereignis bei einer Dinnerparty an ihre Erfahrungen in Oxford erinnert wird. Dieser Roman der berühmten türkischen Autorin lässt sich als Parabel auf die heutigen Zustände in der Türkei lesen. Er stellt Fragen nach Religion, Glauben und Identität und bietet einen tiefen Einblick in die Gefühlswelt von Menschen, die zwischen verschiedenen Welten leben.
Thomas Nommensen: Wintertod, Rowohlt, 9,99 Euro.
Kommissar Arne Larsen ist gerade erst nach Berlin versetzt worden und versucht sowohl sich in seiner WG einzuleben als auch mit seiner neuen Kollegin Mayla Aslan vertraut zu werden, als auf einem Friedhof eine notdürftig verscharrte Frauenleiche gefunden wird. Was zunächst nach einem Selbstmord aussieht, entpuppt sich als hochkomplizierter Fall mit historischen Wurzeln. Merkwürdige Begebenheiten an einer Schule und der mysteriöse Tod einer involvierten Lehrerin machen den Fall nicht gerade durchschaubarer. Ein sehr spannender, intelligenter Krimi, düster und damit genau die richtige Lektüre für einen gemütlichen Winterabend.