Bottrop. Der Vermieter von Anneliese Wegner hat Eigenbedarf angemeldet. Ihre Familie kämpft für die Seniorin, die sich einen Auszug nicht vorstellen kann.
„Ich bleibe noch hier“, sagt Anneliese Wegner schlicht. Und meint ihre Wohnung, in der die 94-Jährige seit 64 Jahren zur Miete lebt. Doch genau dafür muss sie, muss ihre Familie jetzt kämpfen: Ihr Vermieter hat Eigenbedarf angemeldet und ihr gekündigt. Nur noch bis zum 31. August soll sie in ihren vier Wänden bleiben dürfen, die ihre Heimat sind. „Wo soll ich denn hin?“ fragt die alte Dame.
Einzug ins Zweifamilienhaus im Jahr 1956
1956 sei sie mit Ehemann Georg, der 2003 verstarb, in das Zweifamilienhaus in Batenbrock eingezogen, „da waren unten im Erdgeschoss mein Cousin und seine Frau“, erinnert sich Anneliese Wegner. „Wir haben uns immer gut verstanden.“ Ihr Mann habe tatkräftig mitgeholfen, das Haus überhaupt aufzubauen. Und indirekt auch bei der Finanzierung, berichtet Enkel Dirk Kerwer. „Opa war Vertriebener aus Pommern. Und es gab Vergünstigungen, wenn man einen Vertriebenen aufnahm.“
In der 86 Quadratmeter großen Wohnung im ersten Stock sind ihre Kinder groß geworden und auch der Enkel. Feste wurden dort gefeiert, Erinnerungen sind hier lebendig. Und die Seniorin, die einen Rollator hat, findet sich hier gut zurecht. „Sie führt für eine 94-Jährige ein relativ selbstbestimmtes Leben“, sagt Kerwer. Mit Hilfe von Pflegedienst, Essen auf Rädern und Unterstützung im Haushalt. Sie sei noch zu fit fürs Altenheim, sage seine Oma immer.
Kündigung im November ausgesprochen
Ihrem jetzigen Vermieter, Enkel des inzwischen verstorbenen Cousins, gehöre das Haus seit rund zwei Jahren. Er lebe mit Frau und Kind im Erdgeschoss, habe bereits im Sommer den Eigenbedarf angesprochen. „Aber Oma hat klar gesagt, sie möchte hier wohnen bleiben“, betont Kerwer. Dann sei im November die Kündigung ausgesprochen worden.
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„Wir werden alles dafür tun, dass du hier wohnen bleiben kannst“, verspricht Enkel Kerwer seiner Großmutter. So hat sich die Familie dazu entschlossen, mit dem Fall an die Öffentlichkeit zu gehen. Es gibt schon viele Reaktionen – „aus der Bevölkerung ist absoluter Zuspruch gekommen“ – , aber nicht die erhoffte vom Vermieter. Vermisst habe er auch Reaktionen aus der Politik oder vielleicht vom Oberbürgermeister darauf, wie man mit Menschen in der Stadt umgehe, sagt Kerwer. Gegenüber dem Vermieter, den die WAZ-Redaktion vor Ort nicht angetroffen hat, sei die Familie auch weiter zum Gespräch bereit.
Soziale Härtegründe angeben
Grundsätzlich kann ein Mieter einer Eigenbedarfskündigung widersprechen, indem er sich auf Härtegründe beruft, sagt Claus O. Deese, Chef des hiesigen Mieterschutzbundes. „Hohes Alter alleine schützt nicht mehr“, so Deese. Soziale Härtegründe wären aber etwa Verwurzelung im Umfeld, ein lang andauerndes Mietverhältnis, erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen. Geht das Ganze vor Gericht, müsse der Mieter dort seine möglichen gesundheitlichen oder psychischen Probleme unter Beweis stellen. „Das geschieht in der Regel im Rahmen eines Gutachtens“, so Deese.