Duisburg. Polizei und Rettungsdienst: Behinderungen der Arbeit von Einsatzkräften ist Ausnahme. In Duisburg behinderten 50 Gaffer die Arbeit der Rettungskräfte.

Ein Mann liegt verletzt am Boden. Er braucht Hilfe, ist bei einem Unfall von seinem Krad gestürzt. Doch rund 50 Menschen haben sich an der Unfallstelle gesammelt, stehen im Weg und behindern Polizei und Notarzt bei ihrer Arbeit massiv. Die Aufforderung, weiterzugehen, ignorieren sie.

Von Schaulustigen wie bei dem Unfall am Sonntag in Duisburg-Rheinhausen berichten Einsatzkräfte immer mal wieder. Dass sich sogenannte Gaffer über die Anweisung der Polizei hinwegsetzen, sei aber sehr selten, sagt die Duisburger Polizeisprecherin Daniela Krasch.

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Im konkreten Fall habe sich die Stimmung unter den Schaulustigen aufgeheizt, berichtet sie. „Von einer Frau muss ich mir gar nichts sagen lassen“, habe einer von ihnen eine Beamtin angeschrien. Die Polizeibeamten mussten weitere Kräfte anfordern, um der Lage Herr zu werden. Insgesamt zehn Polizisten waren am Montag im Einsatz.

„Die Einsatzkräfte, die zuerst vor Ort waren, mussten sich ja zunächst um den Unfall kümmern“, erklärt Daniela Krasch. Die Versorgung der Verletzten, die Sicherung der Unfallstelle – das habe natürlich Priorität.

Polizei kann Pulk der Schaulustigen auflösen

Erst die Verstärkung konnte Platzverweise durchsetzen und den Pulk schließlich auflösen. Wären die Schaulustigen nicht gegangen, hätten die Polizisten als nächsten Schritt einzelne von ihnen festnehmen und ins Gewahrsam bringen müssen. Auch Strafanzeige wegen unterlassener Hilfeleistung oder Nötigung sowie Bußgelder wegen Verkehrsbehinderungen seien in solchen und ähnlichen Fällen möglich. So weit sei es aber beim Unfall in Rheinhausen nicht gekommen.

Im Netz hatte der Bericht über den Unfall für empörte Reaktionen gesorgt. „Erneuter Platzverweis ist zu harmlos. Gleich Mannschaftsbus kommen lassen und alle ab mit zur Wache“, schreibt ein Leser auf derwesten.de. Ein anderer kommentiert: „Ich hoffe doch, dass da auch saftige Geldstrafen verteilt wurden!“

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Mehr Verständnis zeigt da Frank Marx, Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes der Feuerwehr Duisburg. Auf Anweisungen von Polizei und Rettungskräften nicht zu reagieren, sei zwar völlig inakzeptabel, stehen zu bleiben und zu schauen sei aber zunächst einmal völlig normales Verhalten. „Die Menschen müssen den Notfall als solchen erst einmal identifizieren“, erklärt er.

Warum viele nur schauen statt zu helfen, könne viele Gründe haben: Die Angst, sich selbst in Gefahr zu bringen, die falsche Einschätzung der Situation aus Unerfahrenheit oder die Sorge, sich durch sein Handeln selbst zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen sind nur einige Beispiele.

"Die Menschen wollen einander helfen"

„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Menschen einander helfen wollen“, sagt Frank Marx. Und die Bereitschaft einzugreifen steige sogar mit der Anzahl anderer Helfer. Häufig sei es schon hilfreich, vermeintlich Schaulustige aktiv einzubinden und zur Mithilfe aufzufordern. „Je konkreter die Anweisung, desto besser“, sagt der Ärztliche Leiter des Rettungsdienstes.

Er kennt auch Tipps, um Schaulustige zum Weitergehen zu bewegen. Die meisten würden etwa verständnisvoll reagieren, wenn man ihnen klarmache, wie unangenehm die Situation für denjenigen ist, der verletzt am Boden liegt. „Oder man geht auf die Leute zu und fragt: 'Kann ich Ihnen helfen?' Dann gehen die meisten direkt weiter“, sagt Marx.

„In den seltensten Fällen ist das Verhalten einfach nur Voyeurismus“, ist sich Frank Marx sicher, „sondern die Menschen sind einfach wie festgenagelt und zur Salzsäule erstarrt.“