Duisburg. Sechs Versprechen hat Duisburgs Oberbürgermeister Link für seine sechsjährige Amtszeit gegeben. Wir haben überprüft, ob er diese schon erfüllt hat.

1. Versprechen: ein offener Bürgerdialog in allen Stadtbezirken
„Bürger sollen Duisburg mitgestalten“, kündigte OB Link im Wahlkampf an und versprach mehr Bürgerbeteiligung, vor allem in Form von Diskussionsrunden in allen sieben Stadtteilen. Tatsächlich organisierte das umbenannte OB-Referat für Kommunikation und Bürgerdialog im November 2012 den ersten Dialog im Bezirk Süd und zwei Monate später den zweiten in Homberg. Es waren Debatten hinter verschlossenen Türen, zu denen sich die Teilnehmer vorher anmelden mussten. Danach gab es allerdings keine Dialog-Runden mehr, ergo stehen sie in fünf Stadtbezirken noch aus.

Fazit: noch nicht eingelöst

2. Versprechen: ein Aktionsplan gegen Armut
Die Armut in der Stadt wolle er „nicht einfach akzeptieren“, erklärte Link und kündigte an, gemeinsam mit Organisationen und Wohlfahrtsverbänden „alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um Armut zu erkennen und mit einem Aktionsplan etwas dagegen zu tun.“ Den Weg in die Öffentlichkeit hat die Vorbereitung eines solchen Aktionsplans noch nicht gefunden. Und auch die Wohlfahrtsverbände sind zu diesem Thema noch nicht an den Tisch gebeten worden. Ende 2012 hatte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung die Entwicklung in Duisburg als „dramatisch“ bezeichnet, da die Armutsquote von 2005 bis 2011 um ein Drittel angestiegen sei. Daran hat sich wenig geändert: Laut Landesstatistik von Ende 2014 ist knapp jeder vierte Duisburger von Armut bedroht, Duisburg liegt unter den bundesdeutschen Großstädten auf dem drittletzten Platz. Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 873 Euro pro Monat zur Verfügung hat.

Allerdings hat sich seit 2012 durch den massiven Zuzug von Armutszuwanderern aus Südosteuropa die Definition von Armut gewandelt.

Fazit: noch nicht eingelöst

3. Versprechen: Zahl der U3-Plätze verdoppeln
Sören Link wollte neben der Verdoppelung auch gleichzeitig bei der Betreuung von Kleinkindern unter drei Jahren „für mehr Qualität sorgen“. Die nackten Zahlen: Zum Start des Kindergartenjahres 2012 hatte die Stadt 2583 U3-Plätze. Zum bevorstehenden Kita-Start in wenigen Wochen sind es jetzt 3813. Ob es bis 2018 tatsächlich mehr als 5000 Plätze geben wird, ist fraglich: Um der langfristigen Nachfrage laut der Elternbefragung für das Kita-Jahr 2017/18 gerecht zu werden, würden der Stadt nur noch 534 weitere Plätze fehlen.

Fazit: noch nicht eingelöst

4. Versprechen: kostenlose Büchereiausweise für alle Erstklässler
Das Versprechen hatte der OB schnell eingelöst: Die Aktion läuft seit 2012, ein Jahr später hatte Link sie sogar ausgeweitet. Seitdem erhalten alle Schüler bis zur sechsten Klasse einen Gutschein für einen kostenlosen Büchereiausweis, insgesamt sind das rund 29.000 Gutscheine. Einziger Wermutstropfen: Als Link im Vorjahr öffentlichkeitswirksam in einer Grundschule die Ausweise verteilte, musste er sich den Vorwurf gefallen lassen, an der falschen Stelle gewesen zu sein. Denn währenddessen musste der Sozialdezernent in Walsum die Zeltstadt vor der Schar von Medienvertretern verteidigen.

