Bottrop. Ab 1871 nimmt der Bergbau Fahrt auf. Mit Prosper II entsteht die erste Zeche und vor allem die erste Bergarbeiter-Kolonie im Stadtgebiet.
Wie sehr auch in Bottrop in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Siedlungs- und Industriegeschichte mit der politischen Großwetterlage verbunden sind, beschreibt auch Wilfried Krix in seinem Buch „Die alten Bottroper (Berg)-Arbeitersiedlungen“ anschaulich. Da geht es um die großen „Kohlehunger“, der nach dem gewonnenen deutsch-französischen Krieg 1871 immer größer wird. Der Boom dieser so genannten „Gründerjahre“ nach der Gründung des zweiten deutschen Kaiserreichs wird nicht zuletzt auch angeheizt durch die Reparationszahlungen aus Frankreich - eine Situation, die sich rund 50 Jahre später ins Gegenteil verkehren wird.
Erster Bauantrag von 1874 für 69 Doppelhäuser
Auch Bottrop hat daran seinen Anteil. Mit Prosper II wird 1871 die erste Zeche auf dem Stadtgebiet abgeteuft. Ab 1875 fördert die Arenberg’sche Bergbaugesellschaft dort dann auch. Und der Ort, der schon den Zuzug vieler Arbeiter von Prosper I (auf Borbecker Gebiet gelegen) verkraften muss, erlebt einen weiteren Anstieg der Bevölkerung. So beantragt die Bergbaugesellschaft 1874 die Genehmigung für den Bau von 69 Doppelhäusern, was der Gemeinderat auch nur einen Monat später genehmigt. Und bereits 1875 sind 16 dieser Häuser im Bereich der heutigen Prosperstraße fertig. Der Beginn der sogenannten „Engelbert-Kolonie“, benannt nach dem Besitzer des Bergregals, Herzog Engelbert von Arenberg.
Weiterbau stockt zunächst mangels geeigneter Bewohner
Wilfried Krix erzählt die ebenso wechselvolle wie uneinheitliche Geschichte dieser ersten Bottroper Kolonie einerseits detailreich mit zahlreichen Bildern und Grundrissen und unter Verweis auf Quellen, Literatur und Akten. So wird ersichtlich, dass die Arbeiterstruktur in dieser früheren Zeit keineswegs so einheitlich ist, wie später oft geschildert. Die klassische Arbeiterfamilie, die noch einen Stück Land bewirtschaftet, ist laut Krix damals eher die Ausnahme. Auch der Weiterbau der Kolonie liegt mangels geeigneter Bewohner zunächst auf Eis. Für die Häuser, die für Familien konzipiert sind, gibt es einfach nicht genügend Familienväter. Denn die Arenberg’sche Belegschaft hat zunächst ein Imageproblem. Es arbeiten dort „bescholtene“ wie „unbescholtene“, wie es im damaligen Jargon heißt. Dazu kommen „Exzesse“ der Bewohner der damaligen „Menage“, einem für damalige Verhältnisse Riesenwohnheim für ledige Arbeiter, von dem bereits in der ersten Folge dieser Serie die Rede war.
Einsam und sumpfig: Ein Pferd ertrinkt - Lehrer will seine Dienstwohnung nicht beziehen
„Trocken“ ist Krix’ Ergebnis intensiver Archiv- und Recherchearbeit keineswegs. Beschreibt er doch anschaulich die damaligen Verhältnisse, die Abgelegenheit dieser ersten Kolonie von jeglicher dörflicher Besiedlung, die Unwegsamkeit des Geländes, denn die heutige Prosperstraße ist damals ein holperiger Sandweg zwischen Bottrop-Dorfmitte und der Kommende Welheim mit der neuen Zeche etwa auf halbem Weg. Selbst der Lehrer der 1886 gegründeten ersten evangelischen Schule weigert sich, seine Dienstwohnung in diesem „einsamen Umfeld“ zu beziehen. Und die Bottroper Volkszeitung berichtet 1884, dass „im sumpfigen Gelände nahe der Engelbert-Kolonie ein Pferd ertrunken sei“.
Die Erweiterung der Kolonie stockt laut Krix aber wohl auch, da ein preußisches Gesetz von 1876 vorschreibt, dass sich die Bauherren von Kolonien, also in der Regel die Zechen- oder Fabrikbesitzer, auch an der Errichtung der notwendigen Infrastruktur, wie Straßen, Schulen, Kirchen oder der öffentlichen Sicherheit beteiligen sollen. Auflagen, die zumindest in der ersten Zeit viele - oft sogar mit Hilfe übergeordneter Behörden - umgehen. Später gewinnen auch private Bauherren und Vermieter an Einfluss und die Umgebung der Prosperstraße erhält mit zum Beispiel mit Albrecht-Dürer-, Kamp- oder Kaulbachstraße einen eigenen dörflichen Charakter abseits des immer städtischer werdenden Bottroper Dorfkerns.
Denkmalschutz für zwei frühe Häuser
Die eigentliche Engelbert-Siedlung umfasst später statt der einst geplanten 69 nur 19 Häuser. Von den neun an der Prosperstraße liegenden Bauten sind heute noch sieben vorhanden. Zwei der frühen Doppelhäuser (Hausnummer 169 bis 175) mit dem ländlich wirkenden Bruchsteinsockel stehen seit 1995 unter Denkmalschutz.
Reihe „Geschichtsstunde“ - Und der Tod der letzten Bottroper Zechenkneipe
Das Buch „Die alten Bottroper (Berg)-Arbeiter Siedlungen“ von Wilfried Krix soll in der Reihe „Geschichtsstunde“ des Stadtarchivs erscheinen. Wegen der andauernden Corona-Pandemie steht dafür aber noch kein genaues Datum fest.
Der Bergbau ist längst Geschichte, auf Prosper II sogar noch länger als auf Prosper-Haniel. Kürzlich schloss - auch als Folge der Corona-Pandemie - mit „Schacht Heintze“ die letzte echte Bottroper Zechenkneipe direkt gegenüber des alten Werkstores.