Bottrop. Neville Tranters „Babylon“ bei den Bottroper Figurentheatertagen: ein Cocktail aus Komödie, Tragödie, Persiflage. Migration wird zur Staffage.
Warten auf die letzten Passagiere am Strand irgendwo in Afrika: Es sollen Flüchtlinge sein, die ein Schlepper aufs Schiff nach Babylon wollen. Ausgerechnet Babylon, mag sich der Bibelleser denken! Oder gerade dorthin? Neben einem wild brabbelnden Araber, der sich beschwert, dass sein Hund nicht mit aufs Schiff darf, einer alten Frau, die ihren Sohn wiedersehen möchte oder einem schwarzen Jungen, dessen Dorf niedergemacht wurde, befindet sich auch biblisches Personal. Ein von langem Wüstenaufenthalt leicht verstrahlter Jesus macht sich ebenfalls auf den Weg. Auf ein Neues, mag man sich denken. Natürlich ist da der Teufel nicht weit. Statt in der Wüste lauert er dieses Mal am Strand. Ein ebenso pralles wie flirrendes „Babylon“, das Neville Tranter, der Meister der großen Klappmaul-Puppen, jetzt bei den Figurentheater im ausverkauften Kammerkonzertsaal hinlegte.
Monty Python lässt grüßen
Der gute alte Gott zeigt sich angesichts dieses neuerlichen Weg seines Sohnes auch ein wenig neben der Spur. Er wird vom dienstfertigen Erzengel Uriel gebrieft, der geschäftstüchtig auch Umfrageergebnisse auswertet: „Mein Gott, eure Beliebtheitswerte sind besser als je zuvor!“ Nur was nützt das, als das Boot in Seenot gerät. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, ertönt der Gesang dieses neuerlichen Karfreitags an dem Gott sich als Metal-Fan outet und der Teufel in Tom-Waits-Manier säuselt „There is a place for us“. Ein echter Neville Tranter eben. Hintergründig, manchmal böse, immer etwas respektlos: Monty Pythons Brian lässt grüßen bei diesem anspielungsreichen Spektakel mit Menschen und Göttern.
Eine Botschaft, womöglich gar eine politische, hat „Babylon“ freilich nicht. Das Migrationsthema dient eher als Staffage für eine zeitlose Bibel- oder Menschheitsgeschichte, die man nicht nur wegen der vielen Verweise jederzeit wieder anschauen könnte. Das grandiose Spiel, bei dem Tranter mit den von ihm geschaffenen ausdrucksstarken Figuren zu verschmelzen scheint, ist dabei ohnehin eine sichere künstlerische Bank.