Duisburg. Im Ernstfall hätte der U-Bahnhof am König-Heinrich-Platz in Duisburg 4500 Menschen das Überleben gesichert. Wir haben den alten Schutzraum besichtigt.
Sich mit 250 Menschen ein Klo zu teilen zu müssen, der Gedanke ist gewöhnungsbedürftig. So etwas will man nur im Ernstfall. Aber für genau den, den Kriegs- oder Krisenfall, ist beziehungsweise war dieser Bau unter dem König-Heinrich-Platz auch nur bestimmt. 4500 Duisburgern - noch nicht einmal einem Prozent der Einwohnerzahl unserer Stadt - hätte der Schutzraum im U-Bahnhof das Überleben gesichert. Hätte, denn mit dem Ende des Kalten Krieges wurde diese Mehrzweckanlage (MZA) nicht mehr gebraucht. Dabei war der 12 Millionen D-Mark teure Bau erst kurz vorher fertig geworden.
Bunker wurde erst Anfang der 90er-Jahre fertig und in Dienst gestellt
Die ersten Planungen für den Bau des 250 Meter langen, knapp 20 Meter breiten und 19 Meter hohen Schutzraums gehen weit zurück - in die Hochphase des "Kalten Krieges" Anfang der 1980er Jahre. Doch immer wieder verzögerte sich die Inbetriebnahme des Schutzraums für die Zivilbevölkerung, erst 20 Jahre später, erst in den 90ern konnte der Bau seiner Bestimmung übergeben werden - zu diesem Zeitpunkt war der Eiserne Vorhang längst gefallen, hatte sich die politische Situation in der Welt entspannt.
Mit der Rolltreppe geht es vom König-Heinrich-Platz auf die erste Ebene des U-Bahnhofs und des Bunkers. Hinter einer Stahltür verbirgt sich der Eingang in den Schutzraum - ein langer Gang führt zunächst zu einem der Waschräume. Dass dieser noch nie genutzt wurde, ist an der dicken Staubschicht erkennbar, die in den Waschbecken liegt.
Direkt daneben, nur durch dünne Wände abgetrennt und Plastik-Vorhänge geschützt, reihen sich die Kloschüsseln aneinander. Weiter geht es in Richtung "Aufenthaltsraum". "Hier würden im Ernstfall dicht an dicht die Notbetten stehen", erzählt Marcel Becker, der bei der Duisburger Feuerwehr Sachbearbeiter Zivilschutz und damit auch "Bunkerwart" ist.
Bis auf die U-Bahnen, die in regelmäßigen Abständen ein- und ausfahren, ist es still in dem riesigen unterirdischen Komplex, der vom Gerichtsgebäude bis zum Lifesaver-Brunnen reicht. Dies wäre anders, wenn die riesigen Strom- und Belüftungsanlagen in Betrieb sind, die hier das Überleben sichern.
U-Bahnhof wäre in sieben Tagen ein einsatzbereiter Bunker gewesen
Auch wenn der mögliche Ernstfall in weite Ferne rückte, geübt wurde der Einsatz des Bunkerbetriebsdienstes von den Duisburger Katastrophenschützern trotzdem. Eine Woche Vorlaufzeit hätten Hilfsorganisationen und Feuerwehr gebraucht, um den Schutzraum einsatzbereit zu machen. Dann wären auch 16 U-Bahnen dort geparkt und die Tunnelzufahrten mit dicken Gleistoren gas- und strahlungssicher verschlossen worden. Noch heute werden hier neben den Notbetten allerlei Materialien gelagert: alte ABC-Schutzausrüstungen, Strampler für 450 Kinder, Windeln, Wolldecken, Geschirr und Besteck. Auch noch Brot in Dosen.
Ob herabfallende Trümmer, Radioaktivität, biologische oder chemische Gefahren und Brände - all jenes hätte dem Schutzraum nichts anhaben können. Heute ist das nicht mehr so. Für die Aufzüge, die mittlerweile von der Oberfläche zu den Bahnsteigen fahren, "musste die eigentliche Schutzschicht durchstoßen werden", ergänzt Becker (32).
Aber das spielt heute auch keine Rolle mehr. Entwidmet, also offiziell außer Dienst, ist der Duisburger Schutzraum zwar nicht, aber dass er noch einmal ertüchtigt und jemals in Betrieb genommen wird, davon gehen die Zivilschützer der Stadt Duisburg nicht aus. In aktuellen Katastrophen- und Krisenszenarien jedenfalls spielen Schutzräume wie der im Duisburger U-Bahnhof keine Rolle mehr.
