Dortmund. Seit Montag streiken bundesweit die Ärzte an kommunalen Krankenhäusern - auch am Dortmunder Klinikum. Sie fordern mehr Gehalt und bessere Arbeitsbedingungen. Aber wie sieht der Arbeitsalltag an deutschen Kliniken aus?

Wer dieser Tage nicht gerade mit Schlaganfall oder Blinddarmdurchbruch ins Klinikum kommt, muss sich auf einige Wartezeit gefasst machen. Die Ärzte der kommunalen Klinik streiken. Für „faire” Vergütung und bessere Arbeitsbedingungen, wie der Landesvorsitzende des Marburger Bundes, Prof. Ingo Flenker, gestern betonte. Aber wie sind sie eigentlich – die Arbeitsbedingungen. Ein Blick in Dortmunder Krankenhäuser.

482 Köpfe zählt der ärztliche Dienst des Klinikums, 292 am Standort Mitte, 117 in Nord, dazu kommen die 73 pendelnden Anästhesisten. Es sollten mehr sein, acht Abteilungen des Klinikums haben derzeit mindestens eine Stelle ausgeschrieben. Nach Tarif arbeitet ein Arzt am Klinikum 40 Stunden in der Woche, durch Dienste und Überstunden (die hier immerhin bezahlt werden), können es auch mal 50 oder 60 sein. „Allerdings gibt es starke saisonale Unterschiede in den einzelnen Abteilungen”, gibt Barbara Matthies, Referentin der Geschäftsleitung des Klinikums, zu bedenken. In der kalten Jahreszeit arbeitet die Kinderklinik am Limit, weil die Kinder krank werden, im Sommer die Chirurgie, weil sie von den Bäumen fliegen.

Lange Arbeitszeiten sind die Regel

Dennoch: Mit der Arbeitszeit eines Verwaltungsangestellten ist die eines Arztes kaum zu vergleichen. Anderes Beispiel: „50 Wochenstunden sind es im Schnitt”, sagt Detlef Dreyer, Leiter Personalwesen am Knappschaftskrankenhaus. Durchaus eine Hypothek, gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Zahl von Ärztinnen. An den meisten Krankenhäusern sind Medizinerinnen noch in der Unterzahl, am Klinikum bei etwa 40 Prozent (2008). Irgendwann wird sich das ändern, schon heute liegt an den Unis die Frauenquote im Medizinstudium über 60 Prozent.

Und damit wird die gerade für Ärzte schwere Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch mehr zum Entscheidungsfaktor in der Arbeitsplatzwahl. 55-Stunden-Woche, zwei Nachtdienste, Rufbereitschaft an drei Wochenenden – wer ein kleines Kind hat, überlegt sich zweimal, das im Medizinstudium erworbene Fachwissen vielleicht als Pharmareferentin zeitschonenender und gewinnbringender anzuwenden. Am evangelischen Krankenhaus Lütgendortmund wurde vor zwei Jahren die Geburtshilfe-Klinik geschlossen - auch ein Mitgrund: es fanden sich keine Gynäkologen – eine klassische Frauendomäne in der Medizin – für die Besetzung des erforderlichen Schichtdienstes.

Vier von fünf Kliniken haben offene Stellen

Nach einer Studie des Deutschen Krankenhausinstituts haben heute 80 Prozent aller Kliniken mit offenen Stellen zu kämpfen. Durchschnittlich vier Ärzte fehlen pro Klinik, etwa 5000 sollen es insgesamt sein. „Vier Stellen sind es bei uns zurzeit auch”, bestätigt Detlef Dreyer vom Knappschaftskrankenhaus, wo rund 120 Ärzte beschäftigt sind. „Früher hat der Chefarzt die Schublade aufgemacht und eine Bewerbung rausgeholt, kam der Bewerber nicht in Frage, holte er die nächste hervor”, so Dreyer. Das ist heute anders. „Ist eine Stelle offen, muss die Bewerbungsmaschinerie rattern. Das dauert.”

Andere Studiengänge werden zur Konkurrenz

Im evangelischen Krankenhaus Lütgendortmund stellt sich die Situation ähnlich dar. 55 Mediziner umfasst dort der ärztliche Dienst, drei Stellen sind offen und können nicht besetzt werden. „Ärztemangel”, stellt Geschäftsführer Ubbo de Boer fest, „es werden zu wenige ausgebildet.” Die Gründe seien vielfältig, „aber ein Faktor ist, dass viele junge Leute heute lieber in die IT- oder Bankenbranche gehen.” Mit den Summen, die da gezahlt werden, kann kaum ein Krankenhaus konkurrieren.