Bottrop. Die Bezirksregierung Münster droht Arcelor Mittal mit neuen Auflagen. Sie will erreichen, dass die Türen der Koksbatterien dichter schließen.
Die Bezirksregierung Münster wird gegen den Kokerei-Betreiber Arcelor-Mittal eine Ordnungsverfügung erlassen. Beim zweiten Runden Tisch zur Kokerei im Ratssaal verkündete Christel Wies, Abteilungsleiterin für Umwelt und Arbeitsschutz, bei der Bezirksregierung Münster die Nachricht.
Auch für 2019 wird der Zielwert von einem Nanogramm pro Kubikmeter (1ng/m³) von Benzo(a)pyren mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut überschritten. Und das, obwohl laut Betreiber die Maßnahmen für eine Verringerung des Ausstoßes umgesetzt worden sind. „Die Herausforderung den Zielwert einzuhalten, richtet sich an den Betreiber“, sagte Wies in ihrem Statement. „Wir sind überhaupt nicht zufrieden.“
Eine Reihe von Auflagen
Sie erinnerte an die Vereinbarung zur Verringerung des Ausstoßes, die zwischen der Bezirksregierung und Arcelor-Mittal Bremen als Betreiber der Kokerei getroffen wurde. Laut einer gemeinsamen Pressemitteilung von Stadt und Bezirksregierung sei Arcelor-Mittal eine Möglichkeit zur Stellungnahme bis zum kommenden Dienstag, 10. Dezember, eingeräumt worden. Danach werde die Verfügung zeitnah erlassen.
Die Konsequenzen der Ordnungsverfügung: stringente Fristen und sehr konkrete Maßnahmen. Eine Reihe von Auflagen wird auf die Kokerei zukommen. So werden die Intervalle zum Austausch der Türen vorgegeben, Vorgaben zur Erneuerung des Gleisbettes gemacht und verstärkt Schulungen der Mitarbeiter gefordert. „Wir werden den Betreiber der Kokerei noch wesentlich enger begleiten, als wir es bisher getan haben“, betonte Wies.
Schneller Austausch von beschädigten Ofentüren
Dem Betreiber soll zum Beispiel der zügige Austausch von stark beschädigten Ofentüren bis zum 31. Januar 2020 vorgegeben werden. Bis Ende März 2020 muss Arcelor-Mittal sicherstellen, dass ein Austausch einer defekten Türe künftig sofort am Folgetag vorgenommen wird.
Hintergrund der Anordnungen ist ein externes Gutachten, welches die Kokerei-Öfen als Hauptemissionsquelle für krebserregendes Benzo(a)pyren ausgemacht hat. Weitere Messungen im Umfeld der Anlage werden fortgeführt. Außerdem wird die Bezirksregierung die Kokerei weiterhin mit angemeldeten und unangemeldeten Kontrollen überwachen.
„Wir werden die Produktion um 30 Prozent zurücknehmen“
Kokerei-Chef Jörn Pufpaff kündigte an: „Wir werden die Produktion zu 30 Prozent zurücknehmen.“ Benzo(a)pyren sei zurzeit das wichtigste Thema für die Kokerei. „Das ist unsere Hauptsorge und da sind wir mit aller Ernsthaftigkeit dran.“ Ein Mann aus dem Publikum wollte wissen, was passiert, wenn die Vorgaben wieder nicht eingehalten werden würden? „Dann wären Geldstrafen fällig“, sagte Wies.
Klaus Müller, Technischer Beigeordneter der Stadt, erläuterte die Messungen an den Staubmessstationen in Batenbrock und Welheim, die vom Hygieneinstitut Gelsenkirchen betreut wurden. Ab dem Sommer konnte man „leider mit einer Messstation nicht weiterarbeiten“, so Müller. Die vorliegenden Daten bezogen sich letztlich auf nur eine Messstelle und fielen unerwartet exorbitant aus dem Messrahmen. „Da muss etwas schief gelaufen sein bei der Messung. Es kamen Werte heraus, die in keinster Form plausibel sind“, sagte der Technische Beigeordnete.
Um die Messung fachgerecht weiter durchzuführen, hat die Bezirksregierung Münster zugesagt, dass das Landesumweltamt in den kommenden Monaten weitere Staubmessungen durchführen und an noch mehreren Standorte für Messstellen einrichten wird.
Petrolkoks: Genehmigung wird überprüft
Zum umstrittenen früheren Kokerei-Einsatz von Petrolkoks, der inzwischen als gefährlicher Abfall eingestuft ist, erklärte Angelika Notthoff vom Landesumweltamt, dieser habe während seiner Nutzung in den Jahren 2015 bis 2017 nicht zu erhöhten Schwermetallwerten in der Umgebung geführt. Die Genehmigung, dass die Kokerei Petrolkoks einsetzen darf, besteht aus dem Jahr 1998. Nach Kritik vonseiten der Anwohner kündigte die Bezirksregierung an, diese Genehmigung und das Verfahren noch einmal zu prüfen.
Mehr als drei Stunden leitete Oberbürgermeister Bernd Tischler den Bürgerdialog mit zahlreichen Wortmeldungen aus dem Publikum. Die Töpfe 3 (Staubbelastungen) und 4 (Einsatz von Petrolkoks) der Tagesordnung erhitzten besonders die Gemüter, der ansonsten fair geführten Diskussionen. Nur gelegentlich glitt der Dialog ins Persönliche ab. So wurde das Vorgehen der Kokerei-Leitung als „erbärmlich“, „kriminell“ und „ohne Rücksicht auf die Gesundheit der Menschen“ bezeichnet. Den Vorwurf aus dem Publikum, dass die Bezirksregierung „alles durchwinken“ würde, wies Christel Wies entschieden zurück. Ein dritter Runder Tisch ist für das Frühjahr 2020 geplant. Ein genauer Termin muss noch gefunden werden.
Stadt warnt vor Verzehr von in der Nachbarschaft angebautem Gemüse
Aufgrund der PAK-Belastung hatte die Stadt Bottrop im Frühjahr vorsorglich eine Verzichtsempfehlung für den Verzehr von selbst angebautem Gemüse ausgesprochen. Das Lanuv kündigte an, seine Messungen auf Schwermetalle und Staub fortzusetzen.
Untersuchungen des Grund- und Regenwassers
Im Umkreis der Kokerei wurden im Radius von bis zu zwei Kilometern insgesamt fünf Grundwasserproben (Steigerstraße, Speckenbruch, Klopriesstraße, In der Welheimer Mark, Johannesstraße) entnommen und auf die Stoffgruppe der polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) analysiert. Es konnten bei den fünf Entnahmen keine Verunreinigungen von PAK nachgewiesen werden.
Auch auf dem Gelände der Schule Welheim wurde Regenwasser im Zeitraum vom 23. September bis 7. Oktober gesammelt und dem Labor Biomar in Gladbeck zur Analyse übergeben. Auch hier wurden keine Verunreinigungen von PAK gefunden.