Bottrop. Hobby-Historiker trifft mit Vortrag über Geschäfte und Kneipen in Alt-Ebel einen Nerv. Bei den über hundert Zuhörer wurden Erinnerungen wach.

Ebel war nicht immer ein so verödet wirkender Stadtteil wie heute. Im Laufe der Geschichte gab es Gaststätten, Geschäfte und Dienstleister zuhauf. Der in Ebel geborene Hobbyhistoriker Helmut Brus belegte jetzt in seinem Vortrag „Geschäfte, Kneipen, Handwerk & Co. in der 120 Jahre alten Prosperkolonie“, dass es einst eine Infrastruktur gab, die es den Bewohnern ermöglichte, ihre täglichen Besorgungen und Bedürfnisse direkt vor Ort zu erledigen.

Heimatforscher geht ins Detail

Bauantrag (Ausschnitt) des Polizei-Sergeanten Heinrich Rotthäuser für Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses von 1902.
Bauantrag (Ausschnitt) des Polizei-Sergeanten Heinrich Rotthäuser für Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses von 1902. © Stadtarchiv

Anscheinend traf Brus damit den Nerv der Alt-Ebeler. Mehr als 100 Interessierte sorgten im Matthiashaus dafür, dass die Sitzgelegenheiten knapp wurden. Gabriele Sobetzko, Vorsitzende des Fördervereins Ebel, die Brus zu der umfangreichen Recherche „überredet“ hatte, war begeistert: „Wir haben nicht mit so viel Interesse gerechnet, so voll war die Hütte noch nie bei Vorträgen“.

Der Vortrag begann mit einem Überblick über die Lage und Straßen „der“ Ebel, deren Namen sich im Laufe der wechselvollen Geschichte mehrfach veränderten. Schließlich gehörte Ebel 1900 ursprünglich zu Borbeck, dann zu Essen und ab 1929 als jüngster Stadtteil zu Bottrop. Detailliert ging der Heimatforscher den rund 60 Geschäftsaktivitäten seit der Gründung vor 120 Jahren nach. Brus begann mit dem „Wichtigsten“, den „Kneipen“ für die durstigen Kumpel nach der Schicht, und erinnerte auch an die Ehefrauen, die dort ihre Männer abholten, um zu retten, was vom „Abschlag“ noch übrig war.

Letzte Gaststätte schloss 1977

Die letzte Gaststätte „Zum Lichtenhorst“ schloss 1977, heute gibt es das Feierabendbier nur noch am Sportplatz oder im Restaurant im Bernepark. Brus weiß auch: „Die Ebeler waren immer lustig, und wenn es keinen Grund gab zum Feiern, haben sie einen erfunden“ – und spielte damit auf die verfrühte „100-Jahr-Feier“ im Jahre 1965 an. Wichtig waren auch die „Buden“, an der die Bergleute ihren Durst nach (oder auch vor) der Schicht stillten, die Kinder kauften dort ihre „Klümpkes“. Zwei Buden existieren noch, darunter die Trinkhalle von Gabi Krampe, die „Institution von Ebel.“

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Bezüglich der Grundnahrungsmittel waren viele Selbstversorger. Gärten sorgten für Obst und Gemüse, dazu kamen Hühner, Kaninchen, Tauben oder das „Bergmannsschwein“. Andere Lebensmittel wurden bei einigen Bäckern, Metzgern oder beim „Konsum“, dem späteren Bohlmann & Sohn besorgt. Es gab Schneider, Schuster oder Friseure. Die medizinische Versorgung lief über Ärzte in Dellwig oder Lehmkuhle, allerdings gab es über wenige Jahre einen Zahnarzt im Ortsteil, bei dessen Praxisfotos nicht nur bei Brus unangenehme Erinnerungen auftauchten. Da es in Ebel „viele Menschen, damit auch viele Kinder gab“, waren meist mindestens zwei Hebammen ansässig. Auch eine „Badeanstalt“ existierte bis 1959, in der man für 10 Pfennige „brausen“ konnte. Poststellen oder Sparkassenfiliale sind seit langem verschwunden.

Zuhörer tauschen sich untereinander aus

Der Kindergarten St. Matthias löste die „Kleinkinderbewahrschule“ von 1904 ab. Die Ebelschule war viele Jahre streng getrennt in einen evangelischen und katholischen Teil, heute hat die Schillerschule einen Nebenstandort in Ebel. Brus lieferte unendlich viele Details, Fotos und Dokumente. Oft gab es beifälliges Nicken oder Gemurmel, wenn Orte oder Namen erkannt wurden, die mit eigenen Erinnerungen verknüpft wurden. Neben der Neugier auf den Vortrag nutzten auch viele Ebeler und Ehemalige die Gelegenheit, fast vergessene Erinnerungen lebendig werden zu lassen und mit Bekannten auszutauschen. „Hier ist es immer spannend bei den Vorträgen“, meinte Dieter Kabuth, der mit Peter Pawliczek „die alten Zeiten und Bekannten“ genoss.

Neuer Zyklus in Arbeit

Auch Filmemacher Christoph Hübner, ein alter Bekannter in Ebel, war mit seiner Kamera und seiner Partnerin Gabriele Voss vor Ort. Er arbeitet an einem neuen Zyklus über den Alltag und die Veränderungen in Ebel in den letzten 40 Jahren.

Christoph Hübner hat schon mehrere Dokumentarfilme über Prosper/Ebel gedreht.