Neudorf. . In St. Gabriel fiebern Gemeindemitglieder und Flüchtlinge aus der Memelstraße gemeinsammit dem deutschen Team. Fastenbrechen in der Halbzeit-Pause

In der zehnten Minute jubeln sie zum ersten Mal – erst dann funktionierte nämlich die Fernsehübertragung im Gemeindehaus St. Gabriel einwandfrei. Vorher musste erst die Satellitenschüssel ausgerichtet werden. Die Zuschauer zücken so lange ihre Handys, um nichts zu verpassen und rufen sich gegenseitig zu, dass Khedira direkt zu Beginn eine gelbe Karte kassiert. Rund 60 Gemeindeglieder schauen sich gemeinsam mit Flüchtlingen, die an der Memelstraße wohnen, die Partie Deutschland gegen Polen an. Ahmed (11) brüllt in die Flüstertüte „Deutschland vor, noch ein Tor“, und die anderen stimmen ein. Allein: Es fällt nicht ein einziges Tor.

Fußballgucken hat in St. Gabriel eine gewisse Tradition. An den Wänden hängen Lichterketten mit kleinen Fußbällen, es gibt ein Tippspiel. 2010 haben sie zum ersten Mal gemeinsam gefiebert und „Public Viewing“ angeboten. Über den Diakon Stephan Koch kam dann der Kontakt zur Flüchtlingshilfe Neudorf zustanden. „Wir wollen die Flüchtlinge mit den Neudorfern zusammenbringen, das funktioniert beim Fußball gut“, erklärt Kai Toss von der „Flüchtlingshilfe“. Der Lionsclub Concordia Duisburg hat für die passenden Outfits gesorgt und Trikots mit der Aufschrift „Jogis 12. Mann“ organisiert. Unter den Syrern und Iranern kreist ein Schminkstift. Gegenseitig malen sie sich die Deutschland-Flaggen auf die Wange, und bangen. Immer, wenn die Deutschen den Ball kurz vor’s gegnerische Tor bringen, brandet Jubel auf. Die Zuschauer im Saal klatschen. Und dann geht’s doch über den Kasten. Zu dem Spiel fällt den meisten nur ein Kommentar ein: „Mein Gott, nee.“

„Ich drücke natürlich Deutschland die Daumen, aber die Polen sind nicht schlecht“, erklärt Mintu Hossain. Der junge Mann aus Bangladesh macht auch bei der Laufgruppe mit und begeistert sich für Sport. „Viele, die heute hier sind, nehmen regelmäßig an unseren Veranstaltungen teil. Wir gehen auch gemeinsam ins Theater oder bieten Frühstück an“, erklärt Kai Toss. Andere, gibt er zu, erreiche man eher nicht. Allerdings bleibt die Hoffnung, dass die Teilnehmer dann von den Aktivitäten erzählen und ihr neues Wissen über Deutschland an die anderen weitergeben.

Pizza-Spende

Da für die meisten Flüchtlinge die Europameisterschaft in den Ramadan fällt, haben die Organisatoren auch für das Fastenbrechen-Essen gesorgt. Für den Beginn liegen Datteln bereit. Anschließend wird Pizza serviert, die in der Halbzeitpause geliefert wird. „Nehmt euch was zu essen, alles muss weg“, ruft diesmal Kai Toss durch die Flüstertüte. Auch die Pizzen sind eine Spende der „Lions“.

Am Dienstag öffnen sich die Türen übrigens wieder für das nächste Rudelgucken im Gemeindesaal. Das Megaphone für neue Schlachtrufe liegt schon Griffbereit.