Bottrop. Die Bottroperin Andrea Kaleske war für eine große Einzelhandelskette tätig. Warum sie trotz Corona den Schritt in die Selbstständigkeit wagt.
Die Tür zu der kleinen Boutique in der Boy steht offen, immer wieder schaut eine Kundin rein. Anderen winkt Chefin Andrea Kaleske im Vorbeigehen zu. Trotz Corona-Krise hat die Bottroperin das Geschäft an der Johannesstraße übernommen, nach ihren Vorstellungen gestaltet und unter ihrem Namen in diesem Frühjahr neu eröffnet. Klar zweifelte sie zwischendurch: Ist es wirklich die richtige Entscheidung, gerade jetzt den sicheren Job aufzugeben und die Selbstständigkeit zu wagen? „Aber ich habe gedacht: Ich möchte das! Ich ziehe das jetzt durch.“
Andrea Kaleske strahlt Energie aus, Optimismus und Spaß an dem, was sie tut. Seit Anfang Mai ist „Kaleskes – Damenmode und mehr“ geöffnet; die Neu-Unternehmerin verkaufte Damenmode bis zur Größe 58 coronabedingt erst an der Tür, dann mit Termin. Jetzt freut sie sich, dass spontanes Shoppen wieder möglich ist. „Es geht vorwärts“, sagt die Geschäftsfrau. Und: „Was alle Kunden im Moment besonders brauchen, das ist Zuspruch.“
Im Handel ist sie zu Hause – wenn sie zuletzt auch nicht über gemütliche 55 Quadratmeter in der Boy, sondern über großzügige 6500 Quadratmeter außerhalb ihrer Heimatstadt den Überblick behielt. Und zwar nicht ihre eigene Chefin war – dafür aber als Geschäftsleiterin bei Kaufland 200 Mitarbeitende anzuweisen hatte.
Die „Ur-Bottroperin“, wie sie sich selbst nennt, ist mit vier Geschwistern aufgewachsen, ihr Vater war im Bergbau. Nach dem Abitur am Vestischen Gymnasium versuchte sie es zunächst mit einem Jura-Studium – „doch das war nicht meine Richtung“.
Was aber zu ihr passte, das war eine Ausbildung bei Woolworth zur Geschäftsleiterin. In dem Unternehmen blieb sie als leitende Angestellte, bis sie vor elf Jahren über einen Headhunter zu Kaufland wechselte. „Ich war Geschäftsleiterin in Bochum-Langendreer, in Solingen und zum Schluss in Herten.“ Mit großer Freude am Job. Dennoch: „Ich wusste, ich möchte noch etwas Anderes machen. Und ich möchte endlich nach Hause kommen.“
Da spielte ihr der Zufall – oder das Glück? – in die Hände: Die alte Chefin der Boutique, die früher Passepartout hießt, kannte Andrea Kaleske, hatte sogar deren Enkelin als Ausbilderin begleitet. Ab und an kaufte sie in dem Geschäft in der Boy auch ein. Und als ihr die Inhaberin Jutta Holleck im Januar 2020 verriet, im Laufe des Jahres mit über 70 Jahren aufhören zu wollen, ergriff sie die Chance.
„Die Übernahme war im Januar 2021 geplant, durch Corona hat sich das verändert“, erzählt Andrea Kaleske. Ab März lief der Mietvertrag, es folgten Renovierung, Gewerbeanmeldung und Eröffnung am 3. Mai.
Dem Geschäft hat sie ihren Stempel aufgedrückt. Nicht nur optisch und durch die Einrichtung großzügiger Umkleidekabinen. Statt klassisch nach Konfektionsgrößen teilt sie die Waren in drei Gruppen auf: Der Bereich unter der Überschrift „Bottrop“ gehört den kleinen Größen, „New York“ bietet Kleidung bis zur Größe 46/48, und die Regale von „Paris“ beherbergen Kleidungsstücke bis 56/58. „Viele beschweren sich, dass es für große Größen nichts gibt, was auch modisch ist“, weiß die Geschäftsfrau. Das möchte sie mit ihrem Angebot, zu dem auch Schuhe und Accessoires gehören, ändern.
Was den Einkauf ihrer Waren angeht, kann sie etwa auf eigene Erfahrungen und die Kontakte ihrer Vorgängerin zurückgreifen. Ihr Angebot soll sich abheben – und muss es auch. „Ich kann nur kleine Mengen verkaufen, dadurch sind die Lieferanten eingeschränkt.“ Doch Massenware sei auch nicht das, was sie anbieten will. „Ich möchte ein paar besondere Sachen haben.“ Kern-Zielgruppe: Frauen ab dem mittleren Alter.
Zielgruppe: Frauen abdem mittleren Alter
„Was mir besonderen Spaß macht: Dass ich hier zu Hause bin“, sagt Andrea Kaleske vergnügt. Zwölf Minuten lang sei ihr Arbeitsweg vom Fuhlenbrock in die Boy. Ausgerechnet dort in der Corona-Krise einen Modeladen zu übernehmen – „viele haben mich für verrückt erklärt“, gibt die Händlerin unumwunden zu. Doch das Einzugsgebiet hat sie überzeugt, und die Frequenz in dem Nebenzentrum – mit Bank, Friseur oder Bäcker als Nachbarn – sei gut. Jedenfalls am Vormittag, und passenderweise öffnet sie täglich von 9.30 bis 14 Uhr sowie nach Terminvereinbarung.
Noch ist sie – unterstützt von ihrem Lebensgefährten – allein in ihrem Geschäft tätig. Doch sie denkt schon an Wachstum: Samt Online-Shop (für alle Krisen-Fälle) und der Eröffnung eines weiteres Ladens. „Für Kindermode, das könnte ich mir gut vorstellen.“