Kammerorchester konfrontiert das Publikum mit Werken von Albert Roussel, Claude Debussy, Richard Strauss und Gustav Mahler und bewältigt eine schwierige Aufgabe

Mutig ist er, risikobereit: Kai Röhrig bringt das Bottroper Kammerorchester im Malakoff-Turm an der Knappenstraße mit großen, schwierigen Werken dieses Genres zusammen. Er sprüht vor Ehrgeiz, sein Ensemble zu profilieren, es zu einem Paradebeispiel für die heutige Orchesterkultur „im Kleinformat” heraus zu stellen. An diesem Abend konfrontierte er das Publikum - der ungewöhnliche Klangort war erneut ausverkauft - mit Werken von Albert Roussel, Claude Debussy, Richard Strauss und Gustav Mahler.

Allein schon die „Metamorphosen” von Strauss erwecken bei vielen Musikern (besonders bei Streichern) Horrorahnungen. Denn in diesem dichten Gewebe von Struktur und Melodie, in dieser schwelgerischen Melancholie als musikalische Quersumme des 19. Jahrhunderts hört man jeden Ton - auch jeden unreinen. Davor fürchten sich auch internationale Streichorchester. Und wie bewältigen die Bot-troper diese Aufgabe?

Gut, teilweise sogar imponierend. Auftrumpfende Bratschen, lichte hohe Stimmen, quere Bassformen - darüber der bröckelnde Charme einer untergehenden europäischen Gesellschaft: Das ist aufregendes Klanggeschehen. Röhrig führt ruhig, fast abgeklärt durch die Landschaft verwehender Wagner-Farben.

Kammerorchester Malakoffturm Leitung Kai Röhrig
Kammerorchester Malakoffturm Leitung Kai Röhrig © Privat

Im Auftakt mit Roussels espritvoller Sinfonietta op. 52, ein Werk von Seltenheitswert, überraschten Röhrig und die Formation mit Freude an widerspenstiger Fassade, an eckiger Botschaft. Bei Debussys „Danses” trat die Solistin Aneta Marie Busmic erstmals auf - eine junge Harfenistin aus Litauen, die den typischen Zauber dieses Instruments offen legte. Die impressionistische Chromatik des Franzosen findet bei ihr in jeder Nuance Entsprechung.

Nach der Pause die „Metamorphosen” als wehmütige Kathedrale der sich ständig verändernden Bauformen, die Strauss beherrscht. Zum Finale: das Adagietto aus Gustav Mahlers 5. Sinfonie, Hit aus der Verfilmung von Thomas Manns „Tod in Venedig” - altersherbstliche Apotheose des Abschieds, der Magie des Jungen, der noch einmal emphatischen Sinnlichkeit. Man hörte das Stück in einer besonderen Fassung - mit der Harfe im dunkel timbrierten Hintergrund. Aneta M. Busmic setzte die Akzente - allerdings integriert ins Gesamtgebäude, das Röhrig und das BKO gefühlvoll errichteten. - Überaus herzlicher Beifall! HJL