Bottrop. Der Umzug der Bibliothek der Familie von Westerholt-Gysenberg in neue Räume im Rathaus ist in vollem Gange. Bald geht die Restaurierung weiter.

Noch surren Lüftung und Klimaanlage ununterbrochen im Souterrain des Rathauses. Wo bis zur Sanierung die Druckerei beheimatet war, befindet sich nun Artverwandtes und das gleich im kostbaren historischen Gewand. Die Bibliothek der Grafen von Westerholt-Gysenberg ist gerade mitten im Umzug. Ursprünglich war die mehrere Tausend Bände umfassende Sammlung im alten Rathausflügel an der Kirchhellener Straße untergebracht. Ganz schön und für Fachbesucher gut zu erreichen, aber klimatechnisch für den historischen Bestand, den der damalige Stadtarchivar Rudolf Schetter in den 1951 für 1.300 D-Mark erworben hatte, nicht so günstig.

Zerfallene Einbände, Brandschäden oder Schimmel setzen einigen Büchern zu

Zerfallene Einbände, Brandschäden oder Schimmelbefall machen auch nach jahrelanger Restaurierung immer noch einigen Exemplaren der historischen Bibliothek Westerholt-Gysenberg zu schaffen. Restauriert werden aber nur historisch wichtige oder einmalig vorhandene Bände.
Zerfallene Einbände, Brandschäden oder Schimmelbefall machen auch nach jahrelanger Restaurierung immer noch einigen Exemplaren der historischen Bibliothek Westerholt-Gysenberg zu schaffen. Restauriert werden aber nur historisch wichtige oder einmalig vorhandene Bände. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

„Da ist er neue Raum aus konservatorischen Gründen wesentlich besser geeignet“, sagt Schetters Nach-Nachfolgerin Heike Biskup. Zu ihren Aufgaben gehört es, sich um den historischen Buchbestand zu kümmern, Anfragen zu beantworten, Leihgaben für auswärtige Ausstellungen zu ermöglichen oder auch den Bestand für Fachbesucher zugänglich machen. Gerade ist sie dabei, Exemplare herauszusuchen, die dringend restauriert werden müssen. Zwar sei man mit den konservatorischen Maßnahmen in den letzten Jahren gut vorangekommen, aber es gebe immer noch einiges, was dringend in die Werkstatt der Restauratoren gehöre. Da geht es um zerfallene alte Einbände, sei es nun Leder oder Pergament, Bücher, die teilweise von Schimmelpilz befallen sind, im 20. Jahrhundert Kunststofflaminierungen bekommen haben, die nun den Originaleinband zerstören oder sogar noch kleinere Brandschäden aufweisen, wie ein geistliches Erbauungsbuch aus dem frühen 18. Jahrhundert. Warum der Aufwand?

Die Sammlung gehört zu den seltenen Fällen einer über Jahrhunderte gewachsenen Adelsbibliothek aus dem rheinisch-westfälischen Raum, die Aufschluss über Kultur und Vorlieben dieser Familien geben und von der 70 Prozent Bände heute in NRW oder sogar weit darüber hinaus nur noch einmal existieren“, so Heike Biskup. Das Spektrum reiche dabei von geografischen, historischen oder theologischen Werken bis hin zu Büchern, die über das damalige Alltagsleben Aufschluss geben.

Erstausgabe von Victor Hugos „Notre Dame de Paris“

Ein gut restaurierter Ledereinband (l.) neben einem offensichtlichen Brandschaden. Knapp Dreiviertel des restaurierungswürdigen Bestandes wurde bereits fertiggestellt. Insgesamt bescheinigt die Uni- und Landesbibliothek Münster 95 Prozent der Sammlung wieder einen „konservatorisch optimalen Zustand“.
Ein gut restaurierter Ledereinband (l.) neben einem offensichtlichen Brandschaden. Knapp Dreiviertel des restaurierungswürdigen Bestandes wurde bereits fertiggestellt. Insgesamt bescheinigt die Uni- und Landesbibliothek Münster 95 Prozent der Sammlung wieder einen „konservatorisch optimalen Zustand“. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

So trägt „Die gelehrigen Hauswirthin: ein Handbuch für Frauenzimmer“ das Exlibris der Gräfin von Westerholt 1808. Aber auch eine Erstausgabe von Victor Hugos weltberühmtem Roman „Notre Dame de Paris“ von 1831 ist darunter. Napoleons Gesetzbuch, der „Code Napoléon“ von 1810. Kein Wunder, war doch ein Westerholt-Gysenberg Statthalter von Napoleons Schwager, Joachim Murat, im Großherzogtum Berg. Zu dieser Zeit residierte die Familie noch auf Schloss Berge in Buer. Erst später siedelte man um auf Schloss Arenfels bei Hönningen am Rhein, wo die Bibliothek dann bis zur Versteigerung und Unterbringung in Bottrop 1951 blieb.

„Seither haben sich die Stadt, die Bottroper Unternehmervereinigung „Konjungtur“ aber auch vor allem die Alfried-Krupp-von-Bohlen-und-Halbach-Stiftung für die Restaurierung der Bestände eingesetzt“, so Hike Biskup. Die geschah und geschieht seit einigen Jahren in Zusammenarbeit mit der Universitäts- und Landesbibliothek Münster. Dort ist auch der Bestand katalogisiert und es gibt eine Online-Schlagwortliste zu Themenbereichen der Sammlung.

Jetzt möchte sich die Volksbank innerhalb eines Crowdfunding-Projekts für die Restaurierung weiterer Bände stark machen. Bis Ende Mai soll der Umzug der alten Adelsbibliothek an den neuen Standort übrigens abgeschlossen sein.

Leihgaben für Ausstellungen

Zu Leihnehmern der Bottroper Sammlung Westerholt gehörten u. a. Schloss Oberhausen oder Schloss Cappenberg. Aber auch in der kommenden Ausstellung des Ruhr Museums „Eine Klasse für sich: Adel an Rhein und Ruhr“ werden Leihgaben zu sehen sein.

Infos gibt es auch im Bereich Historische Bestände Westfalen (HBW) der Uni- und Landesbibliothek Münster: ulb.uni-muenster/hbw.