Duisburg. . Der Duisburger Dellplatz war am Wochenende gut besucht. Das Platzhirsch-Festival bietet auch Nischen für experimentelle Musik abseits des Mainstreams.
- Festival rund um den Dellplatz versucht den Spagat zwischen Avantgarde und Mainstream
- Hundert Freiwillige helfen hinter den Kulissen mit, um das Festival zu stemmen
- Ausgebautes Programm für Kinder wird von den Familien gut angenommen
Sphärische Instrumentalmusik, Weltmusik-Klänge aus Burma und Deutsch-Rap mit Bigband-Untermalung, exzentrischer Rock und avantgardistische Melodien – diesen Bogen hat am Wochenende die vierte Auflage des Platzhirsch-Festivals geschlagen. Hunderte Besucher schauten sich die Konzerte rund um den Dellplatz und in den Kneipen an. „Der Freitag war so gut besucht wie im vergangenen Jahr, die anderen beiden Tage müssen wir noch auswerten“, erklärt Mit-Organisator Sebastian Schwenk. Vor allem die Theatervorstellungen für Kinder seien gut angenommen worden. Und samstags waren auch die Konzerte in der etwas abgelegeneren Krümelküche gut besucht. „Wir sind zufrieden“, sagt Sarah Köhnecke.
Spendensammeln für den Erhalt
Auf dem Platz selbst sorgten zahlreiche Cafés und Gastronomen aus Duisburg für ausreichende Stärkung. Und für alle Cocktail-Freunde gab’s ein Wiedersehen mit dem Goldengrün. Das war offenbar so heiß ersehnt, dass einige Drinks schnell ausverkauft waren. „Es ist schön, mal wieder was zu machen und wir freuen uns über das nette Feedback“, sagt Thomas Amshove vom ehemaligen „Goldengrün“. Die Nachbarinnen vom Café Engelbert hatten zur Feier des Tages sogar kleine Platzhirsch-Plätzchen gebacken, die es zum Kaffee dazu gab. Und am Stand von Katharina Girnuweit, die sich für ihre Master-Arbeit mit der Zukunft des Stadtwerke-Turms und der Umgestaltung des Quartiers beschäftigt, zeigt sich, dass die Duisburger sehr an diesem Wahrzeichen hängen. Derweil wird’s auf dem Platz mit Musik von „Kuf“ besonders experimentell. Die Jungs von „Bounty Islands“, einer davon standesgemäß mit Hawai-Hemd bekleidet, setzen im Grammatikoff mit ihrer Show einen etwas exzentrischen Kontrapunkt. Dagegen nimmt sich die Musik von „Palace Fever“ und „Nepomuk“ geradezu durchschnittlich-mainstreamig und hörbar aus.
Derweil dreht Ludger Schepers eine Runde über den Platz. Er gehört zu den rund 100 Freiwilligen, die hinter den Kulissen helfen und organisieren, damit die „Platzhirsch“-Besucher eine gute Zeit haben. Er schiebt einen Kinderwagen samt Hirsch-Teddybär vor sich her. Das Fantasiewesen hält eine Spardose. Schepers sammelt Spenden, damit das Festival auch in Zukunft stattfinden kann. Auch Tim Isfort, Jazzmusiker und Mit-Organisator, rührt die Werbetrommel auf der Bühne. „Hand hoch, wer sich alles ein Bändchen gekauft hat“, fordert er seine Zuhörer auf. Etwa 30 Hände schnellen nach oben. „Das ist zu wenig, das müssen mehr werden“, fordert er die Besucher auf, sich zumindest mit einem Obolus an den Kosten zu beteiligen. „Wir betreiben den Platzhirsch mit Leidenschaft und Selbstausbeutung“, hatte Isfort im Vorfeld gesagt. Doch am Ende muss eben auch die Kasse stimmen. Darüber machen sich aber die wenigsten Besucher Gedanken. Sie freuen sich, dass endlich wieder was in Duisburg los ist.
Duisburger Platzhirsch-Festival 2016
Experimentelle Musik abseits des tanzbaren Mainstreams
Ein Platzhirsch kennt keine Grenzen. Mit Jazz, Performances und Tanz lockten das Lehmbruck-Museum und die Folkwang-Hochschule als Orte der klassischen Kultur, um mit interdisziplinärer Kunst die Beats im Herzen des Festivals am Dellplatz hinter sich zu lassen. So stellten sich mit Avi Kaiser und Sergio Antonino zwei gute alte Bekannte mit ihrem Ensemble und dem Projekt Glocal Bach im Museum vor, um den Prozess der Globalisierung tänzerisch zu hinterfragen.
„Saitenspiegel“ lautete dann der Titel der Performance unter der Leitung des unermüdlich-experimentellen Kreators Thorsten Töpp als Meditation mit elektronischem Saitenensemble und den verspiegelten Objekten des Teheraner Künstlerpaares Bahareh Mojtahednazari und Milad Ranjbari, die hier mit Tim Isfort und weiteren Klasse-Musikern für ungewöhnliche Klänge sorgten. Dem interessierten Publikum hat es gefallen.
Im Grammatikoff spielte Trio Isolation Berlin lautstark vor vollem Haus und in der Joseph-Kirche gegenüber setzte der an diesem Wochenende superfleißige Tim Isfort mit seinem grenzüberschreitenden Projekt „Burma Bebop“ auf europäisch-asiatische Weltmusik, für die früher das heute von poppiger Monokultur geplagte Traumzeit-Festival zuständig war. Und einige Meter weiter wurde das Café Graefen mit einem starken Konzert des aus Minsk stammenden Trios des hünenhaften Saxofonisten Pavel Arakelian zum Jazz-Club mit großer Außenwirkung.
Am Samstag lud auch die Folkwang-Hochschule zu Konzerten mit prominenten Musikern ein, darunter die Saxofon-Virtuosin Angelika Niescier und der Bassist Sebastian Gramss, die hier im Quartett „The Great Divide“ mit Trompeter John-Dennis Renken und Drummer Christian Thome mit freiem Jazz über Abschiede und Tod improvisierten. Ein musikalisches Erlebnis, das stilistisch von der üblichen Platzhirsch-Party weit entfernt ist, aber beweist, dass hier auch besondere Projekte jenseits des tanzbaren Mainstreams ihren Platz haben und ihr Publikum finden.