Bottrop. Dutzende Bunkeranlagen liegen unter dem Bottroper Stadtgebiet. In der Innenstadt gibt es sogar einen Atomschutzbunker. Die Eindrücke.

Dutzende Kreise verteilen sich verstreut über das Stadtgebiet Alt-Bottrops auf der Karte von 1955. Sie zeigen an, wo Bunker unter der Erde liegen, keine echten Luftschutzbunker, sondern Deckungsgräben, die Privatpersonen im Zweiten Weltkrieg im Garten buddelten – mit Zuschüssen vom Reichsministerium. Bottrop ist voll solcher Anlagen, die im Gegensatz zu den prägnanten Hochbunkern auf dem Eigen, in der Boy oder in Welheim oft unerkannt in der Tiefe liegen. Zum Schutz der Bevölkerung ist aber keine dieser Anlagen mehr geeignet – zumindest nicht ohne Vorbereitung.

Atomschutzbunker in Bottrops Innenstadt: Platz für 1250 Menschen

Zu Besuch in Bottrops einzigem Atomschutzbunker: Mitten in der Innenstadt liegt er, unterhalb eines Parkhauses. Gebaut in den 60er-Jahren des Kalten Krieges sollte er die Bottroperinnen und Bottroper vor einem möglichen Angriff der Sowjetunion schützen, wenigstens einen Teil von ihnen.

Markus Urbaneck von der Feuerwehr verwaltet die Bunker in Bottrop. Hier steht er an den dreistöckigen Betten mit 1,90 Meter Länge.
Markus Urbaneck von der Feuerwehr verwaltet die Bunker in Bottrop. Hier steht er an den dreistöckigen Betten mit 1,90 Meter Länge. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Platz vorgesehen war für 1250 Menschen. Doch vorstellen will man sich eine solche Ansammlung nicht in dem dunklen Betonkeller, an dessen Decke die Kreise für die dreistöckigen Betten eingezeichnet sind, deren Streben dort eingeklemmt werden sollten. Gut 400 Personen liegend, der Rest sitzend hätte hier Schutz suchen können.

Ausstattung aus den 60er-Jahren: Toilettenpapier und PVC-Duschvorhänge

„Wer möchte sich da unten heute noch reinsetzen“, fragt Markus Urbaneck, der für die Feuerwehr Bottrop die Bunker verwaltet. Ja, die Türen hielten konventionelle Waffen aus, der Beton sei dicht. Doch die Ausstattung, die Zuwege, sie stammen alle aus den 60er-Jahren. Wie der PVC-Duschvorhang mit dem Foto einer nackten Frau auf der Hülle, die Penatencreme im Retro-Look oder das Toilettenpapier mit Blümchen auf der Papierverpackung. Dass hunderte Schutzsuchende die schmalen Stufen hinunter in den Bunker drängen, lässt sich mit heutigen Sicherheitsstandards nicht mehr realisieren.

Hinzu kommt: Eine richtige Lüftungsanlage gibt es nicht, lediglich Zwangsbelüftung, die Wassertanks müssten gefüllt, die Vorräte und der Diesel für die beiden alten MAN-Generatoren herangeschafft werden. Auf einem mit Schreibmaschine getippten Zettel sind die damaligen Berechnungen zu lesen: Für 30 Tage und 1250 Menschen bräuchte man beispielsweise gut elf Tonnen Brot, knapp 1,9 Tonnen Zucker, fast drei Tonnen Margarine – und 1875 Kilogramm Schokolade.

Immerhin: Aus zwei von insgesamt 21 Trinkwassernotbrunnen könnte man aus dem Bunker heraus auch heute noch Frischwasser pumpen, ein weiterer liegt außerhalb der Betonmauern. 160.000 Chlortabletten lagern zudem bei der Feuerwehr seit Jahrzehnten. Sie sind längst abgelaufen, aber theoretisch noch nutzbar.

Größer Stollen Bottrops für 6000 Menschen ist 792 Meter lang

Der größte Bottroper Schutzraum liegt unterhalb der Essener Straße, hier hätten 6000 Menschen Platz finden können – auf knapp 792 Metern von der Essener Straße bis zum Südring. Die andere Hälfte des Stollens führte bis zum Knappschaftskrankenhaus, sollte zugänglich sein im Ernstfall für Patienten. Dieser 900 Meter lange Abschnitt wurde allerdings nie fertiggestellt und ist heute verfüllt.

Toilettenpapier und Seife aus den 60er-Jahren lagern in Bottrops Atomschutzbunker.
Toilettenpapier und Seife aus den 60er-Jahren lagern in Bottrops Atomschutzbunker. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Auch der noch bestehende Stollen wäre im akuten Ernstfall nicht nutzbar. „Man kann damit eigentlich fast nichts anfangen“, sagte Harald Ernst vom staatlichen Bauamt in Dortmund 1996 in einer Reportage gegenüber der Bottroper Volkszeitung. In dem Artikel heißt es weiter: „Die Verfüllung ist zu teuer. Für interessantere Nutzungen müßten riesige Geldsummen in Lüftung, Heizung und neue Zugänge investiert werden. Kein Scherz: In den 60er-Jahren hatte ein Bottroper dort heimlich versucht, Champignons zu züchten.“

Hochbunker in Bottrop: Galerie und Probenraum

Und die Hochbunker der Stadt mit ihren mehr als ein Meter dicken Außenwänden sind längst in anderer Nutzung: Die Anlage am Boyer Markt ersteigerten die Bottroper Sportschützen 2019 für 198.000 Euro. Der Eigener Hochbunker dient als Galerie, der Welheimer Betonklotz als Probenraum für Bands.

In den 60er-Jahren, als der Kalte Krieg besonders brisant war, gab es Überlegungen, die Bunkeranlagen wieder aufzurüsten und für den Ernstfall vorzubereiten. In dieser Zeit wurde auch der Atomschutzbunker unter dem Parkhaus gebaut. „Der Welheimer Bunker hat damals neue Toilettenanlagen bekommen“, erzählt Markus Urbaneck. Aus seinen Dokumenten geht hervor, dass es 90.000 Deutsche Mark gekostet hätte, den Welheimer Hochbunker herzurichten – passiert ist das nie.

Aber auch wenn die Infrastruktur in den Anlagen fehlt, einen gewissen Schutz böten die Hoch- und Tiefbunker in Bottrop dennoch: „Wenn die Deutschen eines konnten, dann mit Beton umzugehen.“

Dieser Artikel stammt aus unserem Archiv, er erschien erstmals 2022.