Bottrop. Seit einem Jahr ermöglicht das Tierarztmobil bedürftigen Rentnern eine kostenlose Behandlung. Die Tierarztrechnung können viele nicht bezahlen.

Gerd Friemel ist ein Mann der ersten Stunde des Tierarztmobils. Der 74-jährige Katzenfreund war Kaufmännischer Angestellter und während seiner aktiven Berufszeit konnte er seine Tiere auch problemlos versorgen. Aber die Rente, die er inzwischen bezieht, reicht leider nicht aus, um alle Kosten für seine beiden Katzen zu decken. Am letzten Dienstag war er mit Tommy am Standort Gladbecker Straße. Der Kater ist schon 20 Jahre alt und benötig dringend Schmerzmedikamente. „Meine Tiere und ich sind zusammen alt geworden“, sagt der 74-Jährige. „Mir ist es wichtig, dass es ihnen gut geht, aber die enorm gestiegenen Tierarztkosten konnte ich irgendwann nicht mehr aufbringen.“

Seit einem Jahr steht das Tierarztmobil des Europäische Tier- und Naturschutz e.V. zweimal pro Woche in Bottrop. Und vom ersten Tag an ist es viel besucht worden. „Diese Schilderung ist charakteristisch für die Situation vieler Senioren, die unser Angebot nutzen“, bestätigt Nora Leuschner, die Koordinatorin des etn e.V. – Einsatz für Tiere in Not.

Bottroper Tierarztmobil ermöglicht regelmäßige Termine und kostenlose Medikamente

Auch Cookie, ein kleiner 14 Jahre alter Rüde ist ein alter Bekannter am Tierarztmobil. Sein Lieblingsmensch, ein betagter älterer Herr im Rollstuhl, ist sehr dankbar, dass es das mobile Angebot gibt. Einmal auf dem Behandlungstisch sieht Cookie das allerdings ganz anders. Unter anderem müssen heute seine entzündeten Ohren behandelt werden. Und da zeigt sich, dass Cookie eine echte Dramaqueen ist. Unter lautem Jaulen bringt er seinen Protest zum Ausdruck. Nach der Behandlung gibt’s dann aber ein Leckerli und alles ist wieder gut.

Mir ist es wichtig, dass es ihnen gut geht, aber die enorm gestiegenen Tierarztkosten konnte ich irgendwann nicht mehr aufbringen.
Gerd Friemel besucht mit seinen Katzen das Tierarztmobil

Das etn-Team legt Wert darauf, dass die Tiere nicht nur eine einmalige Notfallbehandlung erhalten können, sondern bei chronischen Erkrankungen regelmäßige Termine möglich sind und auch die Medikamente kostenlos abgegeben werden. Im Laufe des vergangenen Jahres hat sich darüber hinaus gezeigt, dass viele Tierhalter sich spezielles Futter, das bei manchen Erkrankungen unverzichtbar ist, nicht leisten können. Auch hier gibt es einen Fundus im Tiermobil, aus dem die Patienten versorgt werden können.

Tierbesitzer zeigen sich untereinander solidarisch

Besonders beeindruckt sind die Initiatoren davon, dass die Tierbesitzer sich auch untereinander immer wieder solidarisch zeigen. Wenn zum Beispiel ein Tier verstirbt, komme es sehr häufig vor, dass die Besitzer noch ein letztes Mal vorbeikommen und alles an Futter, Spielzeugen oder Zubehör, was sie noch zuhause haben, abgeben. Davon profitieren dann wiederum die anderen.

„Im vergangenen Jahr durften wir viele solcher Gesten erleben“, berichtet die Tierärztin. Und Nora Leuschner ergänzt, dass auch immer wieder hochwertige Spenden aus der Bevölkerung abgegeben werden. „Dafür sind wir überaus dankbar“, sagt sie. „Wir bitten aber darum, dass Sachspenden im Vorfeld angekündigt werden, damit wir uns darauf vorbereiten können. Denn im Tierarztmobil ist nicht viel Lagerplatz.“

Die Tierärztin Christiana Brathe (links)  zusammen mit Projektleiterin Nora Leuschner.
Die Tierärztin Christiana Brathe (links) zusammen mit Projektleiterin Nora Leuschner. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Besucher des Bottroper Tierarztmobils müssen Bedürftigkeit nachweisen

Im Übrigen war das Fahrzeug – es handelt sich um einen umgebauten Rettungswagen – von Anfang an optimal eingerichtet: Infusionsständer, Ultraschall, Mikroskop, Wärmebox, Minikühlschrank und Camperwaschbecken, alles ist an Bord. „Und das hier“, lacht die Ärztin und zeigt auf einen Ablageplatz, der dicht mit Formularen bestück ist, „ist mein Büro. Die praktische Klappe, die dafür sorgt, dass alles am Platz bleibt, gehört zu den wenigen Dingen, die vor einem Jahr noch nicht vorhanden waren; aber nachdem ich anfangs nach jeder Fahrt alles wieder einsammeln musste, was in den Kurven den Halt verlor, hat mein Mann diese praktische Klappe mit dem Drehverschluss installiert.“

Tatsächlich umfassen die Aufgaben der Tierärztin auf dem Tiermobil auch einiges an Papierkram, denn die Tierbesitzer müssen ihre Bedürftigkeit nachweisen. Das geschieht durch Vorlage einer amtlichen Bescheinigung, zum Beispiel durch das Wohngeldamt, Jobcenter oder Sozialamt. Und auch die obligatorische Datenschutzerklärung darf nicht fehlen.

Letztlich geht aber alles nicht ohne eine Menge persönliches Engagement, weiß Christiana Brathe. Nach jedem Tiermobiltag nimmt sie die gebrauchten Instrumente mit in ihre eigene Praxis, die sie in Marl betreibt, und sterilisiert dort alles für den nächsten Einsatz.

Bottroper Tierarztmobil: Auch Rentner aus den Nachbarstädten willkommen

Und wie lautet nun das Resümee nach einem Jahr Tierarztmobil in Bottrop? „Das Angebot fand von Anfang an großen Anklang und zeigt eindrücklich die Notwendigkeit auf, eine kostenlose Behandlung für die Tier von Senioren anzubieten“, fasst Nora Leuschner zusammen. „Besonders wichtig: Es gibt das Angebot zwar nur in Bonn und in Bottrop, es ist aber nicht standortgebunden für die Tierbesitzer, sondern die Bedürftigkeit ist ausschlaggebend. Das heißt, auch Rentner aus den Nachbarstädten sind willkommen. Manche nehmen aufwändige Anfahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Anspruch, um hierher zu kommen.“

Am letzten Dienstag traf das zum Beispiel auf Farina zu. Die neunjährige Briardhündin hatte als Welpe einen schweren Unfall und benötigt regelmäßige Nachbehandlungen. Die Besitzerin lebt in Essen und wurde von ihrer Tochter und ihrer Enkelin Lilith zum Tierarztmobil begleitet. „Farina geht nicht gerne zu Arzt“, weiß die Vierjährige. „aber was sein muss, muss sein.“

Das Tiermobil Team wünscht gute Besserung, frohe Feiertage und eine erfolgreiche Fortsetzung des Projektes im nächsten Jahr.