Wie sich die Bürger auch ohne Bunker schützen können
Glaubt man Wissenschaftlern, dann ist die Menschheit auch 2016 gar nicht so weit vom Weltuntergang entfernt. Drei Minuten vor zwölf zeigt die Uhr, die als symbolische Atomkriegsuhr (englisch doomsday clock) seit 1947 von Atomwissenschaftlern jährlich neu gestellt wird. Näher am Armageddon war die Menschheit nur einmal: zu Beginn der Korea-Krise 1953 bis zum Ende der 1950er-Jahre. Trotzdem war die Lage schon einmal entspannter.
Dennoch gab der Bund nach dem Ende des Kalten Krieges nahezu alle Schutzräume auf. Von den ursprünglich 2100 sind nur noch wenige übrig. Aber auch die werden über kurz oder lang aufgegeben. In aktuellen Krisenszenarien jedenfalls spielten Schutzräume wie der im U-Bahnhof keine Rolle mehr. „Wir müssen auf eine Vielzahl von Großschadensereignissen von Naturkatastrophen, technischen Havarien bis zum Verteidigungsfall vorbereitet sein“, erklärt Wahid Samimy, Sprecher des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK).
Ohne Vorwarnzeit bieten auch die Bunker keinen Schutz
Dem Konzept der öffentlichen Schutzräume habe ein Kriegsszenario mit großflächigen Bombardierungen und der Möglichkeit zur rechtzeitigen Warnung der Bevölkerung vorgelegen, heißt es aus dem BBK. „Bei den heutigen Schadensszenarien mit lokalen Unglücksfällen oder Terroranschlägen ohne Vorwarnzeit können die öffentlichen Schutzräume keine Schutzwirkung entfalten.“ Denn ehe ein Schutzraum einsatzbereit ist, dauerte es mitunter mehrere Tage.
Aber wie kann sich die Bevölkerung, wenn es keine Bunker mehr gibt, die Schutz bieten, in Notsituationen schützen? Durch Selbstschutz und Notfallvorsorge, sagen die Katastrophenschützer. Und verweisen etwa auf ihre Broschüren, die Bürger etwa auf der Internetseite bbk.bund.de herunterladen können oder den eigenen Youtube-Kanal, auf dem das BBK auch Selbsthilfe-Videos mit Handlungsempfehlungen veröffentlicht. Auch Checklisten für persönliche Notfallausrüstung sind dort zu finden.
Mit einer Rückbesinnung - wie es sie beim dem Wiederaufbau der Sirenen gab - sei bei den Bunkern nicht zu rechnen. Die alten Hochbunker, die noch hier und da zu sehen sind, werden wohl nach und nach von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) verkauft. Zuletzt verkaufte die BImA den Bunker im Kreuz Kaiserberg.
Bundesweit gibt es eh insgesamt nur noch acht Anlagen, die derzeit noch der Zivilschutzbindung unterliegen. Auch sie werden wohl bald entwidmet ebenfalls der BImA zur Verwaltung und Verwertung übergeben, so der Sprecher des BBK. Der Schutzraum König-Heinrich-Platz, eine sogenannte Mehrzweckanlage (MZA) wird wieder eine einfache U-Bahnstation.
Stadt Duisburg will Bevölkerung künftig mit Nina warnen
Parallel zu den Sirenen können sich die Bürger in vielen Städten nun auch schon per Smartphone-App etwa bei Großschadenslagen, Bombenentschärfungen oder Großbränden warnen lassen. Das BBK hat dafür die App Nina (Notfall-Informations- und Nachrichten-App) entwickeln lassen, mit der sich Nutzer von Apple- und Android-Geräten informieren lassen können (Windows-Phone und Blackberry werden derzeit nicht unterstützt, ob dafür Apps entwickelt werden, ist unklar).
Auch interessant
Bei Smartphone-Nutzern ebenfalls verbreitet ist die App KatWarn, die das Fraunhofer Institut für Offene Kommunikationssysteme entwickelt hat. In beiden Systemen ist die Stadt Duisburg aber derzeit (Stand Juli 2016) noch nicht angebunden. Noch im Laufe des Jahres soll aber die Anbindung an die Nina-App erfolgen.
Bei Katwarn wird Duisburg dann aber nicht einsteigen - im Gegensatz zur App des Bundes würde das Einpflegen der Daten die Stadt nämlich Geld kosten. Entscheiden, für welches System sie sich entscheiden, müssen allein die Kommunen. In NRW ist Katwarn aber derzeit kaum verbreitet ist. Herford und Paderborn machen mit, die meisten großen NRW-Städte aber nicht. Und auch die Politik empfiehlt den Bürgern in NRW die Warnapp Nina. Für die Nutzer sind beide Dienste kostenlos.