Bottrop. Der frühere „Linken“-Ratsherr, Sahin Aydin, forscht über den „Kapp-Putsch“ von 1920. Im Staatsarchiv Münster fand er jetzt ein seltenes Bild.

Auch rund 100 Jahre nach den blutigen Ereignissen des Ruhrkampfes bewegen die Ereignisse von damals noch viele Gemüter. Die Deutungshoheit über die Kämpfe nach dem Untergang des Kaiserreiches über die Ausrichtung, die die junge Republik damals nehmen sollte, bewegen nicht nur die Wissenschaft, sondern auch viele historisch Interessierte. So auch den Bottroper Sahin Aydin. Dabei ist es keine Geheimnis, dass Aydin sich dem linken Lager zugehörig fühlt, bezeichnet sich der frühere „Linken“-Ratsherr als Marxist aber immer auch als historisch interessierter Mensch.

Die Bottroper Kämpfer der Roten Ruhrarmee

Derzeit arbeitet er an einer Schrift über die Kämpfe der frühen 1920er Jahre im Ruhrgebiet, speziell in Bottrop. Wenn sich im nächsten März der so genannte „Kapp-Putsch“ zum 100. Mal jährt, hofft auch Aydin, etwas mehr über diese blutigen Versuch nationalkonservativer Gruppierungen, die junge Weimarer Republik zu beseitigen. Das „linke“ Ruhrgebiet, also viele Arbeiter des Reviers, beteiligten sich am Generalstreik und dem Ruhraufstand, den kämpfen der so genannten Roten Ruhrarmee.

Sahin Aydin mit dem aufgetauchten Foto der Kompanie Kunstmann und dem alten Gesellenhaus. Davor hatten sich die Kämpfer der Roten Ruhrarmee 1920 in Positur gestellt.
Sahin Aydin mit dem aufgetauchten Foto der Kompanie Kunstmann und dem alten Gesellenhaus. Davor hatten sich die Kämpfer der Roten Ruhrarmee 1920 in Positur gestellt. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Bei seinen Forschungen in zahlreichen Archiven der Region ist es Sahin Aydin in Münster gelungen, eine der wenigen überlieferten Fotografien dieser Zeit mit Bottroper Bezug ausfindig zu machen. „Im Staatsarchiv gibt es Bild der so genannten Kompanie Kunstmann, benannt nach dem linken Bottroper Kämpfer Willy Kunstmann, das man mir zur Verfügung gestellt hat“, so der Hobby-Historiker. Stationiert gewesen sei die Kompanie zwischen Wesel und Schermbeck, wie auch aus den Totenscheinen der Mitglieder hervorgeht, die dort kämpften, so Aydin. Viel sei nicht von dieser Kompanie bekannt, eine andere Bottroper Kompanie habe noch einmal einen eigenen Namen gehabt, sagt Aydin. Bei der Identifizierung des Standortes der Kämpfer habe ihm Dieter Hönscher geholfen, ebenfalls Hobby-Historiker, der sich vor allem mit alten Bottroper Straßenzügen und Häusern auskennt. „Er erkannte anhand von Fensterachsen und Teilen eines Schildes an der Fassade das alte Bottroper Gesellenhaus in der Innenstadt, etwas dort, wo heute das SPD-Büro ist“, sagt Sahin Aydin.

Spitzel und Intriganten in Bottrop

In Münster liegen auch die Akten des „Büros Kölpin“. „Dahinter steckt der Polizeibeamte Heinz Kölpin, der unzählige Fakten, Namen, Adressen oder Kontakte vor allem auch über die Kämpfer der Roten Ruhrarmee mit Hilfe von Spitzeln gesammelt hat und diese dem Gegner zu Verfügung stellte, so Aydin. Später solle der auch für die Gestapo gearbeitet haben. Auch Bottrop habe natürlich Spitzel gehabt, so Aydin. Einer habe zur Tarnung sogar eine Bücherei betrieben.

Fest steht, dass Aydin sich nicht nur mit einem facettenreichen Thema auseinandersetzt, sondern sich vor allem viel Arbeit vorgenommen hat. Archivarbeit ist mühsam. Dafür kommt er in der gesamten Region herum, sucht Hinweise vor allem auch in Zeitungsberichten über die Geschehnisse vor rund 100 Jahren. „In Bottrop gab es damals nur die Volkszeitung, und da stand wenig über diese Ereignisse, andere Blätter, die in Essen, Gelsenkirchen, Duisburg oder Oberhausen erschienen sind, berichteten intensiver.“ Das waren natürlich vor allem die „linken“ Zeitungen, von denen keine in Bottrop erschien ist.

Um die lokale Historie aufzuarbeiten sucht der Geschichtsforscher natürlich Hinweise oder Dokumente und Fotos aus dieser Zeit über die Ereignisse um den Kapp-Putsch in Bottrop (siehe Infobox). Vor alle die „linke“ Geschichte sei hier längst nicht umfassend erforscht.

Wer hat Zeitzeugnisse aus der Kapp-Putsch-Zeit?

Das aufgetauchte Foto der „Kompanie Kunstmann“ aus dem Staatsarchiv Münster war ein Zufall, über den sich Sahin Aydin natürlich freute. Für seine Arbeit über die Unruhen in Bottrop, vor allem den Kapp-Putsch, vor fast 100 Jahren sucht der Bottroper Fotos oder andere Zeitzeugnisse wie zum Beispiel Tagebücher, Briefe oder Notizen aus der Zeit mit Bottroper Bezug.

Wer Dinge oder Hinweise aus dieser oder über diese Zeit hat, kann sich sich per mail an Sahin Aydin wenden: