Bottrop. Mitglieder der Bottroper Nachbarschaftshilfe und der Gemeinde richten einen Gabenzaun ein. Doch die Aktion hat auch ihre Kritiker.
„Lieber Mensch, nimmt dir was du brauchst“, steht auf einem Plakat am Bauzaun neben der Cyriakuskirche. Bottrop hat jetzt einen so genannten Gabenzaun, an dem jeder, der etwas für Bedürftige geben möchte, seine „Gaben“ hängen kann.
Im Zuge der Corona-Krise sind die Zäune, die nicht trennen, sondern verbinden wollen, bereits in vielen Städten ins Leben gerufen worden. Martina Knott kennt solche Initiativen und hat im Internet „nur mal gefragt, ob jemand dazu Ideen hat, und dann nahm das Ganze seinen Lauf“. Die Bottroper Nachbarschaftshilfe griff die Anregung auf und setzte sich mit anderen Initiativen in Verbindung. So kam es zügig zu dem Kooperationsprojekt „Von Bottropern für Bottroper“.
Die Stadt beseitigt alle bürokratischen Hindernisse
Ein Zaun war ebenfalls schnell gefunden, schließlich gibt es mitten in der Innenstadt die Großbaustelle für den Neubau des Pfarrzentrums St. Cyriakus am Kirchplatz. Die Gemeinde hat den Zaun gern zur Verfügung gestellt, und auch die Stadt Bottrop habe schnell zugestimmt und bürokratische Hindernisse beseitigt, berichtet Gemeindereferentin Christine Hartung.
Schilder am Bauzaun und an der Sitzbank fordern auf: „Bitte Spenden“. Gesucht werden haltbare Lebensmittel, Pflege- und Hygieneprodukte und Tierfutter. Ein Warnschild weist auf Gefahren hin: „Bitte Tüten verteilen, damit der Zaun nicht kippt“. Am Donnerstagmorgen ist die Gefahr noch nicht so groß, denn vier Frauen der Initiative hängen erstmals durchsichtige Tüten mit Spenden an den Zaun.
Notleidende Menschen, die nicht mehr genug haben für den Alltag
Man hofft auf die Spendenbereitschaft und Solidarität der Bevölkerung. Die relevanten Hilfsgruppen und privaten Organisationen seien informiert über den Start der Aktion, erklärt Julia Vogt von der Nachbarschaftshilfe. Das Projekt wendet sich nicht nur an Wohnungs- oder Obdachlose wie in manchen anderen Städten, sondern an alle, die Hilfe brauchen, an notleidende Menschen, die nicht mehr genug haben für ihren Alltag. In Krisenzeiten sei es angebracht, an die Schwächsten der Gesellschaft zu denken. Wer morgens in den Kühlschrank guckt und nicht wisse, wie man über den Tag kommen soll, sollte keine Scheu haben, sich zu bedienen, erläutern Julia Vogt und Verena del Castello.
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Grundsätzlich haben die Veranstalterinnen keine Sorgen, dass Missbrauch mit den gespendeten Gaben betrieben wird, etwa wenn Zweifel an der Bedürftigkeit von Mitbürgern bestehen. Sie seien nicht „blauäugig“ und wüssten, dass „Missbrauch nie ausgeschlossen werden kann“, hoffen aber auf das gute Miteinander, das auch der Hintergrund der Nachbarschaftshilfe sei.
Kritik: Andere Organisationen können Bedürftigkeit einschätzen
Es gibt Städte, in denen solche Initiativen bereits wieder eingestellt worden sind, weil die Hilfe nicht diejenigen erreicht hatte, die gemeint waren. Das Argument: Spenden sollten an Organisationen gehen, die unmittelbar mit Notleidenden in Kontakt stehen und die deren Bedürftigkeit einschätzen können. Claudia Kretschmer von der Evangelischen Sozialberatung (ESB) Bottrop begrüßt einerseits die Gabenzaun-Initiativen und das ehrenamtliche Engagement, denn „Solidarität ist gerade jetzt besonders wichtig“ und könne Bewusstsein für Hilfsbedürftigkeit schaffen. Andererseits kann sie die Kritik verstehen. Sie verweist auf die Bottroper Tafel, die zurzeit noch gut beliefert werde und auch unbürokratisch helfen könne. Wer bedürftig sei, solle dorthin gehen.
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Die Cyriakus-Gemeinde hat mit „ein Auge“ auf die Aktion und nimmt abends die nicht abgeholten Spendentüten ab, bewahrt sie in der Kirche auf und hängt sie morgens wieder an den Zaun.
Das Kooperationsprojekt wird unterstützt von der Stadt Bottrop, der Cyriakus-Kirche, der Nachbarschaftshilfe Bottrop und der Corana-Elterngruppe Bottrop.