Bottrop. Das Odeon-Video-Center an der Essener Straße kämpft seit Jahren ums Überleben. Amazon Prime, Unitymedia und Co. sind zu starke Konkurrenz.
In ganz Bottrop sind Videotheken aus dem Stadtgebiet verschwunden. In ganz Bottrop? Nein, das Odeon-Video-Center an der Essener Straße hält weiterhin einsam und wacker die Stellung. Aber die Zeiten sind hart. Die goldenen Jahre, in denen VHS-Kassetten, DVDs, Blu-Ray-Discs oder Computerspiele ausgeliehen wurden, gehören schon lange der Vergangenheit an.
Die Entwicklung gleicht eher einer Tragödie als einer Komödie. Susanna Horstmann kennt die Branche wie kaum eine andere. Sie ist Inhaberin der Videothek an der Essener Straße. Anfang nächsten Jahres spielt sie seit 27 Jahren die Hauptrolle. Im Januar 1993 hat sie als Mitarbeiterin im Odeon-Video-Center begonnen, damals in der Filiale an der Ecke Peterstraße/ Schützenstraße. Gemeinsam hat sie mit ihrem Lebensgefährten die Blütezeit erlebt und bis zu sieben Videotheken im Ruhrgebiet geführt. Bottrop ist als letzter Standort übrig geblieben. „Da hängt mein Herz dran“, sagt die gebürtige Bottroperin. Der Liebe wegen ist sie nach Hagen gezogen. Jeden Tag fährt sie die circa 70 Kilometer in ihre Heimatstadt und die gleiche Strecke wieder zurück.
Viele Kunden kaufen gebrauchte Datenträger
Videotheken gehörten in den 80er- und 90er-Jahren im Ruhrgebiet zum Stadtbild. Es gibt viele Gründe für den Niedergang. „Die Leute sind zu bequem geworden, um von der Couch zu kommen“, ist für Susanna Horstmann nur ein Grund. Einerseits hat sie aber auch Verständnis für das Verhalten, schließlich müssten die Leute mitunter weite Entfernungen in Kauf nehmen, um überhaupt zur nächsten Videothek zu gelangen. Wer mit dem Auto zu ihrer Videothek möchte und einen Parkplatz sucht, schaut zurzeit im schlimmsten Fall in die Röhre. An der Essener-/ Brauer- und Karl-Englert-Straße werden bis voraussichtlich Februar 2020 die Kanäle erneuert. Und auf dem Hof der Videothek gibt es nur wenige Parkplätze.
Streaming-Dienste wie Amazon Prime, YouTube, illegale Downloads im Internet und ein großes TV-Angebot wie bei Sky oder Unitymedia erschweren das (Über-)Leben zusätzlich. „Wir sind aber auf jeden Fall günstiger“, meint Horstmann. Ein Beispiel: Eine Filmneuheit in 4K-Bildauflösung und Ultra-HD-Qualität kostet pro Kalendertag nur 1,70 Euro. Dazu kommen Paket-Angebote wie drei Artikel für drei Kalendertage für 6,50 Euro. Nach rund vier Wochen sortiert sie die Neuheiten aus, und stellt einige Filme davon in die Verkaufsregale. Und der Verkauf von gebrauchten Datenträgern für den schmalen Geldbeutel erfreut sich einer großen Nachfrage. Noch bevor die Filme in den Verkaufsregalen stehen, lassen sich einige Kunden ihre Wunschfilme schon reservieren. Susanna Horstmann erfüllt gerne diese Wünsche. Auch die Beratung und die Empfehlung gehören zum Serviceangebot. Denn der persönliche Kontakt zum Kunden ist nach wie vor ein wichtiges Gut. „Das ist das einzige, was wir dem Internet noch entgegenhalten können“, sagt sie.
Die Mitarbeiter sind mit Herzblut dabei
Dass das Verleihgeschäft an der Essener Straße noch existiert, verdankt sie den treuen Stammkunden. Aber hat die Videothek an der Essener Straße auf lange Sicht eine Zukunft? Susanna Horstmann überlegt. „Ich weiß es nicht“, sagt sie schließlich. Wie in den unzähligen Filmen, die bei ihr in den Regalen stehen, wünscht sie sich insgeheim ein Happy End. „Ich würde es so gerne noch ein paar Jahre machen.“ Auch ihre vier Mitarbeiter sind seit Jahren mit Herzblut und Leidenschaft dabei. Der Bedarf ist eigentlich da. „Wir haben Kunden aus Bottrop, Dinslaken und Mülheim.“ Manchmal ist sie selbst überrascht, welche Wege die Leute auf sich nehmen. „Sie kommen extra mit dem Bus aus Gladbeck.“
Dennoch reißen die schlechten Nachrichten in der Branche nicht ab. Erst vor wenigen Tagen flatterte die nächste Hiobsbotschaft ins Haus. Die Empire-Videothek in Gelsenkirchen schloss für immer ihre Türen. Im April dieses Jahres stellte Video Buster in Oberhausen den Verleihbetrieb ein. Seitdem hat Susanna Horstmann rund 170 neue Anmeldungen von Kunden zu verzeichnen. Viele von ihnen finden nun aus den Nachbarstädten den Weg nach Bottrop.
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