Essen. . Heute gibt es nur noch knapp 40 Videotheken im Ruhrgebiet. Das ist wenig zu früher. Wer sind ihre Kunden und warum leihen diese nicht Online aus?
- Netflix & Co machen den verbleibenden Videotheken das Leben schwer
- In einigen Revierstädten gibt es gar keine Videotheken mehr
- Betreiber setzen auf Stammkunden, die kompetente Beratung wertschätzen
Videotheken sind dem Internet, illegalen Downloads und einem großen TV-Angebot zum Opfer gefallen. Gab es sie früher an fast jeder Straße, gibt es heute nur noch sehr wenige von ihnen. Man kann daher behaupten, dass sie einer sterbenden Art angehören.
Siegeszug in den 1980er Jahren.
Ältere Filmausleiher erinnern sich an die Blütezeiten, die es schließlich auch gab. Besonders in Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet ist der Niedergang der Videoverleihhäuser, deren Siegeszug etwa Anfang der 1980er Jahre begann, stark zu spüren.
Denn Videotheken gehörten ähnlich der Eckkneipe und der Trinkhalle fest zum Straßenbild einer „Ruhr-Stadt“. Zum Jahresende gab es nur noch weniger als 1000 Videotheken in ganz Deutschland. In Ruhrgebietsstädten wie Duisburg, Essen oder Bottrop gibt es nur noch vereinzelt Videotheken. In Essen zählt die IHK noch 9 Betriebe der Branche "Verleih von Videofilmen, Schallplatten, CDs, DVDs
und Videospielen". Vor zehn Jahren waren es noch 37 Unternehmen. In Duisburg sind es noch deren fünf, in Bottrop gibt es nur noch eine Videothek und in Mülheim gar keine mehr.
Wer geht noch in Videotheken?
Wer geht überhaupt noch in Videotheken in Zeiten von Netflix, Youtube, iTunes und Maxdome? Es sind vor allem Leute, die mit ihnen aufgewachsen sind, und Menschen, die auf Beratung wert legen. Und sich nicht mit der Internet-Ausleihdiensten auskennen. „Viele kommen zu uns, weil sie beraten werden wollen. Und sie wissen, dass wir Fachmänner sind, was Filme und Videos anbelangt. Die persönliche Beratung haben sie oftmals im Netz nicht“, sagt Michael Wegner von der Empir-Videothek in Duisburg-Neudorf. Aber auch jene, die Klassiker sehen wollen, die es im Netz nicht gibt. Hier kann sich für Videoleihhäuser eine Nische auftun.
Führt sie Klassiker der Filmindustrie, Spartenfilme und Arthouse-Produktionen, kann sie Kunden anlocken. Das hängt entscheidend vom Publikum ab. In Groß- und Universitätsstädten ist mit einer anspruchsvolleren Kundschaft zu rechnen. Sie gibt auch für qualitative Spartenproduktionen gerne Geld aus. Das Hauptproblem wird für die Videothek immer das Internet bleiben. Im Netz kann der Filmfan oftmals kostenlos und zu jeder Uhrzeit Filme ausleihen oder direkt per Streaming ansehen.
Michael Wegner – seit vielen Jahren einer der wenigen noch verbliebenen Videothekare in Duisburg – hat sich des Öfteren verkleinern müssen, denn die Fixkosten seien zu hoch gewesen, schildert der Duisburger. „Heute bin ich auf rund 150 Quadratmeter. Früher hatte ich noch etwa fünfmal so viel.“
Schließungswelle führte zu Konzentration
Zwar hatte sich das Einzugsgebiet durch die Schließungswelle vieler Videotheken in den vergangenen Jahre vergrößert. Auch profitiert Wegner von der Nähe zur Universität, die nur zwei Straßen weiter liegt. „Viele Studierenden kommen. Aber die sind oftmals keine Stammkunden“, sagt Wegner. Und an Gewinne sei auch nicht mehr zu denken, berichtet er. Zusammen mit seinem Bruder, führt Wegner neben der mäßig laufenden Videothek auch seit zwei Jahren eine Kfz-Werkstatt. Direkt neben der Videothek. Dank der Werkstatt macht er keinen Verlust. „Unsere Videothekkunden kommen zum Glück auch zu uns zur Inspektion mit ihrem Wagen und umgekehrt.“ Aber neue Kunden zu akquirieren, lohne sich nicht (mehr), so Wegner. „Wir schreiben unsere Kunden, vor allem Ältere, direkt an und senden Gutscheine mit, damit sie zu uns kommen und ausleihen.“
Eine Untersuchung des Interessenverbands des Video- und Medienfachhandels Deutschland zeigte, dass durch die Anschrift von sogenannten Altkunden, die über einen längeren Zeitraum der Videothek fern blieben, diese sich tatsächlich kurzfristig zurückgewinnen ließen. Langfristig aber nicht. Allein ein Blick auf die von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg erhobenen Daten zu Videotheken machen vor allem eines deutlich: Der Niedergang der Videotheken ist kaum aufzuhalten.
