Dortmund. Das Ergebnis der Bundestagswahl vom vergangenen Sonntag wird aus Dortmund angefochten - von einem, der sich auskennt mit dem Thema Wahlen. Ernst-Otto Sommerer, Leiter des Fachbereichs Statistik und längjähriger Wahl-Organisator, schickte seine Wahlanfechtung an den Bundeswahlleiter.

Zu der Anfechtung passt der aktueller Fall der Dortmunder Familie Hoffmann, die sich an die WAZ wandte. Schon die Online-Anträge für die Briefwahlunterlagen hatten die Familie Hoffmann an den Rand der Verzweiflung gebracht, weil die Daten zunächst x-mal nicht angenommen wurden - ohne Fehlermeldung bei immer gleichen Eingaben. Als am vergangenen Sonntag feststand, dass ihr Mann Heinz und ihr Sohn Sven, nicht aber sie selber ihre Stimme abgeben konnte, ist Eva Hoffmann nur noch sauer. Der Briefwahl-Fall Hoffmann sei kein Einzelfall, glaubt Ernst-Otto Sommerer.

Sommerer war bis vor kurzem noch zuständig für die Organisation der Wahlen in Dortmund, was nun von den Bürgerdiensten geleistet wird. Sommerer ficht die Bundestagswahl generell und speziell in seinen Dortmunder Wahlkreis 144 nicht in seiner Amtsfunktion an, sondern als Privatmann. Am Dienstag ging das Schreiben an den Bundeswahlleiter. Sommerer hat beruflich langjährige Erfahrungen mit Wahlen sammeln können.

Im Fall von Eva Hoffmann waren die Briefwahlunterlagen angeblich am 16. September auf den Postweg gebracht worden - so die Auskunft, die Frau Hoffmann erhielt, als sie am 22. September bei den Bürgerdiensten anrief. Angekommen sind sie bis zum 27. September nicht. Seltsam: Am 16. September waren auch Briefwahlunterlagen für ihren Sohn geschickt worden, die am 21. September tatsächlich ankamen. Auch ihr Mann erhielt seine Briefwahlunterlagen.

Der Leiter von Eva Hoffmanns Wahllokals hatte ihr Tage vor der Wahl gesagt, sie könne mit ihren Unterlagen ins Wahllokal kommen. Aber am Wahlsonntag rief er gegen 8.30 Uhr an: „Eine Wahl ist nicht möglich.” Daraufhin fuhr Frau Hoffmann zum Wahlbüro Königswall, wartete, trug ihren Fall vor und erfuhr: „Sie können nicht wählen.”

Längere Laufzeiten

Sommerer: „Solche Fälle werden künftig immer häufiger vorkommen." Es gebe „längere Laufzeiten” und eine „zunehmende Unsicherheit” beim Versand der Briefwahlunterlagen. Auch die Post AG stelle Post nicht mehr jeden Tag zu, bei den Briefdienstleistern sei das Verteilnetz oft dünn. Auch deswegen fechte er das Wahlergebnis an. Die Briefwahl sei durch die Bundeswahlordnung zur „Standardwahl” gemacht geworden, so Sommerer, und deshalb müssten für sie auch die Sicherungen eingebaut werden, die bei der Wahl in Wahllokalen Norm seien.

Die Wahlordnung verstoße gegen die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht 1981 aufstellte: Briefwahl sei eine zu begründende Ausnahme. Die Bundeswahlordnung verstoße auch gegen Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts, das 2009 Wahlautomaten verbot, solange die Ergebnisse nicht nachprüfbar seien. Sommerer geht davon aus, dass seine Wahlanfechtung durch alle vorgeschalteten Instanzen geht - bis sie am Bundesverfassungsgericht landet. In Urteilen von 1960 und von 1981 hatte das Bundesverfassungsgericht sich mit dem Thema Briefwahl zuletzt befasst.

Prüfmöglichkeit

Für die Briefwahl müsse eine Prüfmöglichkeit geschaffen werden. Die gegenwärtigen „internen Arbeitsabläufe beim Kreiswahlleiter lassen Fälschungen zu, unabhängig davon, ob bis heute welche stattgefunden haben”, schreibt Sommerer. Fehler bei der Briefwahl könnten nicht mehr dem individuell zu tragenden Risikobereich des Wahlberechtigten zugeordnet werden. Briefwahl sei ein „Massengeschäft”, das Verfassungsrang erhalte, weil es einzelnen die Wahlteilnahme verwehrt durch Fehler, die er nicht zu vertreten hat.