Bottrop. Die Kokerei Prosper setzte den falschen Petrolkoks von Shell ein. Jetzt reicht es, fordern Bottrops Grüne. Denn das Material gilt als gefährlich.

Für die Bottroper Grünen ist bei der Kokerei Prosper wegen des Einsatzes von Raffinerie-Rückständen aus der Schwerölvergasung eine Grenze überschritten. „Jetzt reicht es. Die Gesundheit der Bottroper wird mit Füßen getreten, jetzt ist Schluss mit der Toleranz“, erklärte Grünen-Fraktionsvorsitzende Andrea Swoboda und fordert Aufklärung im Bottroper Gesundheitsausschuss. Denn das Landesumweltministerium stuft die in der Kokerei zeitweise eingesetzten Stoffe nach heutigem Kenntnisstand als „gefährlichen Abfall“ ein. Das Material war jedoch als Petrolkoks deklariert worden. Es stammte aus der Raffinerie des Mineralölkonzerns Shell in Wesseling.

Der Arcelor-Mittal-Konzern, dem die Bottroper Kokerei gehört, bestätigte auf Anfrage der WAZ-Redaktion, dass das Material in Bottrop eingesetzt worden war. „In und vor 2017 wurde auch Petrolkoks der Firma Shell eingesetzt. Die Verwendung von Petrolkoks ist von der Bezirksregierung genehmigt“, erklärte Marion Müller-Achterberg, die Leiterin der Unternehmenskommunikation von Arcelor-Mittal in Bremen. Auch Shell hatte erklärt, der „abfiltrierte Ruß“ aus der Raffinerie in Wesseling sei mit Genehmigungen der zuständigen Behörden genutzt worden. In einem Bericht des NRW-Umweltministerium heißt es allerdings, der Einsatz dieses Materials „hätte mit dem Wissen von heute nicht als Petrolkoks“ genehmigt werden dürfen.

Seit Anfang des Jahres wird Petrolkoks aus den USA nach zur Kokerei geliefert

Die Unternehmenssprecherin von Arcelor Mittal in Bremen macht klar, dass „im Rahmen des genehmigten Betriebs der Kokerei“ in Bottrop auch weiterhin Petrolkoks eingesetzt werde. „Petrolkoks besteht zu einem hohen Anteil aus Kohlenstoff, beinhaltet wenig Asche und flüchtige Bestandteile. Damit ist der Einsatz von Petrolkoks in Kokereien sehr hilfreich. Er hilft des weiteren den Druck innerhalb der Öfen zu minimieren und schützt damit das Mauerwerk. Damit trägt er indirekt dazu bei, die Dichtheit der Öfen zu verbessern und Emissionen zu mindern“, erklärte Marion Müller-Achterberg. Sie wies ausdrücklich daraufhin, dass die Stoffe entsprechend des Sicherheitsdatenblattes verwendet worden seien. „Der Zusatzstoff wird dabei im Rahmen der trockenen Destillation eingesetzt und nicht verbrannt“, betonte die Sprecherin.

Die Ölraffinerie von Shell in Wesseling bei Köln.
Die Ölraffinerie von Shell in Wesseling bei Köln. © imago stock&people | imago stock

Ein weiterer Kokereisprecher hatte im Sommer auf Nachfrage der WAZ-Redaktion erklärt, dass die Kokerei den Lieferanten von Petrolkoks gewechselt habe. „Wir beziehen seit einigen Monaten keinen Petrolkoks mehr von unserem bisherigen Lieferanten aus Deutschland. Seit Anfang dieses Jahres beziehen wir das Material allerdings von einem anderen Lieferanten aus den USA“, erklärte Carsten Pischla. Der Einsatz sei durch die Bezirksregierung Münster als beaufsichtigende Behörde genehmigt. „Der von uns eingesetzte Petrolkoks ist nach EU-Verordnung CLP1272/2008 als ungefährlich beziehungsweise ungiftig eingestuft“, betonte der damalige Kokereisprecher.

Bottroper ÖDP fühlt sich immer wieder an der Nase herumgeführt

Zuvor hatten Bürgerinitiativen und Anwohner aus dem Bottroper Süden ihre Sorge geäußert, dass auch in der Bottroper Kokerei anders deklarierte Raffinerie-Reste verbraucht würden. Parteien wie die DKP und auch die ÖDP griffen diese Sorgen auf. „Immer wieder haben sie uns an der Nase herum geführt“, stellt ÖDP-Ratsherr Johannes Bombeck nun fest. Die neuen Erkenntnisse trügen dazu bei, dass die Akzeptanz der Kokerei Prosper in Bottrop immer weiter abnehme.

„Zu allem schon vorhandenen Übel kommt immer noch ein Schlag drauf: Raffinerie-Rückstände des Mineralölkonzerns Shell sind auch in der Kokerei in Bottrop jahrelang verbrannt worden“, kritisiert auch Grünen-Ratsfrau Andrea Swoboda. Für die Bottroper Grünen sei schon das Umdeklarieren der Raffinerie-Rückstände rechtlich zweifelhaft. „Diese Praktiken erhöhen ohne Not im Umfeld der Kokerei die Belastung mit gesundheitsgefährdenden Luftschadstoffen“, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende.

Grüne sehen Stadt als Zuschauerin ohne Befugnis in der zweiten Reihe an

Dabei hätten die in Aussicht gestellten Verbesserungen und Optimierungen in der Kokerei bisher doch immer wieder neue Hoffnung geschürt. Bisher sei es immer darum gegangen, einen Ausgleich zwischen dem Gesundheitsschutz für die Anwohnerinnen in der Umgebung der Kokerei und den wirtschaftlichen Interessen des Konzerns Arcelor Mittal gegangen. Deren Kokerei mit ihren zahlreichen Mitarbeitern und einer erheblichen Wirtschaftskraft in Bottrop genieße von der Bezirksregierung ja auch einen Bestandsschutz. Andrea Swoboda: „Die Bottroper Kommunalpolitik und die Stadtverwaltung sind wie Zuschauer ohne Befugnis in der zweiten Reihe und versuchen händeringend trotzdem Verbesserungen für Mensch und Tier im Bottroper Süden zu erreichen“.

Bericht des NRW-Umweltministeriums

Ein Bericht, den NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) herausgab, legt offen, dass außer in einer Reihe von Kraftwerken auch in der Kokerei Prosper Raffinerie-Rückstände von Shell eingesetzt worden waren. Danach sind in den Jahren von 2015 bis 2017 rund 12.000 Tonnen des Materials, das heute als gefährlicher Abfall gilt, in der Kokerei verbraucht worden.