Dortmund. Der taube „Milow“ wartet seit elf Jahren – und „Jey“ wurde schon dreimal abgegeben: „Problem-Geschichten“ aus dem Dortmunder Tierheim.
„Beim Abschied fließen auch mal Tränen“, sagt Dirk Rojahn. „Das sind doch unsere Hunde!“ In seinen zwölf Jahren als Leiter des Tierheims Dortmund hat er rund 5000 Hunde in neue Hände vermittelt – darunter auch Dauergäste. Einige Tiere warten jahrelang auf ein neues Heim. „So traurig das klingt: Wir sind ihr Zuhause.“
- Misshandelt, getreten: Kangal „Huntsman“ hatte es nie leicht
- Vermittlung unmöglich: Tierheim zahlt für Hunde-Pflegestelle
- Zickiger „Speedy“ ist schon wieder im Dortmunder Tierheim
Anfragen gibt es für fast jedes Tier. Manche Vierbeiner warten trotzdem ihr halbes Leben auf ein neues Zuhause – oder sogar bis zum Tod. Denn einfach so abgeben wollen Rojahn und seine Team die Tiere nicht. „Es muss schon passen“, sagt er. „Die Tiere liegen uns so sehr am Herzen, dass wir sie nicht irgendjemandem geben. Wir wollen sie nicht loswerden, sondern ihnen ein schöneres Leben ermöglichen.“
Nach dem ersten Kennenlern-Termin darf selten ein Hund sofort mit. Drei Termine müssen es schon sein, manchmal sogar mehr. „Und es müssen alle Familienmitglieder mitkommen. Sonst wird das nichts.“ Bei den Vermittlungsterminen steht auch gemeinsames Gassigehen auf dem Programm. „Da erkennen wir schnell, welche Sachkenntnis die Leute haben, und sehen die Baustellen. Daran arbeiten wir dann.“
Hunde-Neulinge seien dabei am unkompliziertesten, weiß Rojahn. „Mit Anfängern arbeite ich am liebsten. Die hören zu und wollen lernen.“ Viel schwieriger seien die, die schon viel Erfahrung mit Hunde hätten. „Die wissen es immer besser. Aber da sieht man manchmal Sachen...“, sagt der Tierheim-Chef und rollt mit den Augen.
„Dieser Hund passt nicht zu Ihnen. Den gebe ich Ihnen nicht.“
Manchmal hilft nur eine knallharte Abfuhr. Da ist Tierpfleger Rojahn kompromisslos – weil er jedes einzelne Tier liebt. Einmal sei eine Frau mit zwei Hunden gekommen, die noch einen dritten wollte. Rojahn habe sofort gesehen, dass das nichts wird. „Ich habe ihr gesagt: Dieser Hund passt nicht zu Ihnen. Den gebe ich Ihnen nicht.“ Ein anderes Mal kam ein Mann mit Alkoholfahne zum Kennenlern-Termin (was öfter passiert). „Es ging um einen großen Hund, und da ist Zuverlässigkeit wichtig.“ Auch er bekam das Tier nicht. Und bei Familien mit Kindern fällt mitunter der Satz: „Sind Sie nicht schon ausgelastet?“
Aber auch die „komplizierte Kundschaft“ kann Rojahn knacken. „Einmal kam eine Dame, die sehr genau wusste, welche Rasse sie will“, erinnert er sich. „Ein edler Magyar Vizsla sollte es sein, unbedingt. Den hatten wir natürlich nicht.“ Am Ende verließ sie das Tierheim mit einer schnöden Promenadenmischung. „Später kam sie wieder und meinte: Sie haben mein Leben verändert!“
Problemhunde im Glück: Garten umgebaut, Ziegen gekauft
Besonders freut sich das Tierheim-Team über Vermittlungen wie die von Steffordshire „Tyson“. Zehn Jahre lang lebte er in der Hallerey. „Und dann hat ihm jemand genommen, der sogar den Garten für ihn umgebaut hat!“, erinnert sich Rojahn begeistert. Ähnliches Glück hatte ein Kangal: Der riesige Hirtenhund darf jetzt in einem riesigen Garten toben – mit einem ganz besonderen Bonus: „Der neue Besitzer hat ihm vier Ziegen gekauft, auf die er jetzt aufpassen kann.“
So gut endet es aber nicht immer. Schäferhund „Joe“ lebt schon seit 2015 im Tierheim – und wartet noch immer. Mit zwei Jahren wurde er gebracht, weil der Besitzer nicht mit ihm klar kam. Er beißt gern mal zu. Erziehen und Gassigehen ist nicht drin, obwohl die Pflegerinnen und Pfleger gern mit ihm arbeiten würden: Joe lässt sich keinen Maulkorb aufsetzen. Er braucht ein besonders liebevolles neues Zuhause mit Profis, die sich viel Zeit für ihn nehmen.
Rasse, Krankheit und Verhalten: Jey wurde schon dreimal abgegeben
Dogo Argentino „Jey“ (7) hat es noch härter getroffen. Er kam mit zwei Jahren ins Tierheim, wurde zweimal vermittelt – und zweimal zurückgebracht. Bei ihm kommen gleich mehrere Problem-Faktoren zusammen, die eine Vermittlung erschweren: Rasse, Krankheit, Verhalten. Für die Dogge braucht es nicht nur den großen Sachkundenachweis, eine Haftpflicht und ein einwandfreies Führungszeugnis. Es fallen auch mehr Steuern an. Dazu kommen die Kosten für Spezialfutter, weil Jey hochgradig allergisch ist. Und bissig ist er auch noch...
Auch „Else“ (12) hat es nicht leicht. Vor fast drei Jahren kam ihr Besitzer ins Krankenhaus. Seitdem lebt sie im Tierheim. Else setzt ihren Willen mit den Zähnen durch – das hat sie so gelernt. Aber ihr Verhalten ist nicht das einzige Problem: Else hat starke Arthrose, verträgt einige Arzneien nicht und hat einen gutartigen Tumor. Sie braucht unbedingt ein ruhiges und ebenerdiges Zuhause.
Bullterrier Milow: Gefährliche Rasse, aber taub und krank
Bullterrier-Mix „Milow“ (12) ist Tierheim-Leiter Rojahn besonders ans Herz gewachsen: „ Ich mag ihr sehr, das ist unser Freund“, sagt er. Trotzdem wünscht er sich auch für Milow ein neues Zuhause. Aber die Vermittlung ist schwierig: Der Hund war schon einmal vermittelt, wurde aber schnell zurückgebracht. Er ist taub, schnappt gern zu, hat Allergien und diverse andere Leiden. Außerdem fällt er unter die Kategorie „gefährliche Hunde“, was den Kreis der Interessierten stark einschränkt.
Übrigens: Fast alle aus dem Dortmunder Tierheim-Team haben Hunde oder Katzen aus der Hallerey zu Hause. „Wir können einfach nicht anders“, sagt Dirk Rojahn und grinst. Er selbst hatte schon zwei Rottweiler aus „seinem“ Tierheim.