Duisburg. Das Museum Königsberg in Duisburg wird geschlossen. Die komplette Sammlung geht als Dauerleihgabe an das Ostpraußische Landesmuseum in Lüneburg.

Kant verlässt Duisburg. Derzeit werden in den Räumen des Museums Königsberg im Kultur- und Stadthistorischen Museum am Innenhafen eifrig Kisten und Koffer gepackt, da das Museum Königsberg aus Mangel an ehrenamtlichen Nachwuchskräften aufgegeben wird (wir berichteten).

Die komplette Sammlung wird noch dieses Jahr als Dauerleihgabe an das Ostpreußische Landesmuseum in Lüneburg übergeben, darunter 14 „besonders werthaltige Objekte“, die der Stadt Duisburg gehören. Bei der Aufstellung für die Beschlussvorlage, über die der Rat in seiner Sitzung am 29. Februar abstimmt, fällt ein Ölporträt von Immanuel Kant besonders ins Auge. Zunächst, weil es mit einem Wert von 350.000 Euro alle anderen Exponate weit hinter sich lässt – der Gesamtwert aller Gegenstände wird auf gerade mal 465.000 Euro beziffert. Dann aber sind es die weiteren Angaben, die Aufmerksamkeit erregen. „Immanuel Kant, Porträt, gemalt von Doepler, Öl auf Leinwand, 1791“ heißt es in der Beschreibung. Würde diese Angabe stimmen, wäre das eine Sensation. Denn das Originalporträt, dass der Berliner Maler Gottlieb Doebler 1791 bei seiner Durchreise in Königsberg angefertigt haben soll, gilt seit 1945 als verschollen.

Nazis zogen Vermögen und Eigentum ein

Doebler, der in der Kunstgeschichte keine weiteren Spure hinterlassen hat, soll es ehedem der Königsberger Freimaurerloge „Zum Todtenkopf und Phoenix“ geschenkt haben. Dort hat es, laut dem Kant-Experten Heinrich Lange, bis 1934 in dem Haus der Loge am Schlossteich gehangen. Was danach mit dem Gemälde geschah, erzählt Lorenz Grimoni, bis 2013 Leiter des Museums Königsberg: „Nachdem Hitler die Schließungen der Logen befohlen hatte, hat Erich Koch, der Gauleiter von Ostpreußen, das Bild aus dem Logenhaus geklaut.“ Am 14. Januar 1934 hatten Polizei und SS das Logenhaus durchsucht und alle Ritualgegenstände und Unterlagen beschlagnahmt. Verboten und aufgelöst wurde die Loge im Juni 1935. Vermögen und Eigentum zogen die Nazis ein. Das Porträt von Kant tauchte nach 1945 nie mehr auf.

Aber ein anderes, dass dem Original zum Verwechseln ähnlich ist. 1955 wurde diese Zweitausführung, wie Lange 2004 in einem Essay über Kant-Bilder schreibt, „von amerikanischer Seite“ den Bayrischen Staatsgemäldesammlungen zum Kauf angeboten, dann aber beschlagnahmt. Für 10.000 DM kaufte die Stadt Duisburg dieses Bild dann 1963 bei einer Auktion von einem Julius Baer aus New York. Bei diesem Ölbild soll es sich laut Lange um die Zweitausführung des Original-Porträts von Doebler handeln, die Kant seinem Schüler und Freund Johann Gottfried Kiesewetter in Berlin geschenkt hat.

Geschenk an den Schüler

Unter der Inventarnummer 74 des Museums Königsberg ist dies auch deutlich vermerkt. Dort heißt es: zweite Ausführung für Johann Gottfried Kiesewetter, entstanden „nach“ dem Berliner Maler Gottlieb Doebler. Aber wer hat es gemalt? Lorenz Grimoni ist sich sicher: „Die Kopie wurde von Doebler angefertigt im selben Jahr, in dem er das Original gemalt hat. Kant hat ihm dazu die Erlaubnis gegeben, um die Kopie seinem Schüler Kiesewetter zu schenken.“ Das bezweifelt Lange in seinem Essay „Die Porträts Immanuel Kants von und nach dem Berliner Maler Gottlieb Doebler“ (Kant-Studien Band 100, Heft 4, Januar 2009). Darin erörtert er, dass die Kopie für Kiesewetter nicht von Doebler stammt, sondern von einem anderen zeitgenössischen Künstler.

Wer und wann auch immer dieses kleine Porträt des bedeutenden Königsberger Philosophen geschaffen hat, sein Wert ist vor allem ein ideeller, wie Grimoni betont: „Es ist eines der wenigen Porträts von Kant, die zu seinen Lebzeiten entstanden sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass er wirklich so ausgesehen hat, ist sehr hoch. Darin liegt die Bedeutung dieses Porträts.“ Deshalb sei es auch immer wieder für Ausstellungen in aller Welt ausgeliehen worden. Was sich wohl auch nicht ändern wird, wenn das Bild in Lüneburg hängt.