Bottrop. Wegen eines Zehn-Euro-Knöllchens soll ein Mann eine Politesse attackiert haben. Vor Gericht erscheint er nicht. Das sagt die Geschädigte dazu.

Weil er eine Politesse attackiert und bedroht hat, wurde ein Bottroper zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt. Die Höhe ist abhängig vom Einkommen und wurde vom Gericht nicht veröffentlicht. Außerdem muss er einen Monat zu Fuß gehen, sein Führerschein wurde ihm nämlich auch entzogen. Zu der Verhandlung vor dem Amtsgericht Bottrop war weder der Angeklagte noch sein Verteidiger erschienen.

Richterin Anna-Lena Heescher sprach daraufhin ein so genanntes Verwerfungsurteil. Der Hintergrund: Eigentlich existierte wegen der Tat bereits ein Strafbefehl. Gegen den hatte der Angeklagte allerdings Einspruch erhoben. Nur deshalb war überhaupt eine Verhandlung angesetzt worden. Doch weil zum Termin niemand vor Ort war, setzte das Gericht quasi den Strafbefehl wieder in Kraft.

Politesse war als Zeugin erschienen, musste jedoch nicht aussagen

Die betroffene Politesse war als Zeugin da, musste allerdings nicht aussagen. Gegenüber der Lokalredaktion äußerte sie sich im Nachgang. Beleidigungen und Beschimpfungen gehörten inzwischen leider zum Alltag. „Aber dass man uns berührt, da wird noch eine Grenze überschritten.“

Auch über ein Jahr nach dem Vorfall im Rahmen einer Kontrolle vor einer Schule fällt es ihr nicht leicht, darüber zu sprechen. Sie ringt um Worte, kämpft mit den Tränen. Was sie besonders schockiert: „Dass da auch noch das Kind dabei war, das auch Angst hatte.“ Sie sei selber Mutter, so etwas könne sie nicht nachvollziehen.

Stadt Bottrop erstattet im Schnitt fünf Anzeigen pro Jahr wegen ähnlicher Fälle

Im Januar 2020 ereignete sich die Tat. Die Stadt selbst machte sie öffentlich, beschrieb in einer Pressemitteilung den Tathergang aus ihrer Sicht. Demnach habe ein Verkehrsteilnehmer von der Politesse verlangt, sie nicht wegen eines Verkehrsverstoßes aufzuschreiben. „Dann versuchte er im Beisein eines Kindes, der Politesse den Aufnahmeblock zu entreißen und berührte sie dabei auch an der Schulter. Im Anschluss wurde die Mitarbeiterin noch verbal bedroht.“ Auslöser war nach WAZ-Informationen ein Zehn-Euro-Knöllchen.

23 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien bei der Stadt Bottrop für die Überwachung des ruhenden Verkehrs zuständig, dazu 14 für die Überwachung des fließenden, sagt Fabian Fingerlin, der Leiter der Bußgeldstelle. Im Schnitt fünfmal pro Jahr erstatte man Anzeigen wegen ähnlicher Fälle, es komme auch immer wieder zu Prozessen. „Meist geht es dann um schwere Beleidigungen.“ Dass Mitarbeiter körperlich angegangen werden, sei zum Glück die Ausnahme. Anzeigen erstatte man, um Nachahmer abzuschrecken und ein Zeichen zu setzen, so Fingerlin.

KOD und Feuerwehrmann waren in Bottrop auch schon Ziel von Angriffen

Nur drei Tage vor dem Angriff auf die Politesse war ein Feuerwehrmann bei einem Einsatz in der Innenstadt mit einen Stein beworfen worden. Zuletzt hatte die Stadtverwaltung im Januar einen weiteren Fall öffentlich gemacht. Diesmal waren Kräfte des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) bei einer Corona-Kontrolle „heftig verbal und körperlich angegriffen worden“. Auch in dem Fall hat die Stadt Strafanzeige erstattet.

Zuständigkeit

In Strafsachen ist das Amtsgericht zuständig, wenn in einem Verfahren keine höhere Strafe als vier Jahre Haft zu erwarten ist. Im Amtsgericht wird dann noch einmal unterschieden zwischen Fällen, die ein Strafrichter allein entscheidet und dem Schöffengericht, bei dem ein Richter von zwei Schöffen unterstützt wird.Das Schöffengericht ist zuständig, wenn dem Angeklagten eine höhere Strafe als zwei Jahre Haft erwartet. Alles darunter entscheidet der Einzelrichter.

Die Politesse hofft nun, dass mit dem Verwerfungsurteil die Sache ausgestanden ist. „Ich will damit abschließen“, sagt sie. Die Chancen dafür stehen gut, sagt Eckhard Meierjohann, Direktor des Bottroper Amtsgerichts mit Blick auf Verwerfungsurteile allgemein. Denn ein solches Urteil werde nur aufgehoben, wenn formale Fehler vorliegen oder es im Nachgang triftige Gründe fürs Nichterscheinen gebe. „Aber das kommt nur sehr selten vor.“