Bottrop. Wirtin Susanne Schacht-Heintze erklärt die Gründe für die Entscheidung. Ein Ort, wo Wolfgang Petry und Jürgen von Manger einkehrten.

Glück Auf, der Steiger kommt, aber die Gaststätte Heintze geht. Nach mehr als 60 Jahren bleiben die Küche kalt und der Zapfhahn für immer außer Betrieb. Wirtin Susanne Schacht-Heintze hört auf. Mit der letzten Zechenkneipe in Bottrop stirbt auch ein großes Stück Bergbaugeschichte. Es ist das Ende einer Ära an der Knappenstraße.

„Es rechnet sich einfach nicht mehr. Das ist leider so“, sagt die 59-Jährige, die 1999 die Kneipe als nächste Generation übernommen hat. „Es tut richtig weh, dass wir keine Abschiedsparty geben können“, sagt sie und fügt lächelnd hinzu: „Das wäre eine Fete geworden, die hätte anderthalb Tage gedauert.“

Tradition begann 1874

Der Standort blickt zurück auf eine lange Kneipentradition. An Ort und Stelle wird 1874 von Johannes Steinhaus die Zechenkneipe „Zum Hirsch“ eröffnet. 1960 übernehmen Waltraud und Helmut Heintze. Auf der anderen Straßenseite befindet sich damals wie heute der Malakoffturm der Zeche Prosper II. Am Fachwerkhaus nagt jedoch bald der Zahn der Zeit. Der Abriss folgt 1978. Im Neubau beginnt die Geschichte der „Gaststätte Heintze“. Die Entscheidung zur Schließung fiel der Wirtin nicht leicht. „Ich habe lange mit mir gerungen“, sagt sie. Der erste und nun der zweite harte Corona-Lockdown haben der Gaststätte, wie allen Gastronomen, schwer zugesetzt. Am Ende macht aus ihrer Sicht eine Fortführung wirtschaftlich keinen Sinn. Ihre Kinder wollen den Betrieb nicht übernehmen.

Seit Wochen wird aufgeräumt

Seit Wochen wird aufgeräumt und aussortiert. Zahlreiche Utensilien wie Arschleder, Grubenhemden, Bergbaulampen, Steigerhelme oder ein rotes Grubentelefon sind Zeugnis der jahrzehntelangen Verbundenheit von Kneipe und Pütt. Geschichten, die heute noch Oma und Opa ihren Kindern und Enkeln erzählen, hat Susanne Schacht-Heintze hautnah miterlebt. Oder von ihrer Mutter berichtet bekommen.

Es sind die 60er-, 70er- und 80er-Jahre des Bergbaus in Bottrop. Mit der Lohntüte in der Hand, so Schacht-Heintze, führte der erste Weg der Bergmänner von Prosper II schnurstracks in die Kneipe. Nach einer harten Schicht musste der Durst gelöscht werden. Aber zuerst wurden die alten Rechnungen bezahlt. „Dann haben sie noch ein oder zwei Pils heruntergespült“, erinnert sie sich. „Manche von ihnen sind gleich da geblieben, weil es so schön war oder weil sie jemanden getroffen haben, den sie kannten.“ Natürlich ist im Heintze in dieser Zeit auch das klassische Herrengedeck (frisches Pils und Korn) und Samtkragen (Korn und Boonekamp) bei den Männern in aller Munde.

Kohleschwarz vor der Theke

Einmal erlebte die Wirtin im Alter von sieben, acht Jahren, wie ein Bergmann kohleschwarz von Kopf bis Fuß und in voller Montur vor der Theke stand. Nur das Weiße in den Augen und die roten Lippen bildeten den farblichen Kontrast zum Kohlenstaub. „Er kam von der Zeche zu uns herüber.“ Den genauen Grund weiß sie nicht. Sie mutmaßt: „Wahrscheinlich hatte die Kantine zu. Jedenfalls hat er ein paar Flaschen Bier geholt und ist dann wieder zurück zur Zeche.“

Diese Zeiten gehören längst der Vergangenheit an. Aber manches hat sich nie geändert. Stammgäste erhielten bei Heintze sobald sie durch die Tür kamen, sofort und ohne Bestellung, ihr Lieblingsgetränk (meistens Pils) serviert. Bestellte Getränke wurden nicht elektronisch erfasst, sondern mit Bleistift und Strich auf dem Bierdeckel markiert.

Video-Dreh zu "Bottroper Bier"

Auch prominente Gäste verfielen dem Charme der Kneipe. Jürgen von Manger drehte einige Szenen für das Video zu seinem Klassiker „Bottroper Bier“ bei Heintze, damals noch im alten Fachwerkhaus. In den Pausen nutzte das Filmteam die Zeit, um einige Szenen mit einem bis dato unbekannten Künstler zu drehen. „Mike Krüger“, sagt Schacht-Heintze. Von Jürgen von Manger holte sie sich eine Autogrammkarte, von Mike Krüger nicht. „Den kannte damals doch noch keiner.“ Erst später erfuhr sie, wer das Lied „Mein Gott, Walther“ in der Kneipe sang. Auch Wolfgang Petry („Wahnsinn“) beehrte viele Jahre später die Zechenkneipe mit seiner Anwesenheit. Der Sänger dreht unter anderem auf dem Zechengelände das Video zu seinem Hit „Ruhrgebiet“. Mit seiner Crew schaute er auf einen Kaffee vorbei. Auch von ihm besitzt sie eine Autogrammkarte. Sie ist nur eine von vielen schönen Erinnerungen, die bleiben werden.

<<<Info>>>

Auf der Facebook-Seite der Gaststätte Heintze hat Wirtin Susanne Schacht-Heintze die Schließung verkündet. In mehr als 100 Kommentaren haben die Gäste, denen in all den Jahren die Zechenkneipe ans Herz gewachsen ist, teils emotional Abschied genommen und sich für die gemeinsame Zeit bedankt.

Zurzeit wird die Kneipe ausgeräumt. Nach ersten Überlegungen sollen in den alten Räumen künftig Wohnungen entstehen.