Duisburg. . Polizeipräsidentin Dr. Elke Bartels plant, dass ihre Einsatzteams bei Massenansammlungen an den närrischen Tagen Präsenz zeigt.
Als erste Reaktion auf die Silvester-Vorfälle in Köln hat Polizeipräsidentin Dr. Elke Bartels eine Urlaubssperre für Duisburgs Polizeibeamte in der heißen Phase des Karnevals verhängt. An den vier Haupttagen (Altweiberfastnacht sowie von Nelkensamstag bis Rosenmontag) soll die Polizei bei Massenveranstaltungen im Stadtgebiet deutlich sichtbar Präsenz zeigen. „Es ist eine besondere Lage. Wir wollen den Menschen das größtmögliche Sicherheitsgefühl geben, damit sie unbeschwert feiern können“, so Bartels im WAZ-Interview. Auch die behördeninterne Karnevalsfete wurde abgesagt. „Wenn wir hier gefeiert hätten und draußen wäre was Schlimmes passiert, hätte ich mir immer Vorwürfe gemacht.“ Mann und Maus gehörten jetzt auf die Straße.
Die Vorfälle in Köln
„Das hätte so in jeder anderen Stadt auch passieren können. Zum Glück ist es hier bei nicht zu vergleichbaren Vorfällen gekommen“, sagte Bartels mit Blick auf die sexuellen Übergriffe auf Frauen und die in Großgruppen organisierten Diebstähle, die sich am Kölner Hauptbahnhof ereigneten. Ob die dortige Polizei und ihre Führung an diesem Abend richtig aufgestellt war, darüber wolle sie sich aus der Ferne kein Urteil erlauben. Eine Lehre aus den Vorfällen sei es aber, dass die Polizei künftig noch aufmerksamer die sozialen Netzwerke im Auge behalten müsse. Auf solchen Seiten hatten sich die Straftäter nach bisherigen Ermittlungen verabredet.
Die Minister-Schelte
Der in Duisburg lebende NRW-Innenminister Ralf Jäger hatte nach der Entlassung des Kölner Polizeipräsidenten nun auch heftige Kritik an der Einsatzleitung geäußert, weil diese keine Verstärkung angefordert hatte. Diese Minister-Schelte direkt kommentieren wollte Bartels nicht. Sie sagte nur: „Fehler passieren! Wenn etwas in meinem Präsidium vorfällt, dann stelle ich mich als Verantwortliche zunächst einmal schützend vor meine Truppe und kläre die Dinge in Ruhe auf – das aber vor allem intern, ohne die erforderliche Transparenz für die Öffentlichkeit zu vernachlässigen.“
Die zusätzlichen Kräfte
Seit Mitte Juli werden die Polizeikräfte im Duisburger Norden immer von einem Zug einer Einsatzhundertschaft aus ganz NRW unterstützt. Um diese Verstärkung zu bekommen, musste das Duisburger Präsidium dem Innenministerium ein Konzept vorlegen. Nicht nur das wurde binnen vier Wochen erstellt, sondern zeitgleich auch noch die Stadt Duisburg als Netzwerkpartner ins Boot geholt. Dieses Konzept überzeugte das Ministerium: Seitdem sind Tag für Tag rund 30 Polizeikräfte zusätzlich im gesamten Stadt-Norden im Einsatz. Sie fuhren dort in Kooperation mit der Stammbelegschaft eine Null-Toleranz-Taktik.
Auch kleinste Delikte, so Bartels, wurden geahndet. Es gab seit Juli bis 31. Dezember insgesamt 75 Fest- und Ingewahrsamnahmen, 386 Strafanzeigen (darunter 175 Verkehrsdelikte), 815 Ordnungswidrigkeiten-Anzeigen (etwa Gurtmuffel oder mit Handy am Steuer) sowie 3712 Verwarnungsgelder. „Wir lassen dort nichts mehr durchgehen“, so Bartels. Das treffe vor allem jene Zeitgenossen, die bislang glaubten, dass die hiesigen Gesetze für sie nicht gelten. „Manche lassen sich nicht umerziehen. Wir haben durch unser Vorgehen keinen zum besseren Menschen erzogen. Aber wir haben diesen Leuten konsequent unter Beweis gestellt, dass das Gewaltmonopol in unserem Land beim Staat liegt.“ Dieses stringente Vorgehen sei perspektivisch der einzig mögliche Weg gewesen, so Bartels: „Wenn wir uns den Respekt nicht wiedergeholt hätten, dann hätten wir irgendwann verloren.“
Der Kräftebedarf
Bislang handelt es sich bei der Verstärkung nur um eine temporäre Lösung, deren Ende laut Bartels nicht terminiert ist. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert in Person von Harald Jurkovic, dem Vorsitzenden der Kreisgruppe Duisburg: „Es wird Zeit, der Einsatzbelastung in unserer Stadt Rechnung zu tragen und dauerhaft die Polizeistärke in Duisburg zu erhöhen. Das Beispiel Marxloh zeigt gerade, dass eine höhere Polizeipräsenz zu einer verbesserten Sicherheitslage führt.“
Laut Bartels solle der Einsatz der Hundertschaft-Kräfte in Duisburg keine Dauerlösung sein. „Mein Wunsch wäre eine dauerhafte Verstärkung unserer Stammtruppe.“ Im September werden wieder die neuen Kräfte den einzelnen Präsidien zugewiesen. „Und unsere Sonderproblematik erfordert eine Sonderbehandlung“, so die Polizeipräsidentin. Derzeit zählt die Behörde 1760 Mitarbeiter, darunter 1200 Polizisten.
