Bottrop. Heimatforscher Wilfried Krix schreibt ein Buch über die alten Bottroper Werkskolonien. Sie prägen bis heute das Stadtbild.
Die Gartenstadt Welheim, die Rheinbabenkolonie, die alte Krupp'sche Feuerwerker-Siedlung: Die Siedlungen aus dem 20. Jahrhundert stehen für die industrielle Entwicklung Bottrops und prägen das Ortsbild bis heute. Aber 30, 40 Jahre früher, in den Anfangsjahren des Bottroper Kohle-Booms ab 1871 sah die Entwicklung weniger idyllisch aus. Geschlossene, in sich funktionierende Kolonien, wie man diese Siedlungen nannte, gab es lange nicht. "Das hatte auch damit zu tun, dass sich die Industriellen oft um die Abgaben drückten, die ab einer bestimmten Siedlungsgröße für die erforderliche neue Infrastruktur entrichtet werden mussten", sagt Heimatforscher Wilfried Krix. In seinem neuen Buch "Die alten Bottroper (Berg)-Arbeitersiedlungen" schreibt er auch darüber, wie staatliche Behörden die Industriebarone oft sogar finanziell schonten. Die WAZ stellt die Arbeit ab heute in einer kurzen Serie vorab vor.
1. Vom Privatbett zum Barackenlager
Über die Bottroper Zechen sei fast alles geschrieben worden, bei den Siedlungen, vor allem aus der frühen Zeit der Kohle-Ära, sehe es ganz unterschiedlich aus, sagt Wilfried Krix. Der Bottroper forscht seit vielen Jahren über die Geschichte seiner Stadt, ist beinahe täglich im Stadtarchiv anzutreffen und war für seine aktuelle Arbeit froh über die Digitalisierung im Bauamt, die so einen stark vereinfachten Zugriff auf die Bauakten ermöglichte - sofern sie vorhanden waren.
Direkt zu Anfang des 88 Seiten umfassenden Bandes zeichnet Krix ein spannend zu lesendes Bild der Zeit, als die Kohle Bottrop schon beeinflusst, noch bevor auf dem Ortsgebiet überhaupt eine eigene Zeche steht. Die kommt nämlich erst 1871 mit der Abteufung von Prosper II. Prosper I (1856) mit der zugehörigen späteren Kolonie Ebel kommt erst 1929 zu Bottrop, ist bis dahin Essener Gebiet. Aber natürlich zieht Prosper I bereits viele Arbeiter von Bottroper Gebiet über die Emscher nach Borbeck oder den Essener Norden mit seinen Bergwerken.
Prosper-I-Belegschaft wohnt größtenteils in Bottrop
Und auch die erste Verwaltungsratssitzung der neu gegründeten Arenberg'schen Bergbaugesellschaft findet 1856 in der Bottroper Wirtschaft Demond statt. Dass man sich dort entscheidet, den Zechenstandort Prosper I auf Borbecker Gebiet anzusiedeln, obwohl die meisten Kohlevorkommen in Bottrop liegen, nennt Krix einen strategisch richtigen Schachzug. Denn: "Die bessere Infrastruktur und die aufgeschlosseneren Behörden der preußischen Rheinprovinz sprachen für den Standort Borbeck." Bottrop gehört damals wie heute zu Westfalen.
Dass aber mehr als die Hälfte der 800 Prosper-Bergleute aus Bottrop kommen, zeigt: Das Wohnproblem der Arbeiter ist trotz privater Schlafstellen und der etwa 30 vorhandenen Gasthäuser in Bottrop angekommen, wie Wilfried Krix schreibt. Häuser für die inzwischen stärker zuziehenden Arbeiter gibt es nicht. Als erste Reaktion auf die Wohnraumnot lassen die Arenberg-Manager 1868 eine Baracke mit 200 Plätzen an der Essener Straße (heute Südringcenter) errichten. Später wird diese so genannte "Menage" auf 700 Plätze erweitert, bis sie 1890 abbrennt.
Infrastruktur ist dem Bevölkerungsanstieg nicht gewachsen
30, 40 Neuzuzügler nach Bottrop pro Tag lassen die Dorfverwaltung an ihre Grenzen stoßen. Die Versorgung muss gewährleistet sein. Seit 1865 gibt es einen regelmäßigen Wochenmarkt im Dorf, das sich bis dahin überwiegend selbst versorgt. Aber die "Neuen" veranstalten in der Umgebung der Menage Trinkgelage, verursachen Krawall. Kein Wunder also, dass die alte Dorfbevölkerung in Bottrop auf Abstand hält und froh ist, dass die neue, erste Bottroper, Zeche Prosper II und damit die erste Siedlung nach 1871 in gehörigem Abstand zum Dorf entsteht.
Info
Das Buch "Die alten Bottroper (Berg)-Arbeitersiedlungen" von Wilfried Krix soll in der Reihe "Geschichtsstunde" des Stadtarchivs erscheinen. Wegen der Corona-Pandemie steht noch kein genaues Datum fest.
Mit der heutigen Vorgeschichte beginnt eine kurze Serie, mit der die WAZ diese Siedlungen und deren Entwicklung anhand des Buches vorstellt. In der zweiten Folge geht es um die früheste Siedlung, die so genannte "Engelbert-Kolonie" , im Bereich der heutigen Prosperstraße.