Duisburg. Die evangelischen und katholischen Gemeinden in Duisburg müssen immer mehr Austritte verkraften. Das neue Steuereinzugsverfahren hat den Abwärtstrend beschleunigt.
Es ist nichts Neues, dass die christlichen Kirchen seit Jahren Schäfchen verlieren. Aber im vergangenen Jahr hat dieser Abwärtstrend an Rasanz noch zugelegt: 2014 haben deutlich mehr Duisburger der Kirche den Rücken zugekehrt, als noch im Jahr zuvor. Das belegen die Zahlen der Duisburger Amtsgerichte. 1388 Katholiken (350 mehr als 2013) und 1263 Protestanten (528 mehr als 2013) entschieden sich im vergangen Jahr für den Austritt.
Gleichzeitig treten auch immer weniger Menschen der Kirche bei. 2009 waren es noch 219 Protestanten, 2014 gab es nur noch 139 Neuzugänge. Deutlich niedriger ist die Zahl in der katholischen Kirche. Hier kommen durchschnittlich 23 Duisburger pro Jahr neu hinzu.
Finanzielle Gründe sind oft Anlass für einen Austritt
Doch warum wenden sich die Menschen von der Kirche ab? 95 Prozent der Ausgetretenen aus den 15 Gemeinden des evangelischen Kirchenkreises Duisburg geben in einer anonymen Umfrage auf der Internetseite des Kirchenkreises finanzielle Gründe an. „Eine weitere Rolle hat sicher auch der Unmut über den Bischof Tebartz van Elst gespielt, doch es ist schade, dass hier nicht zwischen den beiden Kirchen differenziert wird“, so Rolf Schotsch, Sprecher des evangelischen Kirchenkreises.
Auch bei den linksrheinischen und den beiden Walsumer evangelischen Gemeinden, die zu den Kirchenkreisen Moers und Dinslaken gehören, verabschieden sich immer mehr Menschen von der Kirche: „Der Rückgang lässt sich an den Bezirken ablesen. Wir verzeichnen weniger Austritte in Gegenden mit durchschnittlich höherem Einkommen“, sagt Pfarrerin Ruth Levin, Sprecherin für den Kirchenkreis Dinslaken.
Das neue Einzugsverfahren für die Kirchensteuer auf Kapitalerträge hat nach Ansicht aller Duisburger Glaubensgemeinschaften die Austrittswelle noch verstärkt. Scheinbar sei bei der Einführung des Verfahrens nicht hinlänglich deutlich gemacht worden, dass die Kirche keine neue Steuer einführe, meint Schotsch. Kirchenmitglieder würden auch jetzt schon die acht Prozent Kirchensteuer auf ihre Kapitalerträge zahlen. Ab 2015 kann diese aber direkt von den Banken einbehalten und an die Kirchen weitergeleitet werden. Levin: „Das war für Leute, die sowieso schon an den Austritt gedacht haben, nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.“
Diese Auffassung vertritt auch Ulrich Lota, Leiter der Pressestelle des Bistums Essen: „Die Finanzen sind meist nicht das Ausschlaggebende. Vorher liegt eine gestörte Verbindung zu der Institution vor. Dann ist die Geldersparnis noch ein praktischer Vorteil.“ Außerdem sieht er die Kirchensteuer nicht als solche, sondern eher als einen „solidarischen Mitgliedsbeitrag, den man zahlt, wenn einem der Glaube wichtig ist.“ Doch auch das Bistum Essen blieb von der heftigen Austrittswelle nicht verschont: 5086 Duisburger lösten sich hier zwischen 2009 und 2013 von der katholischen Kirche.
Kein verpflichtendes Einzugsverfahren
Das neue Verfahren zum Einzug der Kirchensteuer auf Kapitalerträge ist nicht verpflichtend.
Wer diese Kirchensteuer nicht über die Bank einziehen lassen möchte, kann beim Bundeszentralamt Widerspruch einlegen.
Ein entsprechendes Formular ist auf der Internetseite des Amtes abrufbar (www.bzst.de). Der Antrag muss bis zum 30. Juni 2015 gestellt werden.
Zudem bereitet der demografische Wandel den Kirchen Sorgen. „Es gibt deutlich mehr Sterbefälle als Taufen“, so Schotsch. Außerdem verzeichne Duisburg mehr Fort- als Zuzüge.
Kirchen setzen auf neue Wege der Mitgliederansprache
Doch was kann die Kirche tun? „Das beste Kirchensteuerhaltungsprogramm ist, eine authentische Kirche zu sein,“ erklärt Lota.
In der evangelischen Kirche wurden zusätzliche Wege der Mitgliederansprache geschaffen: „Wir verschicken Willkommenskarten und Halstücher an Eltern von Neugeborenen und haben Ende 2010 eine Eintrittsstelle an der Salvatorkirche eingerichtet. Hier meldeten sich jährlich durchschnittlich 25 Duisburger neu an. „Eine beachtliche Zahl im Vergleich zu den Gesamteintritten in ganz Duisburg.“