Ausleihgebühr nur leicht angestiegen
Die Ausleihgebühren haben sich durchschnittlich nicht drastisch innerhalb der vergangenen fünf Jahren erhöht, trotzdem sind Umsatz und Anzahl an Ausleihern stark rückläufig, zeigt die GfK-Studie auf.
Negativ fiel auch der Wegfall der Filmförderung durch die Filmförderungsanstalt (FFA), mit Sitz in Berlin, zu Buche. Denn seit vier Jahren bekommen die Videotheken in Deutschland keine Fördergelder durch die FFA mit. Diese waren bei vielen Videotheken lange als Puffer eingeplant worden.
Bottrop hat nur noch eine Videothek
Im einzigen Videoleihhaus in Bottrop, einer Stadt mit immerhin 116.000 Einwohnern, sieht es kaum besser aus. Dass es noch Stammkunden gibt, die auch hier die Beratung und den gemeinsamen Kaffee wertschätzen, darf nicht über die allgemeine Lage hinwegtäuschen. „Wir haben zwar noch junge Kunden, aber das liegt daran, dass unser Einzugsgebiet riesig ist. Selbst Kunden aus Essen, Dinslaken, Oberhausen und Mülheim kommen zu uns.“ Jedoch habe das Odeon-Video- Center, so der Name der seit mehr als 20 Jahren existierenden Videothek, offenkundig große Probleme mit der Konkurrenz aus dem Netz, sagt Odeon-Mitarbeiterin Manuela Heidemann. Auch sie habe, hauptsächlich Kunden, die älter als 40 und 50 Jahren alt sind.
Die Bottroperin beobachtet, dass, wenn junge Kunden kämen, sie hauptsächlich die neusten Filme und hier vor allem Actionfilme ausliehen. Die ältere Stammkundschaft, stark rückläufig, interessiert sich vorwiegend für Klassiker wie „James Bond“, „Casablanca“ oder etwa „Krieg der Sterne“.
Filme gibt es ab 2,80 Euro auszuleihen
Heidemann schätzt ihre tägliche Kundschaft auf rund 60 bis 70 Kunden. Früher zu VHS-Zeiten waren es fast doppelt so viele, sagt sie. „Und das liegt nicht an den Ausleihpreisen.“ Bei ihr kam man einen Film auf DVD oder Blu ray für 2,80 Euro ausliehen. VHS-Kassetten gibt es bei ihr schon lange nicht mehr. Durchschnittlich leihen Deutsche für rund 38 Euro Filme im Jahr aus, sagt die GfK. Heidemann sagt, dass bei ihr pro Person für mindestens 80 Euro pro Jahr ausgeliehen wird.
Andere Videotheken bieten Zusatzangebote an – besonders in Berlin beliebt. Dort kann beim Filmausleihen gegessen, gequatscht und getrunken werden. Zudem finden Events statt, die Kunden auf die Videothek aufmerksam machen sollen. Nur lohnt sich der ganze Aufwand denn auch am Ende? Tatsächlich gehen im Durchschnitt in Deutschland nur sieben Prozent aller Videotheken-Einnahmen durch Lebensmittel und Alkohol ein, laut Interessenverband des Video- und Medienfachhandels. So oder so, die Frage muss gestellt werden: Wird es in fünf Jahren noch Videotheken geben?