Bottrop. Für die These, Ausländer erkrankten auffällig oft an dem Virus, fehlt es in Bottrop an belastbaren Zahlen. Was Verwaltung und Mediziner sagen
Aus verschiedenen Städten kommt inzwischen die Nachricht über höchst unterschiedliche Infektionszahlen in den jeweiligen Stadtteilen. Lebensverhältnisse, Einkommen, Bildung spielen dabei eine auffällige Rolle. Häufiger als andere seien Migranten betroffen, heißt es mancherorts.
Die Datenlage zu dieser These ist in Bottrop dürftig bis gar nicht vorhanden. Auf eine dezidierte WAZ-Anfrage antwortet die Stadtverwaltung: „Generell ist das Infektionsgeschehen immer dann begünstigt, wenn Menschen auf engem Raum zusammenleben. Daraus ergibt sich schon, dass natürlich Familien mit vielen Kindern in kleinen Wohnungen oder Menschen in Gemeinschaftsunterkünften oder sonstiger sozialer Disposition einem höheren Risiko ausgesetzt sind. Wir können dies aber derzeit nicht in Bezug auf die Stadtteile anhand der Infektionszahlen herunterbrechen und belegen.“
Vor allem eine soziale Frage
Bei der Frage, ob sich in Bottrop verstärkt Migranten mit Corona infizieren, bleibt auch Hajra Dorow zurückhaltend. Die Vorsitzende des Integrationsausschusses kennt die Diskussionen und Medienberichte aus anderen Städten. Die Nachbarstadt Gladbeck etwa weist in ihren Berichten zur Pandemie die aktuellen Zahlen der Neuerkrankten nach Stadtteilen aus. Dort werden die meisten Infektionen in Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte wie auch Ausländeranteil registriert.
Krankenhäuser liefern ebenfalls keine Daten
Geht es um die Behandlung von Menschen mit Corona in den Krankenhäusern und die Frage, ob hier auffällig viele Personen mit Migrationshintergrund in Erscheinung treten, so fallen die Antworten sowohl beim Marienhospital wie beim Knappschaftskrankenhaus sehr ähnlich aus. Man erhebe keine Herkunftsdaten, sondern konzentriere sich auf die Behandlung der Betroffenen, heißt es unisono. Allein die Betrachtung der Patienten-Namen mit zweifellos ausländischem Bezug führt hier ebenfalls nicht weiter, weil daraus nachweisbar nichts über den Kulturkreis und die ihm zugeschriebenen Attribute hervor geht, wie etwa große Familien mit engem Zusammenhalt oder Zusammenkünfte in großer Personenzahl.
Hajra Dorow vermutet, dass es in Bottrop ähnliche Stadtteile gibt. Aus ihrer Sicht ist das erhöhte Infektionsgeschehen vor allem eine soziale Frage. Beengter Wohnraum und möglicherweise auch noch eine Beschäftigung mit häufigem Kontakt zu anderen Menschen bedingten dann erhöhte Infektionszahlen. Sie gehe aber davon aus, dass sich auch Menschen mit Migrationshintergrund informieren und ein Interesse daran haben, ihre älteren Angehörigen zu schützen. Hajra Dorow verweist auf das Integrationsportal der Stadt im Internet, auf dem viele Informationen zu Corona in unterschiedlichen Sprachen abrufbar sind.
Arzt stellt hohe Impfbereitschaft unter Migranten fest
„Die sprachliche Barriere ist bei Menschen mit Migrationshintergrund generell ein Problem in der Medizin“, sagt Bottrops Ärztesprecher Dr. Christoph Giepen. Für seine Praxis an der Prosperstraße könne er sagen, dass die Impfbereitschaft bei Menschen mit Migrationshintergrund hoch sei. Dazu gehörten türkisch- und arabischstämmige Patienten. Oft seien die Kinder der Eltern in der Praxis mit anwesend, um bei wichtigen Dingen wie den Corona-Impfungen zu übersetzen. Spreche jemand kein Deutsch, würden bei ihm und in anderen Arztpraxen türkisch- oder arabischsprachige Aufklärungsbögen für die Impfungen ausliegen. Eine fehlende Impfbereitschaft oder die mangelnde Einhaltung der AHA-Regeln macht der Ärztesprecher nicht an der kulturellen Herkunft fest. „Das ist kein Migrationsproblem, sondern ein soziales, gesellschaftliches Problem“, sagt Giepen.
Apothekensprecherin: Wir schaffen das nur zusammen
Bottrops Apothekensprecherin Birgit Lauer vermag sich zur laufenden Diskussion „kein adäquates Urteil zu bilden“. Unter anderem, weil auch sie keine belastbaren Daten besitze. Allerdings sagt sie deutlich: „Wenn es Probleme gibt, dann muss man sie benennen und lösen.“ Im Zuge der Diskussion, ob Menschen mit Migrationshintergrund häufiger von Corona betroffen sind, mahnt sie zur Vorsicht: „Eine Spaltung der Gesellschaft ist meines Erachtens nie die Lösung eines Problems. Wir schaffen das nur zusammen.“