Kirchhellen. Bärbel und Dieter Werner kämpfen wirtschaftlich ums Überleben. Beide haben eine Entscheidung getroffen, ob sie weiter machen oder nicht.
„Kommen ein Mann und eine Frau in eine Kneipe...“, so oder so ähnlich könnte ein guter Witz beginnen, wenn den Wirten in der Corona-Zeit das Lachen nicht längst vergangen wäre. Bärbel und Dieter Werner sitzen seit November auf dem Trockenen. Beide sind Pächter des „Klosterstübchen“, Kirchhellens letzter Traditionskneipe. Der Zapfhahn ist gereinigt und außer Betrieb, die Theke leer.
Die zurückliegenden Monate sind hart und drücken aufs Gemüt. Als sie im November schließen mussten, hätten sie nicht einmal im Traum daran gedacht, dass die Durststrecke so lange dauern würde. „Wir mussten jede Menge Bier wegschütten“, sagt Dieter Werner. In Zahlen: 180 Liter. Auch Cola und Fanta überschreiten nach einer gewissen Zeit das Haltbarkeitsdatum und dürfen nicht mehr ausgeschenkt werden. Unzählige Liter landen ebenfalls im Ausguss.
Die Uhr zeigt noch die Winterzeit an
Sinnbild für den Stillstand im „Klosterstübchen“ ist die Uhr im Gastraum, sie zeigt noch immer die Winterzeit an. Die Überbrückungshilfen reichen bis Juni. „Bis dahin können wir durchhalten“, sagt Bärbel Werner. Und dann? Darauf zuckt sie mit den Schultern. „Dann weiß ich nicht weiter.“ Pacht, Nebenkosten und Versicherungen laufen weiter.
Dieter Werner blickt zurück in die 70er Jahre, als es in Kirchhellen, Feldhausen und Grafenwald noch um die 50 Gaststätten gegeben hat. Alle sind von der Bildfläche verschwunden. Nichts erinnert mehr daran.„Wir sind im zwölften Jahr“, sagt er. Ursprünglich hatten beide geplant, am 31. Dezember dieses Jahres aufzuhören. Sie ist 62, er 64. Aber sie lassen sich von der Pandemie nicht unterkriegen. Der Zapfenstreich wird demonstrativ verschoben. „Wir haben uns entschlossen, weiterzumachen. Wir hängen noch ein Jahr dran“, sagt der Wirt. Seit fast einem halben Jahr ist das Klosterstübchen geschlossen. „So wollen wir uns nicht verabschieden.“
Beide sind Wirte mit Herzblut
Ausschlaggebend für die Entscheidung sind auch die vielen Rückmeldungen, die beide zuletzt immer wieder auf den unterschiedlichen Wegen erhalten haben. „Ihr müsst bleiben“, „Haltet durch“, lauten nur zwei davon. „Wir sind in Kirchhellen eine eingeschworene Gemeinschaft“, sagt Dieter Werner. Häufig sind beide Wirte bis tief in die Nacht mit Leib und Seele für ihre Gäste da gewesen. „Eine Kneipe ist ein sozialer Treffpunkt“, meint Dieter Werner. Zu sehr fühlen sie sich mit ihnen emotional verbunden.
Die Anteilnahme gibt Kraft in diesen schweren Zeiten. Der 64-Jährige erinnert sich wehmütig zurück an die schöne Zeit. Bei den Gedanken an den Aufstieg des VfB Kirchhellen in die Bezirksliga gerät er regelrecht ins Schwärmen. „Das war die letzte große Fete“, sagt er. Damals hat er den gesamten Gastraum der Kneipe ausgeräumt. Das frisch gezapfte Pils wartete auf die Ankunft der durstigen Helden aus Gelsenkirchen. „Und dann ging das hier ab. Heidewitzka, so etwas habe ich noch nicht erlebt.“ Kaum zu glauben, dass dieses Ereignis erst zwei Jahre zurückliegt. „Uns fehlen die Kontakte“, sagt Dieter Werner. „Ich vermisse die Jungs“, und meint damit den VfB Kirchhellen.
Ein Wirt hört zu und fühlt mit
Ein Wirt ist eben nicht nur Wirt, sondern zugleich Zuhörer und Seelentröster. „Man muss diesen Job mit Liebe machen, sonst geht das nicht“, meint Bärbel Werner. Sie macht sich vor allem Gedanken, um die Alleinstehenden, die sonst immer zu ihr in die Kneipe gekommen sind und nun in der Coronakrise niemanden haben. „Diese Menschen vereinsamen Zuhause.“