Duisburg.. Am 1. Juli 1991 starb der “Menschenfresser von Duisburg“, wie der Boulevard Joachim Kroll nannte. Ein Ermittler der Polizei erinnert sich.

Vor genau 25 Jahren – am 1. Juli 1991 – starb Joachim Kroll in der JVA Rheinbach an den Folgen eines Herzinfarkts. Dort verbüßte er eine lebenslange Haftstrafe für eine grauenvolle Verbrechensserie, die in den 70er Jahren die gesamte Bundesrepublik erschütterte. Denn Kroll tötete nicht nur mindestens acht Menschen, er aß auch ihre Überreste teilweise auf. Als „Menschenfresser von Duisburg“, wie die Boulevardpresse ihn taufte, ging der Mörder in die deutsche Kriminalgeschichte ein. Und Bernd Jägers, Kriminalhauptkommissar der Duisburger Polizei in Ruhestand, hat den Serienkiller mit überführt – als Leiter das Vernehmungsteams.

Serienmörder Joachim Kroll (l.) demonstrierte bei seiner Vernehmung im Duisburger Polizeipräsidium an Kriminalhauptkommissar Bernd Jägers, wie er eines der Opfer erdrosselt hat.
Serienmörder Joachim Kroll (l.) demonstrierte bei seiner Vernehmung im Duisburger Polizeipräsidium an Kriminalhauptkommissar Bernd Jägers, wie er eines der Opfer erdrosselt hat. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool

Seit knapp drei Jahren genießt der Neudorfer Jägers (67) sein Leben als Ex-Polizist und Pensionär. Die Mordserie Kroll verfolgt ihn aber bis heute. „Zuletzt war ein englisches Fernsehteam bei mir, die für eine Sendereihe über die gefährlichsten Serienmörder Europas gedreht haben. Und über den Fall Kroll sollte ich ihnen als damaliger Ermittler etwas erzählen“, sagt Jägers und fügt hinzu: „Es gibt ja heute kaum noch lebende Zeitzeugen zu diesen alten Geschichten.“ Und so fuhr er mit den TV-Reportern auch zu einigen der alten Tatorte, an denen der damals im Stadtteil Laar lebende Kroll gemordet hatte – etwa am Baldeneysee in Essen oder in Rheinhausen.

Vermutlich noch mehr Menschen getötet

Für Jägers steht auch felsenfest, dass Kroll noch mehr Menschen getötet hat: „Er hat uns in den Vernehmungen gesagt, dass es 20 bis 30 waren. Ich habe ihm das geglaubt. Sicher zuordnen konnten wir ihm aber nur zwölf Taten.“ Beim Prozess vor dem Landgericht Duisburg, der am 4. Oktober 1979 über drei Jahre nach Krolls Verhaftung begann, widerrief der Angeklagte einige seiner Geständnisse, die er zuvor bei der Polizei abgelegt hatte. Der Vorsitzende Richter Paul Georg Schimmann verurteilte ihn nach 151 Prozesstagen wegen achtfachen Mordes und einmaligen Mordversuchs zu einer lebenslangen Haftstrafe.

In den Medien wurde Kroll zum „Monster“ gemacht, sagt Jägers mit Blick auf etliche Ausschnitte alter Zeitungsartikel. Dabei sei er äußerlich ein kleiner, unscheinbarer Typ von knapp 1,60 Meter gewesen, so Jägers. „Kroll war schmächtig, aber unglaublich kräftig“, erinnert sich der Ermittler. Zunächst habe er sich nach seiner Festnahme total verschlossen gezeigt. Um ihn zum Reden zu bringen, versuchten Jägers und seine Mitstreiter den Weg der persönlichen Annäherung. „Wir haben etwa über das Reparieren von Mofas gequatscht, sein großes Hobby. Durch das Reden wurden wir mit der Zeit zu Bezugspersonen, denen er vertraute – und später auch etwas zu den Taten erzählte“, so Jägers.

Kroll wurde nach einem Mord an Vierjähriger in Laar gefasst

Das Besondere: Bei den Ermittlungen nach weiteren Opfern der Mordserie nahmen die Polizisten auch ungeklärte Altfälle mit ins Visier. Sie klapperten mit Kroll rund 100 Tatorte in ganz NRW ab. Namentlich kannte er die Orte nicht, aber vor Ort offenbarte er sofort beim ersten Blick Kenntnisse zu den Taten, die nur der Mörder wissen konnte. „Für die Orte seine Verbrechens hatte er fast ein fotografisches Gedächtnis“, so Jägers.

Gefasst wurde Kroll 1976, nachdem er ein vierjähriges Mädchen, das in seiner unmittelbaren Umgebung in Laar lebte, umgebracht hatte. Die Ermittler wurden bei der Nachbarschaftsbefragung auf ihn aufmerksam, weil er angab, seine Toilette sei durch die Reste eines ausgeweideten Hasen verstopft. Tatsächlich waren es Leichenteile.

Die Jagd der Journalisten auf den Serienmörder

Ein so spektakulärer Fall wie der des „Menschenfressers von Duisburg“ weckte auch bei den damaligen Medien manch seltsame Begehrlichkeiten. Jeder wollte das beste Foto von dem Mann, der mindestens acht Menschen getötet hatte, jeder die besondere Story über ihn.

Bernd Jägers, Leiter des Vernehmungsteams, an seinem alten Schreibtisch im Duisburger Polizeipräsidium. Seit 2013 ist er im Ruhestand.
Bernd Jägers, Leiter des Vernehmungsteams, an seinem alten Schreibtisch im Duisburger Polizeipräsidium. Seit 2013 ist er im Ruhestand. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool

Und so kam seinerzeit die damalige Gerichtsreporterin der NRZ auf die kuriose Idee, sich eine Nacht lang mit Kroll in dessen Gefängniszelle einsperren zu lassen, um mehr zu erfahren, als den schnöden Gerichtsakten zu entnehmen war. Die Genehmigung wurde ihr allerdings verweigert. Auch der damalige Lokalchef der NRZ war offenbar ein wenig der Faszination des Grauens erlegen, die dieser Fall ausübte. Und so genügte es ihm nicht, nur ein Bild von der etwas verkommenen Krollschen Küche abzudrucken, sondern rückte einen Topf auf dem Herd durch einen dicken, aufgemalten Pfeil ins Blickfeld der Leser. In dem Pott habe Kroll Teile seiner Opfer gekocht, bevor er sie verspeist hat, suggerierte die Bildunterschrift. Ob es tatsächlich dieser Kochtopf gewesen ist, wusste indes niemand so genau.

Ein Fotograf erfuhr vor einer Tatortbesichtigung mit Kroll im Wald von diesem Termin und vergrub sich unter Laub und Ästen, um an ein Bild zu kommen. Ein anderer versteckte sich später während des Prozesses hinter Mänteln, die an einem Garderobenständer im Gericht aufgehängt waren. Er wurde entdeckt. „Bei einem Termin standen wir mit 20 Fotografen und Fernsehteams Spalier, um Kroll abzulichten“, erinnert sich ein WAZ-Fotograf. „Er ist einem von uns an die Gurgel gegangen, wurde aber von der Polizei sofort zu Boden gerissen.“