Bottrop-Kirchhellen. Mehr als 200 Landwirte trafen sich in Kirchhellen, um gegen die Agrarpolitik zu demonstrieren Sie fürchten, dass es zu einem Höfe-Sterben kommt.

Vor den Traktor, der den Kirchhellener Konvoi anführt, ist ein Transparent gespannt. „Ideologie macht nicht satt“, steht darauf. Auf einem anderen Plakat ist in knallroter Schrift zu lesen: „Hat der Bauer große Not, fehlt im Laden bald das Brot!“ Und der nächste Landwirt mahnt: „No Farmer, No Food, No Future“. Mehr als 200 Landwirte kamen in Feldhausen zusammen und reihten sich mit ihren Treckern in den Protestzug gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung ein. Die Große Koalition in Berlin gefährde mit ihrem Agrarpaket Existenzen, klagen sie an. „Erste Betriebe denken schon ans Aufhören“, sagt Ansgar Tubes, einer der Sprecher der bäuerlichen Protestorganisation „Land schafft Verbindung“.

Ihre Staffelfahrt führt die Landwirte quer durch NRW und eine Reihe von Ruhrgebietsstädten. Der Kirchhellener Konvoi fuhr durch Kirchhellen und Gladbeck und Bottrop über die B 224 zu einer Protestkundgebung am Berthold-Beitz-Boulevard in Essen. „Wir wollen uns Gehör verschaffen“, erklärt der Kirchhellener Tubes. Kanzlerin Angela Merkel, Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Umweltministerin Svenja Schulze sollten mit den Landwirten sprechen. „Bisher sprechen sie nur über uns“, ärgert sich Tubes.

20 Prozent weniger Düngung bedeutet 20 Prozent weniger Ertrag

Landwirte-Sprecher Ansgar Tubes aus Kirchhellen: Wir wollen uns Gehör verschaffen - bei Kanzlerin Merkel und den Ministerinnen Klöckner und Schulze.
Landwirte-Sprecher Ansgar Tubes aus Kirchhellen: Wir wollen uns Gehör verschaffen - bei Kanzlerin Merkel und den Ministerinnen Klöckner und Schulze. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Der Landwirt macht klar, dass Teile des Agrarpaketes den Landwirten wirtschaftlich schwer zu schaffen machen werden. „Wir sollen zum Beispiel um 20 Prozent weniger düngen. Das bedeutet, dass wir unsere Früchte nicht mehr richtig ernähren können. Die Folge ist 20 Prozent weniger Ertrag und Gewinn. Das können gerade die kleineren Betriebe einfach nicht stemmen“, meint der Kirchhellener. Also sei ein Höfe-Sterben geradezu vorprogrammiert.

Wie betroffen das Agrarpaket die Landwirte mache, zeige der enorme Zuspruch für die neue bäuerliche Protestorganisation „Land schafft Verbindung“. Sie sei erst im Oktober gegründet worden und in weniger als zwei Monaten gehören ihr bundesweit mehr als 100.000 Landwirte an. Die Bauern, die sich in Feldhausen trafen, kamen außer aus Kirchhellen auch aus den Kreisen Borken und Coesfeld. Für sie alle will die neue Protestorganisation auch Sprachrohr sein. „Uns geht es um alle Betriebe, ob Ackerbau oder Tierhaltung, ob klein oder groß“, erklärt Sprecher Tubes.

Ihren Gesprächspartnern bieten die Landwirte Knabbermöhrchen an

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Die Landwirte haben nicht nur Transparente vor ihre starken, schweren Maschinen gespannt, sie führen auch Kisten voller Informationsflyer, Gutscheine für Betriebsbesichtigungen und Gemüse mit. „Wir haben Möhrchen zum Knabbern dabei. Die bieten wir den Leuten gern an, um miteinander ins Gespräch zu kommen“, sagt Frank Kisfeld. Der Landwirt aus Vreden hatte sich auf dem großen Movie-Park-Platz an der Warner-Allee auf die Ladefläche eines Unimogs gestellt und instruierte seine Kollegen. „Erklärt den Leuten bitte kurz und knapp unsere Absicht“, rief er ihnen zu.

Frank Kisfeld (links) und Ansgar Tubes instruieren auf der Ladefläche eines Unimogs ihre Kolleginnen und Kollegen.
Frank Kisfeld (links) und Ansgar Tubes instruieren auf der Ladefläche eines Unimogs ihre Kolleginnen und Kollegen. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Denn Verständnis bei ihren Kunden und den Verbrauchern ist den Landwirten sehr wichtig. Es geht ihnen auch grundsätzlich um ihren guten Ruf. „Das Bauern-Bashing muss aufhören. Wir werden vom Insektensterben bis zur Gewässerverschmutzung für einfach alles Mögliche verantwortlich gemacht“, bedauert Ansgar Tubes. Dabei stehen gerade die Landwirte für saubere Trinkwasser und Grundwasser, für Insekten- und Artenschutz sowie lebendige Naturräume ein. „Wir haben unseren Beruf von der Pike auf gelernt. Wir haben ein mehrjähriges Studium absolviert. Wir wissen also, was wir tun“, betont der Kirchhellener Landwirt.

Bürokratiewahnsinn wächst kleineren Betrieben über den Kopf

Den wachsenden bürokratischen Aufwand, den die Agrarpolitiker und Umweltpolitiker verursachten, kritisiert Tubes ebenso. Von „Bürokratiewahnsinn“ spricht der Kirchhellener. „Ich bin doch lieber draußen auf dem Feld oder im Stall bei den Tieren als im Büro, wo ich den ganzen Papierkram erledigen muss“, meint Tubes. Gerade kleinen Landwirtschaftsbetrieben wachse die Bürokratie über den Kopf. Der Sprecher der Landwirte wird daher nicht nur zur Demonstration nach Essen fahren, sondern am Dienstag auch zu der bundesweiten Kundgebung in Berlin. Doch dazu lässt Tubes seinen Traktor dann stehen und nimmt den Zug.

Staffelfahrt führt durch NRW

In Berlin werden Bauern am Dienstag zwischen 12 Uhr und 15 Uhr vor dem Brandenburger Tor für mehr Verständnis für die Landwirtschaft werben. Ihre Organisation spricht von der wohl größten Kundgebung von Landwirten in der deutschen Geschichte. Es werden in Berlin mehrere tausend Traktoren und rund 20.000 Demonstrationsteilnehmer erwartet.

Bei der Staffelfahrt durch NRW wurden auch Briefe von Landwirten eingesammelt, die gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung protestieren. Der Bauern-Konvoi machte zum Beispiel auch in Köln, Düsseldorf, Essen, Dortmund, Hamm und Bielefeld Station.