Bottrop. Die Stadt Bottrop warnt wegen zu hoher Giftstoffe verstärkt vor dem Verzehr von Gartengemüse. Behörden ordnen der Kokerei neue Sanierungen an.
Die Stadt erneuert vorsorglich ihre Warnung, Gemüse aus Gärten im Bottroper Süden zu verspeisen und erweitert das betroffene Gebiet um zwei zusätzliche Stadtquartiere. Das Gemüse sei weiterhin zu stark mit krebserregenden Schadstoffen wie Benzo(a)pyren belastet. In den von der Verzehrwarnung betroffenen Stadtteilen wohnen rund 16.000 Menschen. Als Hauptverursacherin für die Schadstoffbelastung benennt das Landesumweltamt die Kokerei Prosper. „Wir haben hohe Werte, wenn der Wind aus Richtung Kokerei kommt“, sagte Abteilungsleiterin Angelika Notthoff.
Oberbürgermeister Bernd Tischler kritisierte die Leitung der Kokerei: Sie habe ihre Zusagen nicht eingehalten, schnell für eine Verbesserung der Lage zu sorgen. So sei erst gegen Ende des vorigen Jahres begonnen worden, defekte Türen der Koksöfen auszuwechseln. „Viel zu spät“, sagte Tischler. Die defekten Türen gelten als ein wesentlicher Grund für den zu hohen Schadstoffausstoß im Umkreis des Betriebes. „Diese Verzögerungen sind ausgesprochen ärgerlich. Sie schaden den Bürgern und der Umwelt“, sagte der Oberbürgermeister. Die Kokereileitung setze auch Arbeitsplätze aufs Spiel.
Warnung für Gemüseverzehr im Bottroper Süden gilt schon fast ein Jahr lang
Die Verzehrwarnung für selbst angebautes Gemüse in den Bottroper Stadtteilen Welheim, Welheimer Mark und Teilen Batenbrocks gilt bereits sei fast einem Jahr. Sie ist das Resultat einer Untersuchung, bei der das Landesumweltamt an 17 Messpunkten im Umkreis der Kokerei den Schadstoffbelastung an Grünkohlpflanzen analysiert hatte. Die höchsten Belastungen wurden dabei nördlich und nordöstlich der Kokerei in Welheim erfasst. Auch das Landesumweltamt rät, die Verzehrwarnung für Gemüse weiterhin zu beachten.
Neu ausgesprochen wird die Warnung nun auch für ein Wohnquartier nördlich der Horster Straße bis zur Kraneburgstraße, weil das Landesumweltamt in neuen Überprüfungen auch dort an Gemüse hohe Schadstoffe festgestellt hat. Neu ist die Warnung auch für ein Wohngebiet westlich der Tetraeder-Halde zwischen Devenstraße und Korzmannstraße.
Die Umweltbehörde empfiehlt weitere Schadstoffuntersuchungen auch in diesem Jahr vorzunehmen. Gutachterin Katja Hombrecher rät, dabei auch Messstellen nördlich der Kraneburgstraße einzurichten. Sie fasst dabei auch eine zusätzliche Messstelle in der Kleingartenanlage „An der Boye“ ins Auge. Auch in Batenbrock sollte das Untersuchungsgebiet weiter nach Westen ausgedehnt werden und Hausgärten umfassen.
Aufsichtsbehörde ordnet bis Juli weitere Sanierungen an
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Die Bezirksregierung Münster schreibt der Kokerei unterdessen weitere Sanierungsmaßnahmen vor. Abteilungsleiterin Christel Wies kündigte weitere unangemeldete Kontrollen der Behörde an. „Der Betreiber ist für die Einhaltung der Zielwerte verantwortlich. Die Bezirksregierung Münster wird der Kokerei, wenn nötig kurzfristig weitere Vorgaben machen“, sagte sie. Mit dem bisherigen Vorgehen der Kokereileitung sei die Aufsichtsbehörde „überhaupt nicht zufrieden“, erklärte die Abteilungsleiterin. Denn die Kokerei haben im Jahresschnitt die Zielwerte für krebserregender Schadstoffe wie Benzo(a)pyren und weitere polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe (PAK) trotz der Forderungen der Behörden nach Verbesserungsmaßnahmen noch stärker überschritten als im Jahr zuvor.
Der Anordnung, alle schwer beschädigten Türen der Koksöfen auszuwechseln, sei das Unternehmen mittlerweile nachgekommen, erklärte sie. Das reicht der Bezirksregierung jedoch nicht aus. Bis zum 1. Juli 2020 soll die Kokerei nun außerdem Schäden an dem Gleisbett beheben, durch das die Türen automatisch vor die Koksöfen geschoben werden. Auch dort hatten Experten der Aufsichtsbehörde Mängel festgestellt. „Im dritten Quartal 2020 muss eine erneute Überprüfung der Wirksamkeit der Maßnahmen durch einen externen Gutachter erfolgen. Der Bericht des Experten ist der Bezirksregierung zeitnah vorzulegen“, erklärte die Vertreterin der Bezirksregierung.
„Wir handeln aus Vorsorge“, unterstrich Bottrops Umweltdezernent Klaus Müller. „Die Verzehrwarnungen können aber nur die zweitbeste Lösung sein, um der Bevölkerung Schutz zu bieten. Das kann in einem so großen Gebiet keine Dauerlösung sein“, betonte er und mahnte Verbesserungen der Kokerei an, die zu einem wirksamen Rückgang der Schadstoffbelastungen führen. Anders als sonst wollen die Umweltbehörden neue Schadstoffwerte für den Bottroper Süden daher diesmal schon zur Mitte des Jahres bekannt geben.
Das raten Stadt und Landesumweltamt
Gar nicht oder möglichst selten sollten die Bürger in den betroffenen Gebieten laut Empfehlung der Stadt zu Grünkohl, Mangold, Spinat, Pflücksalat, Feldsalat, Rucola, Rübstiel sowie Staudensellerie und auch nicht zu Kräutern greifen.
Weiterhin essen können die Anwohner nach Einschätzung des Landesumweltamtes dagegen zum Beispiel Kopfsalat, Weiß- oder Rotkohl und auch Wurzel- und Knollengemüse. Denn solche Gemüse seien weniger mit Schadstoffen aus der Luft belastet. Das gleiche gelte für Früchte, die die Anwohner ebenfalls weiterhin anbauen und verspeisen können. Sie sollten das Gemüse und die Früchte vor dem Verzehr allerdings auf jeden Fall sehr gut waschen oder auch schälen.