Castrop-Rauxel. Das katholische St. Rochus Hospital in Castrop-Rauxel betreibt eine Babyklappe, eine der insgesamt 25 in NRW. Und will das auch weiter tun, denn der Chefarzt hält Babyklappen für eine lebensrettende Erfindung. Kritik an Babyklappen? Kann er nicht nachvollziehen

Bereits im dritten Jahr betreibt das katholische St. Rochus Hospital an der Glückaufstraße eine Babyklappe, eine der insgesamt 25 in NRW. Damit bietet es Müttern, die keine, absolut keine Möglichkeit mehr sehen, ihr Kind aufzuziehen, die Chance ihr Kind in der Gewissheit abzugeben, dass es versorgt wird. Im St. Rochus gab es bisher zwei solcher Babys. Gerettete Babys, bedenkt man die traurige Alternative, die immer wieder gewählt wird: Aussetzen der Neugeborenen.

Doch obwohl die Einrichtung der ersten Babyklappe Deutschlands bereits zwölf Jahre her ist, habe sich nach einer „Terre des hommes“-Studie die Zahl dieser Todesfälle nicht reduziert. Zudem ist die rechtliche Lage von Babyklappen noch immer unklar. Allein: Was ist mit dem Recht des Kindes, zu erfahren, wer die Eltern sind?

„Wenn irgendwann ein Babyklappen-Kind zu mir kommt, würde ich ihm sagen: ,Deine Mutter war eine verantwortungsbewusste Frau in einer verzweifelten Lage, die dir eine positive Perspektive mitgeben wollte’“, sagt Dr. Michael Glaßmeyer, Chefarzt der St. Rochus-Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Für ihn ist klar: Die Diskussion um die rechtliche Lage, die auch Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) angeregt hat, hat mit der Praxis nichts zu tun. Eine Babyklappe bedeutet für ihn, Leben zu retten. Den Ansatz, jede Mutter sollte einen Umschlag mit Angaben zu ihrer Identität hinterlassen, damit das Kind mit 16 Jahren sein Recht wahrnehmen kann, hält er für hinfällig.

„Da wird in der Theorie über Leute diskutiert, die es in der Praxis nicht gibt“, sagt der Chefarzt, „die Frauen sind maximal verzweifelt. Wer so differenziert denken kann und die Rechte dieses Kindes im Blick hat, der gibt sein Kind nicht in eine Babyklappe.“ Alles, was die Anonymität der Mutter einschränke, verunsichere, verhindere die Nutzung der Klappe als letzten Ausweg. „Kommen Kontrolle und Zwang, ist die Babyklappe tot“, ist sich Glaßmeyer sicher.

Soziale Lage unterscheidet sich von dem, was als normal gilt

Man müsse bedenken, dass die Frauen sich oft in einem so schwierigen sozialen Gefüge befinden, dass eine Schwangerschaft nicht auffällt. Das sei in durchschnittlich normalen Verhältnissen gar nicht denkbar.

Auch die Frage nach dem Recht des Vaters, etwas über sein (mögliches) Kind zu erfahren, beschäftigt Glaßmeyer nicht. Dem Fall, dass ein solcher Vater sich bei ihm melde, spreche er „die Wahrscheinlichkeit eines Lottogewinns“ zu. Um dessen Frage zu klären, müsse man letztlich einen Gentest machen – und über diese Informationen des Babys verfüge das Krankenhaus gar nicht.

„Man muss einfach akzeptieren, dass manche Probleme sich nicht in Paragrafenmuster pressen lassen“, sagt Glaßmeyer. Auch dass es für das Betreiben einer Babyklappe generell keine Regeln gibt, schreckt das St. Rochus Hospital nicht ab. Gemeinsam mit der Klinikleitung und dem Caritas-Verband habe man ein System entwickelt, dass sämtliche Behörden berücksichtige. „Nach der Erstversorgung des Kindes wenden wir uns direkt an die Polizei und das Jugendamt“, sagt er. Letzteres übernehme die Verantwortung nach wenigen Tagen. „Erst weitaus später haben wir erfahren, dass eines unserer Babys sogar adoptiert wurde“, erzählt Glaßmeyer und lächelt. Die Babyklappe ist zu seiner Herzensangelegenheit geworden.

„Solange wir gegen kein geltendes Recht verstoßen, werden wir die Klappe auch guten Gewissens weiterführen“, sagt der Chefarzt.