Dortmund. Festnahme nach heimlichem Treffen in einer Pizzeria: Die Dortmunder Staatsanwaltschaft wirft dem Betriebsratschef der EDG Korruption vor.
5000 Euro für einen Job: Ist der Verbundsbetriebsrats-Vorsitzende des Dortmunder Entsorgers EDG korrupt? Die Staatsanwaltschaft wirft C. Vorteilsannahme vor. Er soll tausende Euro Schmiergeld von Bewerbern genommen haben, nachdem er ihnen einen Job zugeschustert hat.
Am Donnerstagmittag sind alle rund 1000 Mitarbeitenden zu einer Betriebsversammlung in den Westfalenhallen eingeladen.
Das ist die Entsorgung Dortmund GmbH (EDG):
- knapp 1000 Mitarbeitende
- rund 300 Fahrzeuge (Müllwagen, Besenwagen etc.)
- Service: Müllabfuhr, Sperrmüll, Recyclinghöfe, Stadtbildpflege, Winterdienst...
- Anteile: 51% Stadt Dortmund, Dortmunder Stadtwerke 49%
- EDG-Unternehmensverbund mit neun Firmen (z.B. Welge, Dortmunder Recycling, Dortmunder Logistik, Dortmunder Gesellschaft für Abfall)
Ein Hinweisgeber aus den Reihen der EDG habe die Ermittelnden auf die Spur von C. gebracht, erklärt Staatsanwaltschafts-Sprecher Henner Kruse: „Er war mit der Vorgehensweise nicht einverstanden. Er selbst habe auch einen Teil des Geldes angeboten bekommen, wollte es aber nicht annehmen.“
Der EDG-Mitarbeiter kenne mehrere Fälle, in denen Geld für Jobs geflossen sei, so Kruse. Die Rede ist von 3000 bis 5000 Euro. Ob er den Behörden konkrete Namen nannte und um wie viele Fälle es geht – dazu sagt Kruse nichts. Ob sich betroffene Mitarbeitende jetzt freiwillig bei den Behörden melden sei unwahrscheinlich.
Treffen mit Bewerber: Polizei nimmt C. in Nordstadt-Pizzeria fest
Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Anfang Februar. Ende vergangener Woche wurde es handfest: Der Hinweisgeber nannte Ort und Zeit für ein geplantes Treffen zwischen C. und einem Bewerber – in einer Pizzeria in der Nordstadt. Zivilbeamte belauschten das Treffen „vom Nachbartisch aus“, so Kruse. Dann nahmen sie C. vorläufig fest und fanden 3000 Euro in seiner Tasche. Inzwischen ist er wieder auf freiem Fuß.
Zum Zeitpunkt der Festnahme hatte die Staatsanwaltschaft längst einen Durchsuchungsbeschluss: In Wohnung und EDG-Büro des Beschuldigten fanden die Behörden Beweise, die gerade ausgewertet würden, so Kruse.
Besonders pikant: C. ist nicht nur EDG-Gesamtbetriebsratschef – er sitzt auch für die SPD im Integrationsrat der Stadt Dortmund und war sogar Vorsitzender des 27-köpfigen Gremiums. Sein Amt habe er am Sonntag niedergelegt, bestätigt SPD-Unterbezirksgeschäftsführerin Christel Becker-Lettow.
C. selbst stand für ein Statement nicht zur Verfügung.
Dortmunder Integrationsrat äußert sich
Der Dortmunder Integrationsrat meldete sich am Montag (28.2.) zu Wort. Die Ereignisse habe man mit „Bestürzung zur Kenntnis genommen“, heißt es in einer Mitteilung. „Die im Raum stehenden Vorwürfe und die damit verbundenen Ermittlungsverfahren sind mit einer weiteren Tätigkeit im Integrationsrat nicht vereinbar. Wir begrüßen daher den Rücktritt von Herrn C. von seinen politischen Ämtern. Eine lückenlose und umfassende juristische Aufarbeitung des Sachverhaltes ist dringend erforderlich.“
Man dürfe und möchte nicht zulassen, dass „die wichtige politische und gesellschaftliche Arbeit des Integrationsrates von etwaigen Verfehlungen Einzelner überschattet wird“. An Spekulationen rund um das Ermittlungsverfahren werde sich der Rat nicht beteiligen.
Reaktionen auf den Korruptionsvorwurf gegen den EDG-Betriebsratschef (gekürzt):
Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD):„Wir brauchen maximale Aufklärung aller Sachverhalte rund um diese schwerwiegenden Vorwürfe. Wir müssen alle, die in der EDG einen hervorragenden Job machen, und auch das gesamte Unternehmen vor weiteren Schäden schützen. Dies geht nur mit klarer, maximaler Transparenz.“
EDG-Aufsichtsratschef Norbert Schilff (SPD/stellv. Oberbürgermeister): „Wir begrüßen die konstruktive Zusammenarbeit der EDG-Geschäftsführung mit den Ermittlungsbehörden. Aufsichtsrat und Gesellschafter gehen von einer rückhaltlosen Aufklärung aus, auch im Sinne der Beschäftigten der EDG, die sehr gute Arbeit leisten! Es gilt zu ermitteln, wie sich die Abläufe im Einzelnen zugetragen haben. Im Lichte dieser Erkenntnisse müssen und werden wir die notwendigen personellen und organisatorischen Konsequenzen ziehen.“
verdi-Bezirksgeschäftsführer Michael Kötzing:„Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, wäre dies ein Verhalten, das einen als Gewerkschafter nur fassungslos machen kann. Denn anständige Betriebsräte setzen sich für Kolleginnen und Kollegen ein und nehmen sie nicht aus. Und anständige Gewerkschafter üben Druck für und nicht auf Kolleginnen und Kollegen aus. Durch so ein unfassbares Verhalten werden Betriebsräte und ganze Belegschaften in Misskredit gebracht, und das haben die Kolleginnen und Kollegen bei der EDG, die jeden Tag einen wichtigen und guten Job für die Bürger dieser Stadt machen, wahrlich nicht verdient.“
SPD-Geschäftsführerin Christel Becker-Lettow: „Das Herrn C. vorgeworfene Verhalten, sollten sich die Vorwürfe bestätigen, ist mit Werten und Politik der Sozialdemokratie nicht vereinbar. Um Schaden von der Stadt, dem Integrationsrat und der SPD abzuwenden, haben wir Herrn C. nachdrücklich aufgefordert, von seinem Mandat im Integrationsrat zurückzutreten.“