Fazit: Versprechen eingelöst

5. Versprechen: alle Schüler erhalten nach ihrem Abschluss ein Berufsangebot
„Anschluss nach dem Abschluss“ hat OB Link sein Versprechen genannt: Unter dem selben Titel und im gleichen Jahr hat die Landesregierung ein entsprechendes Berufsorientierungsprogramm gestartet, an dem Duisburg seit Mitte 2013 teilnimmt. Als Gradmesser für den Erfolg dient die August-Statistik der Arbeitsagentur: Auch wenn durch zahlreiche Anstrengung noch bis Ende des Jahres Lehrstellen vermittelt werden, sind der 1. August und 1. September die klassischen Starttermine der Berufsausbildungen. 2012 waren zum Stichtag 1. September 561 Bewerber ohne Lehrstelle, 2013 waren es 504, im vergangenen Jahr 432. Derzeit (Stand 1. Juli) sind noch 1042 Bewerber ohne Lehrstelle, 36 mehr als im Vorjahr. Die Zahl der unversorgten Bewerber ist damit seit dem Amtsantritt des OB rückläufig. Doch sei sie „trotz des beginnenden demografischen Wandels und des absehbaren Fachkräftebedarfs immer noch zu hoch“, konstatierte jüngst die Arbeitsagentur. Unberücksichtigt bleibt bei den Zahlen, ob Bewerber ein Angebot erhalten, aber abgelehnt haben.

Fazit: noch nicht eingelöst

6. Versprechen: gemeldete Müllkippen sind in 48 Stunden beseitigt
Das Vorhaben hat Link zügig umgesetzt: Bürger können wilde Müllkippen bei den Wirtschaftsbetrieben melden, spätestens zwei Tage später ist der Dreck verschwunden. Gleichzeitig wurden 20 neue Leute beim Ordnungsamt eingestellt. „Ich möchte, dass die Bürger in einer sauberen und sicheren Stadt leben“, sagte Link.

Fazit: Versprechen eingelöst

Kommentar zur Zwischenbilanz: Luft nach oben 

Er ist der Nachfolger eines Oberbürgermeisters, den die Bürger aus dem Amt gejagt hatten: Keine schlechten Voraussetzungen für den Start. Schlimmer konnte es ja schließlich kaum noch werden. So konnte Sören Link die Wogen nach der Loveparade-Katastrophe glätten, was der Stadt half, das Trauma zu überwinden. Die Hälfte seiner Amtszeit ist vorbei, der „Welpenschutz“ nach dem Amtsantritt des damals 34-Jährigen längst verstrichen. Heftiger Gegenwind blies dem großgewachsenen Walsumer dennoch nur einmal ins Gesicht: Vor einem Jahr, als er die zur Triennale geplante Tunnelskulptur „Totlast“ vor dem Lehmbruck-Museum untersagte und die Bürger, die er nach der Loveparade als „noch nicht reif“ für eine solche Installation erachtete, damit indirekt für unmündig erklärte. Die „Zensur“-Entrüstung war vor allem in der Kunstszene gewaltig, mit Link kam erstmals das Wort „Skandal“ in Verbindung.

Aber sonst? Sein Regieren verlief ohne Ecken und Kanten, an denen sich jemand hätte stoßen können. Das trägt nicht dazu bei, das Profil zu schärfen. Und die Zeit, in denen der OB darauf verweisen konnte, erst einmal die Altlasten beseitigen zu müssen, ist verstrichen. Natürlich kann Link dabei Erfolge aufweisen, er sitzt die Probleme nicht aus, sucht Lösungen, auch wenn diese 200 Millionen Euro schwer sind. Dennoch: Es fehlt dabei die große Strahlkraft.

Duisburgs erster Bürger muss sich für die zweite Halbzeit die Frage stellen, für was er in Erinnerung bleiben will. Seine formulierten Ziele (Bürger beteiligen, gute Arbeitsplätze, solide haushalten, Bildung ausbauen) sind dafür zu allgemeingültig und verwechselbar. Die Frage stellt sich nicht erst heute. Im NRZ-Interview zum Jahreswechsel nannte Sören Link als Maßstab, an dem er sich misst und messen lassen will: Die Stadt solle 2018 deutlich besser da stehen als bei seinem Amtsantritt. Doch woran macht der Bürger das dann fest? An einem ausgeglichenen Haushalt? An der Zahl der verblieben Freibäder oder der eingesetzten Radarwagen?

Greifbarer ist: Von seinen sechs Versprechen hat der OB erst zwei erfüllt. Für die drei weiteren Jahre ist also noch Luft nach oben.