Bottrop. Mitten im Lockdown übernimmt Linda Thimm den Friseursalon ihrer Stiefmutter. Dass es nun endlich wieder los geht, erleichtert nicht nur sie.
Nach zweieinhalb Monaten im Corona-Lockdown haben die Friseure Sonderschichten eingerichtet, um am ersten Öffnungstag möglichst viele Kunden bedienen zu können. Für Linda Thimm ist es gleichzeitig der erste echte Tag als Chefin ihres eigenen Ladens: Zum 1. Januar hat die 37-Jährige das Geschäft ihrer Stiefmutter Heike Thimm übernommen - und erst zwei Monate später kann sie durchstarten. Höchste Zeit, sagt Thimm, um den seit mehr als 20 Jahren bestehenden Betrieb mit seinem Mitarbeiterteam fortführen zu können.
Ein Sprung in die Selbstständigkeit mitten in der Corona-Krise? Für Linda Thimm war die Übernahme des Familiengeschäfts, in dem sie schon seit zwölf Jahren mitgearbeitet hat, zum Jahreswechsel 20/21 lange geplant. „Die Lockdown-Situation war für mich ein großes Unglück, was nicht vorhersehbar war“, so Thimm. Eigentlich sei sie auch davon überrascht worden, dass sie nicht wie erwartet schon zum 10. Januar wieder öffnen durfte. „Die Hygienekonzepte waren etabliert und haben sehr gut funktioniert. Wir Friseure und die Kunden haben sich sehr diszipliniert verhalten.“ Im eigenen Laden wurde zusätzlich eine Viren-Luftfilteranlage installiert.
Bottroper Friseurin hat das Kurzarbeitergeld vorgestreckt
Dennoch hieß es abwarten bis zum 1. März, eine wirtschaftliche Herausforderung für die Neu-Chefin: „Offen gestanden wurde es jetzt finanziell eng, da meine Ersparnisse schrumpfen und es nun höchste Zeit wird, dass wir endlich Geld in die Kasse bekommen.“ Das Kurzarbeitergeld für ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen - insgesamt ist es ein siebenköpfiges Team plus Azubi - habe sie vorfinanzieren müssen. „Obwohl früh beantragt, kam die Zahlung für die Januarlöhne von der Agentur für Arbeit erst im Februar. Als der Übernahmetermin feststand habe ich noch eine Friseurmeisterin als Vollzeitkraft zu meiner Unterstützung eingestellt, da die meisten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Teilzeit arbeiten.“ Die 450-Euro-Kräfte habe sie gar nicht bezahlen können - „ich starte bei Null, habe keinen eigenen Lohn“.
Was ihr Mut gibt (neben der Aussicht auf Impfungen und Schnelltests): Der Terminkalender ist schon wieder voll; das Telefon mit weiteren schneidewilligen Kunden am anderen Ende der Leitung klingelt zuverlässig und im Vorbeigehen ruft ein Mann fröhlich in den Laden: „Ich freue mich schon auf heute Abend!“
Stammkundin Ingrid Markus (82) ist dann am (in anderen Zeiten eigentlich geschlossenen) Montagmorgen die erste, die schon einige Minuten vor 9 Uhr vor der Tür steht. Mit Blick auf die neue Inhaberin sagt die Fuhlenbrockerin verständnisvoll: „Sie hat einen schweren Start.“ Um das Beste rauszuholen, hat Linda Thimm allein am Montag bis gegen 20 Uhr Termine vergeben. Die Nachfrage ist da.
Öffnungszeiten in verschiedenen Bottroper Salons verlängert
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Das spüren natürlich auch die anderen Friseure in der Stadt. Heike Ingendoh, stellvertretende Obermeisterin der Friseurinnung, kommt vor lauter Waschen, Schneiden, Färben gar nicht erst zu einem Telefon-Gespräch über das Ende des Lockdowns für ihre Branche. Normalerweise hat auch ihr Salon in der Boy montags geschlossen - aber was ist schon normal in Corona-Krisenzeiten.
„Sehr im Stress“ ist am Montagmittag zum Beispiel auch Anette Obschinsky, die „A-Haar“-Läden an vier Standorten im Stadtgebiet betreibt. Mindestens bis zum 13. März sind dort die Öffnungszeiten verlängert worden.
Nur mit medizinischem Mundschutz
Kurz nach Mitternacht haben Friseure in der Region die ersten Kunden am Montag bedient. Zu den aktuellen Corona-Regeln gehört, dass Haare nur nach Terminvereinbarung geschnitten werden sollen. Die Hygiene-Abstände zwischen den Sitzplätzen sind einzuhalten, Personal wie Kunden müssen einen medizinischen Mund-Nase-Schutz tragen.
Pro Person muss eine Mindestfläche von zehn Quadratmetern zur Verfügung stehen. Für den Salon von Linda Thimm bedeutet das zum Beispiel: Maximal eine Handvoll Kunden kann gleichzeitig bedient werden.