Kirchhellen. Das Dorf ist ein gutes Beispiel, wie Straßenbaubeiträge belasten können. Deshalb will die SPD-Landtagsfraktion sie schnellstmöglich abschaffen.
Michael Hübner will die Straßenbaubeiträge der Anwohner abschaffen. Im Brauhaus am Ring hat der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion und gebürtige Kirchhellener die Gesetzesinitiative seiner Landtagsfraktion vorgestellt und am Beispiel Kirchhellen vorgerechnet: In den nächsten Jahren kommen allein durch drei große Sanierungsprojekte Kosten in Höhe von drei Millionen Euro auf die Anwohner zu. Stimmt ungefähr, sagt dazu der Chef des Fachbereichs Tiefbau, Heribert Wilken.
Unfair, unsozial und bürokratisch: Mit diesen Attributen kritisiert die SPD in NRW die gesetzliche Regelung, nach der sich Kommunen nach Straßensanierungen bis zu 80 Prozent der Kosten von den Anwohnern zurückholen mit der Begründung, durch die Sanierung steige der Wert des Grundstücks. Der Bund der Steuerzahler hat gegen dieses Prinzip eine Volksinitiative gestartet, die schon eine halbe Million Unterschriften gegen diese Vorschrift gesammelt hat. Keine komplette Abschaffung wollen CDU, FDP und der Städtetag NRW: Die Städte seien der Ansicht, das System habe sich „etabliert und bewährt“
SPD: Land soll übernehmen
Dagegen will die SPD-Landtagsfraktion die Straßenbaubeiträge abschaffen: Künftig soll das Land den Anteil übernehmen. Um wie viel Geld es dabei geht, hat die Landesregierung vorgerechnet: Zwischen 112 und 127 Millionen an Straßenausbaubeiträgen erhalten die Kommunen jährlich von Grundstückseigentümern. Für den Landeshaushalt bedeute das Mehrkosten im Promillebereich, würde das Land diese Kosten übernehmen.
„Die Straßen kommen in die kritischen Jahre“
Zur Wahrheit gehört aber auch: Dabei wird es nicht bleiben. „Die Straßen kommen in die kritischen Jahre“, sagen Michael Hübner und der Bottroper Landtagsabgeordnete Thomas Göddertz. Allein im Dorf stehen drei jeweils millionenschwere Sanierungen an. Bereits begonnen haben ja Kanalbau und anschließender Ausbau der Schneiderstraße. Von den 6,7 Millionen Euro, die die Stadt dort verbauen wird, wird zwar nur der Straßenbau anteilig auf die Anwohner umgelegt. Durchschnittlich bedeute das pro Grundstück Kosten von 10 000 Euro, hat die Stadt in einer der vielen Bürgerversammlungen zum Thema einmal ausgerechnet.
Ähnliches gilt für den Ausbau des ersten Bauabschnitts an der Dorfheide einschließlich des Kreisverkehrs an der Hackfurthstraße. Mit einer Million Euro geht der größere Teil der Kosten auf das Kanalbaukonto, aber an den 730.000 Euro Straßenbaukosten wird die Stadt die Anwohner beteiligen. Und auch wenn irgendwann die Hackfurthstraße selbst dran ist, bekommen Anwohner dafür Kostenbescheide von der Stadt.
Bürokratie frisst Großteil der Beiträge
Eine Statistik aus der Nachbarstadt Essen befeuert die Gegner der Straßenbaubeiträge. Zu Jahresanfang hat dort die Verwaltung eine Berechnung über die Einnahmen aus den Straßenbaubeiträgen in den vergangenen fünf Jahren vorgelegt und den Aufwand dagegen gerechnet, die sie für die Eintreibung betreiben muss.
Im Schnitt der letzten Jahre hat die Stadt aus den Straßenbaubeiträgen rund 1,4 Millionen Euro eingenommen. Dem gegenüber stehen die Personalkosten für zehn Mitarbeiter im Straßenverkehrsamt, die die Bescheide bearbeiten. Zusammen mit den anfallenden Sachkosten komme so jährlich ein Aufwand von 884.000 Euro zusammen. Soll heißen: Knapp zwei Drittel der Einnahmen werden aufgefressen vom bürokratischen Aufwand für die Erhebung der Beiträge.
Die Landesregierung hat im Juli auf den wachsenden Druck reagiert und angekündigt, rund 65 Millionen Euro ab 2020 in die Kommunen zu lenken, damit die Städte ihre Bürger entlasten können. Außerdem sollen die Kommunen ein Stück mehr Freiheit bekommen, in welcher Höhe sie die Bürger an den Straßenbaukosten beteiligen. Diese Freiheit hätte die Bottroper Stadtverwaltung zumindest in den nächsten Jahren nur auf dem Papier, sagt Göddertz: Bis 2021 steckt die Stadt in den Fesseln des Stärkungspaktes und muss vom Bürger nehmen, was sie bekommen kann.