Der Überstunden-Berg
GdP-Mann Jurkovic kritisierte auch den Überstunden-Berg der Kollegen. Tausende Stunden schieben sie addiert vor sich her. „Das ist eine unglaubliche Herausforderung“, so Bartels. „Ich bin aber froh und dankbar, dass meine Leute für ihren Beruf brennen. Sie sind trotz der immensen Belastungen immer da, wenn sie gebraucht werden.“ Den Abbau der Überstunden zu gewährleisten und neu entstehende Überstunden gerecht zu verteilen, das sei auch eine wichtige Aufgabe für alle Führungskräfte der Polizei.
40 Prozent mehr Einbrüche in Duisburg in den ersten neun Monaten 2015
Die Einbruchs-Zahlen
Die Zahl der Einbrüche in den ersten neun Monaten des Jahres 2015 in Duisburg ist auf 1658 gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (1172) entspricht das einem Plus von 486. „Mit einer Steigerung von rund 40 Prozent liegen wir im Landestrend“, sagte Bartels. Erfreulich sei zumindest, dass sich die Zahl der ermittelten Tatverdächtigen mehr als verdoppelt habe: Sie stieg von 21 auf 54. „Nur ein Drittel der gefassten Täter kommt aus Duisburg“, so Bartels. Das Gros der Ertappten seien Serientäter aus international agierenden Banden, die für zahlreiche Einbrüche verantwortlich seien. Sie kämen aus 21 verschiedenen Nationen, die größte Gruppe sei aus Albanien.
In 45 Prozent der Einbruchsfälle blieb es beim Versuch. Immer mehr Bürger statten ihre Wohnung oder ihr Haus mit Sicherheitstechnik aus. „Mit unseren Präventionsaktionen der kriminalpolizeilichen Beratungsstelle haben wir die Bürger für dieses Thema sensibilisiert“, so Bartels. Der wichtigste Einbruchschutz sei aber nach wie vor eine aufmerksame Nachbarschaft.
Die Tötungsdelikte
Das zuständige Kriminalkommissariat 11 musste sich in 2015 um die Aufklärung von 21 Tötungsdelikten kümmern. Diese ereigneten sich aber nicht nur in Duisburg, sondern auch im Kreis Wesel, der zum hiesigen Zuständigkeitsbereich gehört. Die 15 Kripo-Kräfte dieses Kommissariats klärten etwa im April 2015 den Fall der erst vermissten, dann tot aufgefundenen Dagmar Eich, deren Sohn und ein Brüder-Trio deshalb zur Zeit vor Gericht stehen. In die Türkei absetzen konnten sind zwei Brüder, die im Mai den Freund ihrer Mutter getötet hatten. Ihre Mutter überlebte die Attacke.
Flüchtlingsstraftaten sollen auch als solche benannt werden
Die Flüchtlings-Kriminalität
In den 27 Duisburger Flüchtlingsunterkünften und zahlreichen Wohnungen leben laut Bartels derzeit rund 6000 Asylbewerber. Diese Örtlichkeiten werden nicht nur ständig von Polizeistreifen abgefahren, es kommt auch regelmäßig zu Einsatzfällen. Allein im Dezember wurden 61 Straftaten registriert. Der Löwenanteil: Körperverletzungs- und Diebstahldelikte.
Bartels betonte ausdrücklich, dass es keine Vorgabe seitens des Innenministeriums gebe, dass Flüchtlinge in der Öffentlichkeit nicht als Täter benannt werden sollen. Im Gegenteil: Seit dem 1. Januar 2016 gibt es bei der Fallaufnahme für die Kriminalstatistik erstmals das Einsatzstichwort „Flüchtlinge“. So lassen sich deren Straftaten künftig leichter aus der Datenflut herausfiltern. Bartels erwartet, dass dieses Thema die Polizei auch in 2016 weiter beschäftigen wird.
Die Pegida-Demos
Seit fast genau einem Jahr steigen auf dem Vorplatz des Duisburger Hauptbahnhofs die Kundgebungen des islam- und fremdenfeindlichen Bündnisses Pegida und die entsprechenden Gegendemonstrationen. „Diese Treffen binden nicht nur Einsatzhundertschaften aus dem ganzen Land, sondern auch viele unserer eigenen Kräfte“, so Bartels. Allein 70 bis 120 Polizisten aus Duisburg seien Woche für Woche gefordert.
Für die Kundgebung zum Jahrestag in der nächsten Woche erhofft sich Bartels, dass es ähnlich ruhig ist wie an diesem Montag. Einziger schwerer Zwischenfall war die Attacke von zwei Pegida-Teilnehmern aus Mülheim (34 und 35), die in der Verknüpfungshalle einen farbigen jungen Mann (18) aus Essen attackiert und verletzt hatten. Er gehörte laut Polizei zum Lager der Gegendemonstranten. Gegen das Täter-Duo wird nun wegen Körperverletzung ermittelt.
Die Rockerkämpfe
„Die Zahl der Rocker-Straftaten, die wir derzeit verfolgen müssen, tendiert gen Null“, so Bartels. Das Verbot der Rockergruppe Satudarah sei ein entscheidender Schritt für diese Entwicklung gewesen. Der Zwist unter den verschiedenen Gruppierungen habe sich gelegt. „Die Lage ist derzeit befriedet“, so Bartels.