Duisburg. Der Duisburger OB Sören Link über Probleme der Städte bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Einige Immobilienbesitzer nutzen Not der Kommunen aus.

Die Städte stehen enorm unter Druck, um die stetig steigende Zahl von Flüchtlingen unterzubringen. Mancherorts werden Wohnungen bereits im Einvernehmen mit den Eigentümern beschlagnahmt, anderswo werden leere öffentliche Gebäude umfunktioniert. Doch dies ist meist zeit- und kostenaufwändig, wie Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (39, SPD) im Gespräch sagte. Um bei der Regierung Druck zu machen, war er am Mittwoch zusammen mit 200 anderen Bürgermeistern und Landräten bei Vizekanzler Sigmar Gabriel in Berlin.

Wissen Sie eigentlich, wie viele Flüchtlinge Duisburg gerade beherbergt? Wie ist die Entwicklung?

Sören Link: Die Zahl steigt stetig. Derzeit haben wir 3140 Asylbewerber in Duisburg. Vor fünf Jahren waren es nur 353. Ungefähr die Hälfte der aktuellen Flüchtlinge wohnt in Übergangsheimen, die andere Hälfte in rund 500 Wohnungen. Wir sind dankbar, dass die großen Wohnungsgesellschaften uns Bestände zur Verfügung stellen. Denn wir benötigen größere Einheiten, um die Betreuung der Flüchtlinge kostengünstiger zu organisieren. Ohne die großen Wohnungsgesellschaften wie etwa MEO, der Gebag oder Vivawest würden wir das Problem nicht regeln können. Wenn wir zahllose einzelne Wohnungen übers Stadtgebiet verteilt anmieten würden, wäre die Organisation wesentlich komplizierter.

Warum dürfen private Vermieter horrende Mieten verlangen, wenn sie Flüchtlingen Wohnraum zur Verfügung stellen? Kann man da nichts gegen machen?

Link: Hier muss man unterscheiden: Die städtischen Aufwendungen für Wohnungen werden bei uns dieses Jahr rund 2,8 Millionen Euro betragen. Im Schnitt macht das rund 550 Euro pro Wohnung aus, teils einschließlich der Nebenkosten. Angesichts der Knappheit bieten einzelne Investoren nun Modelle an, bei denen die Betreuung der Flüchtlinge inkludiert ist – diese Mietmodelle sind dann natürlich deutlich teurer. Aber man muss sehen, dass wir die Betreuung ja sonst auf anderem Weg finanzieren müssten. Geld kostet es so oder so.

"Manche wittern hier das große Geschäft"

Aber es gibt doch Unternehmen, die die Not der Flüchtlinge ausnutzen?

Link: Ja, und das ist leider überall im Land so, wie ich von anderen Bürgermeistern höre. Zelte, Container, Decken, Wohnungen – manche wittern hier jetzt das große Geschäft. Und teils müssen die Städte darauf eingehen, weil ihnen die Alternativen fehlen.

Wie das?

Link: Wenn wir Notunterkünfte für Flüchtlinge einrichten wollen, dann sind die gleichen hohen gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, wie bei „normalen“ Bauprojekten. Vielfach handelt es sich bei den Objekten, die zu einer Notunterkunft umgebaut werden, um ehemalige Schulgebäude, die jedoch seit einiger Zeit nicht mehr genutzt werden. In den meisten Fällen müssen umfangreiche Sanierungsmaßnahmen vorgenommen werden. Dazu gehört vielfach eine komplette Brandschutzsanierung oder ein zusätzlicher Sanitäreinbau.

Genauso müssen wir aufgrund der ‘Störfallverordnung’ auf einen gewissen Abstand zu Industriebetrieben achten. Dies macht es in einer Industriestadt wie Duisburg nahezu unmöglich, ein Gebäude für Flüchtlinge einzurichten. Dazu kommt, dass wir bei diesen Einrichtungen ebenfalls auf den Artenschutz achten müssen, bedrohte Tiere dürfen nicht in der Nähe sein. Und außerdem gibt es noch die Vorschriften zur Barrierefreiheit. Weil wir auf all dies Rücksicht nehmen müssen, ist der Bau von Einrichtungen enorm erschwert, langwierig und teuer.

Viele Bürger spenden Kleidung und Spielzeug; nun landen die ersten Spenden im Müll? Warum ist das so? Wie kann man das ändern?

Link: Die Spendenbereitschaft unserer Bürger ist überragend. Die Koordination der Spenden wird von Tag zu Tag effektiver, auch wir mussten uns auf dieses außergewöhnliche Mitgefühl erst einstellen. Wie andere Städte auch zeigen wir auf unserer Internetseite Ansprechpartner. In Ausnahmefällen wird bei Spenden jedoch auch Kleidung abgegeben, die nicht mehr funktionstüchtig ist.

Manche Bürger spenden Lebensmittel, die allerdings nicht angenommen werden dürfen.

Link: Das ist auch richtig so, denn rohe Eier z.B. dürfen nicht ungeprüft in eine Einrichtung. Die Gefahr ist einfach zu groß. Besser ist es da, wenn man die Flüchtlinge direkt zu einem Essen einlädt, etwa bei einem Nachbarschaftsfest.