Castrop-Rauxel. Wer waren die Zwillinge aus Castrop-Rauxel, die bei Selbstmordattentaten im Dienste der Terrormiliz Islamischer Staat starben? Eine Spurensuche.
Entschlossen blicken die Zwillingsbrüder Mark und Kevin K. in die Kamera. Beide halten jeweils eine Hand an einen Koran, strecken die Zeigefinger dabei in die Luft. Die jungen Männer, die auf diesem Bild im Propaganda-Magazin "Dabiq" zu sehen sind, sind konvertiert. Sie haben sich wohl als Selbstmord-Attentäter in den Dienst des Islamischen Staates (IS) gestellt und ihr Leben bei Anschlägen geopfert.
Doch wer waren die beiden und wie wurden sie radikalisiert?
Im Dezember wären die Brüder 26 geworden. Optisch waren sie kaum zu unterscheiden - der eine trägt das Haar etwas kürzer, den fusseligen Bart dafür etwas länger. Auch wenn sie sich so gleichten, wählten sie zunächst unterschiedliche Wege.
Mark verließ 2006 die Gesamtschule nach der zehnten Klasse und landete schließlich bei der Bundeswehr, mit der er später wohl auch in Afghanistan kämpfte. Weil die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen, will sich die Bundeswehr nicht zu dem Fall äußern.
Jura-Studium in Bochum begonnen
Kevin hingegen machte 2009 sein Abitur, begann ein Studium der Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Bevor er jedoch zum ersten Mal in einem Hörsaal der Universität saß, steht in seiner Vita ein Auslandsaufenthalt in der Türkei. Ob dort die Basis für seinen weiteren Werdegang gelegt worden ist, ist unklar. Ebenso, wie lange er dort war. Bis 2014 ist Kevin an der RUB eingeschrieben. Etwa die letzten zwei Jahre davon war er als studentische Hilfskraft beim Institut für Berg- und Energierecht beschäftigt.
Die Lebenswege der Brüder münden beide in den Islam: Zunächst konvertiert wohl Kevin, der genaue Zeitpunkt ist unklar. Im November 2012 legt Mark das muslimische Glaubensbekenntnis in einer Castrop-Rauxeler Gemeinde ab. Ein entsprechendes Foto ist noch immer auf der Homepage der Gemeinde zu sehen. Er trägt einen geringelten Pulli und eine Gebetsmütze, stolz hält er seine Konvertierungsurkunde. Auf einem weiteren Foto dieser Feier ist neben anderen Gemeindemitgliedern auch sein Bruder abgebildet.
Kein aktives Mitglied der Gemeinde
Mark sei jedoch nicht regelmäßig in der Moschee und kein aktives Mitglied der Castrop-Rauxeler Gemeinde gewesen, wie diese schriftlich mitteilt. "Wäre er häufiger in unserer Gemeinde gewesen, so hoffen wir, hätten wir ihn von diesem unsäglichen Weg abhalten können", heißt es in der Stellungnahme. Auch dort würden die Nachrichten mit Bestürzung verfolgt. "Jedes Opfer der extremistischen Rattenfänger ist eines zuviel", steht im Schreiben der Gemeinde. Ein Sprecher des Dachverbandes aus Münster sagt uns am Telefon: "Diese Nachricht hinterlässt uns fassungslos."
Wann und wie sich die beiden genau radikalisierten oder sie radikalisiert worden sind, ist nicht klar. Fest steht: Im August 2014 reisten sie in die Türkei. Offiziell, um Urlaub zu machen. Seitdem gab es laut Staatsanwaltschaft keinen Kontakt mehr in die Heimat. Ihre Spur verliert sich.
Propaganda-Magazin berichtet von Angriff bei Bagdad
Bis Mark wohl wieder auftaucht - im Irak als Kämpfer des Islamischen Staates (IS), in dem der Castrop-Rauxeler "Abu Mus'ab al-Almani" genannt wird. So berichtet es das Propaganda-Magazin "Dabiq": Ende April dieses Jahres haben IS-Truppen eine Basis des irakischen Militärs bei Bagdad angegriffen. Dabei steuerte Mark einen gepanzerten Laster mit sieben Tonnen Sprengstoff vor die Kommandozentrale der Basis - und sprengte sich in die Luft.
Bebildert ist der Artikel mit dem Foto der Brüder, auf dem sie den Koran in der Hand halten. Darunter steht: "Abu'ab al-Almani und sein Zwillingsbruder, der ebenfalls als Soldat des Kalifats einen heldenhaften Tod gestorben ist. Möge Allah sie beide annehmen." Daraus lässt sich auch schließen, dass sich auch Kevin zu diesem Zeitpunkt bereits als Selbstmordattentäter geopfert hatte - weitere Details zu seinem Tod werden nicht genannt.
Von der Bundeswehr zum IS
Das Attentat mit dem Laster beschreibt das Propaganda-Magazin als einen der Höhepunkte des Angriffes in Bagdad. Über Mark - oder vielmehr Abu Mus'ab al-Almani - schreibt "Dabiq": "Sein Name wird von nun an in einem Atemzug mit denen genannt, die aufopferungsvoll für den Islam kämpfen."
Aus dem Magazin stammt auch die Information, dass Mark als "deutscher Kreuzritter" in Afghanistan gegen Muslime gekämpft habe, ehe er auserwählt worden sei, für die "richtige Seite zu kämpfen".