Bottrop. Die Bottroper Ilco-Selbsthilfegruppe unterstützt Stoma-Träger und kämpft gegen Tabus. Nach zehn Jahren hat sie nun eine neue Leiterin bekommen.

In Deutschland gibt es nach Schätzungen der Selbsthilfevereinigung Deutsche Ilco mehr als 150.000 Stomaträger, also Menschen mit künstlichem Darmausgang oder künstlicher Harnableitung. Keine kleine Zahl, dennoch sagt Trudie Czybulka, neue Leiterin der 30-köpfigen Bottroper Ilco-Gruppe: „Unser größtes Problem ist, dass unser Thema nicht gesellschaftsfähig ist.“ Das möchte sie mit ihren Mitstreitern gerne ändern.

Der Besuchsdienst der Bottroper Ilco-Gruppe (v.li.): Christel Resky, Gertrudis Huwers, Günter Kochmann, Gabi Duda und Jürgen Heckmann.
Der Besuchsdienst der Bottroper Ilco-Gruppe (v.li.): Christel Resky, Gertrudis Huwers, Günter Kochmann, Gabi Duda und Jürgen Heckmann. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Viele haben falsche Vorstellungen

Trudie Czybulka (61) und ihre Vorgängerin Margret Peters (66), die die Bottroper Gruppe zehn Jahre lang leitete, gehen davon aus, dass die meisten Menschen keine richtige Vorstellung von künstlichen Darmausgängen haben. „Die Vorstellung ist vielleicht die von einem Loch im Bauch, aus dem Stuhl kommt – und es stinkt“, meint Czybulka. Letzteres stimmt definitiv nicht. Wenn man im Gespräch erwähne, Stomaträger zu sein, werde das oft kaum geglaubt: „Das sieht man Ihnen nicht an“, heiße es dann gern. Dabei betont die 61-Jährige: „Wir tun alles, was andere auch tun. Wir gehen essen, feiern, tanzen, schwimmen, fahren in den Urlaub.“ Immer dabei ist ein Notfallpaket, um den stets unter der (bequemen und kaschierenden) Kleidung zu tragenden Versorgungsbeutel bei Bedarf wechseln zu können.

Eine Sache, die Stomaträger nicht tun sollten, ist schwer zu heben. Denn die Bauchdecke ist durch den Ausgang instabil, es kann zu Hernien (Bauchwandbrüchen) kommen. „Man sollte auch auf seine Ernährung achten. Es gibt zwar keine spezielle Diät, aber man soll gut kauen und keine faserreichen Sachen essen“, ergänzt Margret Peters. Letztlich gelte es aber für jeden, auf den eigenen Körper zu hören.

Es macht zunächst Angst

Klar müsse man am Anfang lernen, mit der Versorgung des künstlichen Ausgangs umzugehen, weiß Peters, die aufgrund der entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn seit 27 Jahren mit einem Stoma lebt. Und zwar gut, wie sie betont. Trudie Czybulka hatte eine Inkontinenz so zu schaffen gemacht, dass sie sich nach vielen anderen Therapieversuchen bis hin zum Darmschrittmacher letztlich freiwillig für den künstlichen Ausgang entschied. Dennoch weiß sie: „Es macht Angst.“

Stoma-Beutel, wie sie die Betroffenen immer zum Wechseln bei sich tragen.
Stoma-Beutel, wie sie die Betroffenen immer zum Wechseln bei sich tragen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Nicht wenige, die vor der Stoma-Operation stehen oder sie gerade hinter sich haben, seien zunächst einmal niedergeschlagen, hätten vielleicht mit Anfangsproblemen zu kämpfen. Der Austausch von Informationen und Erfahrungen in der Selbsthilfegruppe könne für sie und auch für ihre Angehörigen da eine große Hilfe sein.

So berichtet eine Dame aus der altersgemischten Runde: „Ich hatte 50 Jahre Colitis ulcerosa, 2012 wurde mir der Dickdarm entfernt. Ich war ganz schlecht dran – mir hat die Gruppe unheimlich geholfen. In den letzten fünf Jahren geht es mir so gut, wie es mir 50 Jahre nicht gegangen ist.“ Eine andere Teilnehmerin kommt zu den Treffen, weil ihre 90-jährige Mutter betroffen ist. „Diese Gruppe hilft mir unheimlich überhaupt zu erkennen, was meine Mutter hat.“ Viele schätzen die Möglichkeit, bei akuten Fragen jederzeit jemanden aus der Gruppe kontaktieren zu können. Und loben nicht zuletzt die Geselligkeit.

Rat für frisch Operierte

Neben Feiern zu Weihnachten oder runden Geburtstagen versuchen die Verantwortlichen aber vor allem, Experten zu ihren Themen in die Gruppenabende zu holen: Mediziner, Vertreter von Versorgungsfirmen, Stomatherapeuten, Pflegedienste. Öffentliche Auftritte sind Trudie Czybulka, die auch Regionalsprecherin im Bereich Ruhr Emscher Lippe ist, wichtig. „Am 26. Januar beteiligen wir uns an der ersten Bottroper Fitness- und Gesundheitsmesse“, nennt sie ein Beispiel.

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Zudem setzt sich aus den Reihen der Selbsthilfegruppe ein Besucherdienst zusammen, der betroffene, frisch operierte Patienten im Krankenhaus aufsucht und ihnen mit Rat und Tat zur Seite steht. „Über die Jahre sammelt man immer mehr Erfahrungen mit dem Stoma“, sagt Margret Peters. Die wollen die Ehrenamtlichen gerne weiter geben.

„Wichtig ist für uns Offenheit“, fasst Trudie Czybulka zusammen. „Dann lebt man am besten damit. Das ist meine Devise.“

Für Stomaträger und Darmkrebspatienten

Die Bottroper Selbsthilfegruppe der Deutschen Ilco trifft sich jeden ersten Montag im Monat um 17 Uhr im Gemeindehaus der evangelischen Gnadenkirche, Gladbecker Straße 258. Alles, was bei den Treffen besprochen wird, bleibt auch dort und wird vertraulich behandelt.

Angesprochen sind Stomaträger, Menschen mit Darmkrebs und ihre Angehörigen. Interessierte können sich an Gruppenleiterin und Regionalsprecherin Trudie Czybulka wenden, 02041 9 31 15, E-Mail tczybulka@unity-mail.de.

Die Deutsche Ilco wurde 1972 gegründet und hat bundesweit etwa 7000 Mitglieder. Der Name leitet sich von den Anfangsbuchstaben der medizinischen Bezeichnungen für Dünndarm (Ileum) und Dickdarm (Colon) ab. Die Bottroper Gruppe gibt es seit 2004. Allgemeine Infos gibt es aufwww.ilco.de