Bottrop. In einer Datenbank der Holocaust-Opfer hat Stadtarchivarin Heike Biskup Spuren des Geschwisterpaares Gerda und Herbert Cohn entdeckt.
Der 27. Januar wurde von den Vereinten Nationen 2005 zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust erklärt, seit 1996 ist er in Deutschland ein Gedenktag. Am 27. Januar 1945 hatte die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz befreit und die dort verbliebenen etwa 7000 Menschen gerettet. Auschwitz steht als Synonym für den millionenfachen Mord an Juden, aber auch an Sinti und Roma, politisch Verfolgte und andere Opfergruppen. Der 27. Januar soll die Erinnerung an die Geschehnisse wachhalten, soll zum Gedenken, aber auch zum Nachdenken animieren.
Forschung geht weiter
Das ist auch die Absicht der „Stolpersteine“ des Künstlers Gunter Demnig, kleine mit einer Messingplatte belegte Steine, die mit Inschriften versehen sind, die an Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Auch in Bottrop. Regelmäßig werden neue Stolpersteine verlegt, wenn weitere Schicksale aufgearbeitet sind. Leider musste die für den 8. Dezember letzten Jahres geplante Verlegung von neun neuen Stolpersteinen vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie verschoben werden. Momentan wird die vom Bottroper Stadtarchiv erarbeitete Broschüre, in der Informationen über die Schicksale zusammengetragen wurden, überarbeitet und aktualisiert. Es wird versucht, neue Erkenntnisse zu recherchieren, was in manchen Fällen relativ erfolgreich ist. Gerade das Internet bietet hier vielfältige Möglichkeiten.
Information im "Arolsen Archiv"
So hat das Internationale Zentrum für NS-Opfer, „Arolsen Archivs“, inzwischen ein sehr umfangreiches Online-Archiv mit einer riesigen Datenbank, in der nach Spuren von NS-Opfern recherchiert werden kann. Millionen Dokumente sind mittlerweile online. Hier fanden sich Spuren von Gerda und Herbert Cohn, zwei Kinder, die in Bottrop aufwuchsen und als 14- bzw. 12jährige fliehen mussten, die uns neue Erkenntnisse über ihre Schicksale in den Niederlanden bringen. An sie soll aus Anlass des Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert werden, stellvertretend für die vielen Bottroperinnen und Bottroper, die entrechtet, gequält und ermordet wurden.
Eltern glaubten, ihre Kinder seien gerettet
Sogar Fotos kann man von den Geschwistern im Internet finden. Sie sind auf einer Internet-Seite von „DOKIN“ eingestellt, die Schicksale von deutschen und österreichischen „Kriegs-Kindern“ in den Niederlanden dokumentiert. Während bekannt ist, dass mit Kindertransporten fast 8000 jüdische Kinder nach England gelangen konnten, ist relativ unbekannt, dass fast 2000 jüdische Kinder in die Niederlande flüchten konnten, wie zum Beispiel auch Gerda und Herbert Cohn. Ihre Eltern dachten, dort wären sie vorerst sicher vor dem Zugriff der Nazis.
Auswanderung in die USA geplant
Alfred Cohn, ein Bottroper Kaufmann, und seine Frau Erna wollten ihre Kinder später dort abholen und gemeinsam in die USA auswandern. Sie stellten die entsprechenden Anträge, die auch genehmigt wurden. Die Reisepässe wurden auf dem Bottroper Polizeiamt im April 1939 abgeholt. Aber die Cohns blieben merkwürdigerweise erst mal weiter in Bottrop. Warum, das lässt sich nicht rekonstruieren. Bekamen sie keine Einreiseerlaubnis in die USA? Kam es bei der Abwicklung des enteigneten Möbelgeschäftes zu Verzögerungen? Das Ehepaar verzog dann im November des Jahres nach Essen, lebte dort zwei weitere Jahre und wurde dann von dort aus mit fast 1000 anderen Jüdinnen und Juden aus Essen, Düsseldorf und Wuppertal nach Minsk im von den Deutschen besetzten Weißrussland deportiert. Dort verliert sich ihre Spur. Erna und Alfred Cohn sind höchstwahrscheinlich umgekommen, gelten als verschollen.
Flucht endet in den Niederlanden
Gerda und Herbert Cohn lebten zunächst in Rotterdam. Die jüdische Hilfsorganisation „Het Kinder-Comité“ für die „Hulp aan buitenlandische kinderen“ (Hilfe für ausländische Kinder) hatte sich ihnen angenommen und organisierte die Unterbringung der Kinder. Gerda und Herbert kamen ab Dezember 1938 gemeinsam in drei Einrichtungen der Kinder- und Sozialfürsorge in der Nähe von Arnheim und in Rotterdam unter, bevor sich ihre Wege trennten. Gerda wechselte im April 1940 nach Amsterdam, wo sie in zwei weiteren Einrichtungen untergebracht wurde. Herbert lebte dort schon seit August 1939 bei seiner Großmutter, der Mutter von Erna Cohn. Herberts Schwester Gerda wurde erst im Mai 1940 ebenfalls bei der Großmutter einquartiert.
Datenbank der Gedenkstätte Auschwitz speichert Details der Opfer
Mitte Mai 1940 besetzte die deutsche Wehrmacht die neutralen Niederlande, die somit in das nationalsozialistische Verfolgungs- und Vernichtungsgeschehen der Shoah einbezogen wurden. Die Geschwister Gerda und Herbert Cohn wurden in dem Sammellager Westerbork im Nordosten des Landes interniert. Von hier aus wurden die niederländischen und die sich in den Niederlanden aufhaltenden deutschen Juden in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. Am 15. Juli 1942 wurden Gerda und Herbert Cohn in das Vernichtungslager Auschwitz verschleppt, wo sie ermordet wurden. Es gibt eine Datenbank der heutigen Gedenkstätte Auschwitz im Internet, die auch die Namen aus den erhalten gebliebenen Sterbebüchern enthält. Gerda und Herbert Cohn sind hier mit dem gleichen Todesdatum aufgeführt: 19. August 1942.