Bottrop. Bottrops Kulturbauten sind gelungene Beispiele zeitgenössischen Bauens. Der Architekt Norbert Verfürth über Architektur in seiner Heimatstadt.
Nicht erst seit dem Bau-Boom, den die Nullzinspolitik der letzten Jahre auslöste, stellt sich verstärkt die Frage nach guter und prägender Architektur in der Stadt. Auch Bottrop hat neben Bausünden auch klassisch gute Bauten aufzuweisen. Und dabei handelt es sich nicht nur um exponierte Werke des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts in Gestalt der großen Kirchen, Stadtvillen oder dem Rathausviertel.
Im Gespräch nennt der bekannte Bottroper Architekt Norbert Verfürth einige aus seiner Sicht besonders gelungene Beispiele der jüngeren Zeit, erläutert aber auch, warum er zum Beispiel den ZOB im Gegensatz zu vielen anderen in der Stadt für gelungen hält.
Was bedeutet für Sie gutes Bauen in einer Stadt?
Norbert Verfürth: Neues muss meiner Meinung nach behutsam eingefügt werden. Es geht immer auch um Maßstäbe und Dimensionen. Denken Sie an den früheren ,Konsum’, der architektonisch in das Wohnumfeld integriert war, und vergleichen Sie das mit den heutigen ausufernden Hallen. Aber auch bei der klassischen Industriearchitektur oder Arbeiterkolonien haben die alten ,Zechenbarone’ Wert auf Ästhetik, ein geschlossenes Gesamtbild gelegt. Denken Sie an das Gelände zum Beispiel von Arenberg Fortsetzung und vergleichen Sie das mit den Knippenburgareal. Als die Burg weg war - ich habe den Abriss als Kind erlebt - entstanden da nur gesichtslose Hallen. Oder: Wenn ein Dorfkern da ist, sollte man den nicht verwechseln mit einem Stadtzentrum.
Denken Sie da an bestimmte Ortsbilder in der Stadt?
Ich möchte niemandem zu nahe treten, aber in Kirchhellen ist sicher nicht alles optimal gelaufen. Aber auch auf die Bottroper Einfallsstraßen sollte man großes Augenmerk legen. Dort entsteht ja der berühmte erste Eindruck, den man von einer Stadt hat und der könnte von Süden kommend schon unverwechselbarer sein. Vielleicht gibt es noch eine Chance für etwas Gutes gegenüber von Brabus, auf dem alten Sackers-Gelände...
Wie sehen Sie die Bottroper Neubauten der letzten Jahre und die gerade entstehenden Bauten?
Martinszentrum und die Erweiterung des Kulturzentrums sehe ich als absolut gelungen an. Das Kulturzentrum ist bei der Fassadengestaltung zurückhaltend, das Holz als Material gefällt mir. Beim Martinszentrum ist zum Beispiel auch die neue Platzsituation ideal gelöst.
Und das erweiterte Museum Quadrat?
Da stimmen die Maßstäblichkeiten, es ist absolut gelungen, was die Proportionen angeht, aber auch die sehr zurückgenommene Fassadengestaltung.
Der ZOB und verkleinerte Berliner Platz treffen ja nicht überall auf Zustimmung...
Ich weiß. Aber die funktionale Riegellösung mit den Durchblicken gefallen mit persönlich durchaus. Der Berliner Platz hat eine gute Größe und jetzt kommt es nur noch auf die Fassadengestaltung des Hanszentrums an. Die und eine gute Eingangssituation sollten den Platz unbedingt aufwerten. Wenn diese Lücke geschlossen ist, hätte die City einen geschlossenen, kompakten fußläufigen Rundparcours. Das ist doch ein enormer Vorteil gegenüber den Städten, die nur eine einzige lange Einkaufsstraße haben.
Wie kann das Thema Umwelt und Klimaschutz beim Bauen in Bottrop eine größere Rolle spielen? Müsste nicht Flächenentsiegelung ein wichtigeres Thema sein?
Im Stadtkern ist Versiegelung sicherlich kaum aufzuhalten. Eine Verdichtung der Bebauung finde ich aber besser, als noch mehr Flächen an den Rändern zu opfern. Holz als nachhaltiges umweltfreundlicheres aber auch langlebiges Baumaterial könnte sicher eine größere Rolle spielen. Und: Man sollte hier nicht zu hoch bauen. Was in den 60er und 70er Jahren geschah, mit acht, neun Geschossen, sollte nicht wiederholt werden.
Haben Sie einen Lieblingsbau oder ein Projekt, das Sie in Bottrop gerne verwirklicht hätten?
Lachen Sie nicht, aber in der City gefällt mir das „Extrablatt“ mit seinem ovalen Grundriss und als Kontrapunkt zur Umgebung sehr gut. Dann hätte ich gerne meine Pläne eines ungewöhnlichen Baus an der A42-Auffahrt verwirklicht, leider gelang das nicht. Und ich glaube, das neue Pfarrzentrum von St. Cyriakus am Kirchplatz könnte gut werden. Da fand ich auch den diskussionsfreudigen Planungsprozess äußerst positiv. Architektenbüros könnten oft mehrere Planvarianten einreichen, es muss ja nicht immer ein teurer Wettbewerb sein.
Ein Prestigeprojekt des Architektenbüros VSI entsteht derzeit in Essen
Übrigens: Das Architektenbüro VSI von Norbert Verfürth hat seinen Sitz in der denkmalgeschützten historischen Villa Dickmann in Bottrop.
Eines der prominentesten Vorhaben des Büros ist derzeit vielleicht der neue 17-geschossige Wohnturm und das benachbarte Bürogebäude, das zurzeit im neuen Huyssen-Quaratier an der Essener Huyssenallee südlich des Hauptbahnhofs entsteht. Gegenüber liegen die markanten Essener Kulturbauten, Philharmonie und Aalto-Theater.