Bottrop. Es gibt viel zu wenige Ausbildungsstellen in Bottrop. Was die Stadt und ihre Kooperationspartner alles dagegen unternehmen.
Seine neue Mitarbeiterin habe einen Monat nach Beginn ihrer Ausbildung festgestellt, dass das doch nichts für sie sei, berichtet Notar Hermann Hirschfelder. „Sie geht jetzt ins Studium“, sagt der Vorsitzende des Bottroper Wirtschaftsförderungsausschusses. Mit seinem Beispiel aus dem Berufsalltag macht der CDU-Ratsherr klar, wo die Arbeit der Stadt und ihrer Kooperationspartner zur Förderung der dualen Ausbildung und zur Verbesserung des Übergangs von den Schulen in die Berufswelt auch ansetzt. Eine neue Koordinierungsstelle der Stadt soll die vielen Aktivitäten, der Handwerkskammer, der Agentur für Arbeit, oder der Industrie- und Handelskammer zur Verbesserung der Ausbildung noch besser aufeinander abstimmen.
Zur Arbeit der Kooperationspartner gehört es zum Beispiel auch, Firmenchefs dazu zu ermuntern, so vielen Schülern wie möglich Praktikumsplätze anzubieten. „Die Jugendlichen können dann ja in der Praxis prüfen, ob sie auch tatsächlich ihren Wunschberuf gefunden haben“, meint Sabine Wissmann, die Leiterin des Wirtschaftsförderungsamtes. Auch wenn die Schüler sich dann gegen den Beruf entscheiden sollten, sei dies ein gutes Ergebnis. Denn sie könnten sich ja rechtzeitig vor dem Schulabschluss neu orientieren.
Firmenchef wurde klar: Rockstar oder Fußballprofi wirst du nicht
Jungen Leuten Hilfen und Orientierung bei der Berufswahl zu geben, sei eine immer wichtigere Aufgabe, meint auch Frank Beicht. „Als mir klar wurde, Rockstar oder Fußballprofi wirst du nicht, musste ich auch erst mal nachdenken“, scherzt der SPD-Wirtschaftssprecher. Beicht ist heute Inhaber einer Medienagentur.„Ich kann mir gut vorstellen, dass Jugendliche erst einmal nicht wissen, was sie nach der Schule machen wollen“, sagt er. Zufriedene Arbeitnehmer und Auszubildende seien aber wichtig. „Leute arbeiten nur gut, wenn sie etwas tun, an dem sie auch Spaß haben“, ist der Ratsherr überzeugt.
Das unterstreicht auch Jochen Grütters von der Industrie- und Handelskammer (IHK). Es sei gut, wenn junge Leute ihre Ausbildung auch mit den richtigen Vorstellungen darüber beginnen. Die IHK organisiert daher zum Beispiel den Besuch sogenannter Ausbildungsbotschafter in Schulen. Das sind Auszubildende im zweiten oder dritten Lehrjahr. Ihre Betriebe stellen sie stundenweise frei, damit sie in den Schulen ihre Berufe und ihren Ausbildungsalltag vorstellen. Außerdem bringt die IHK Schulen und Betriebe zusammen, um Schülern gemeinsam bei der Berufswahl zu helfen. Die Projekte reichen von Bewerbungstrainings bis hin zu Betriebserkundungen. Ein positives Ergebnis dieser Zusammenarbeit sei zum Beispiel, erklärt Jochen Grütters: „90 Prozent der Schüler haben Praktika abgeschlossen“.
Mit der Schließung der Bergwerke gingen viele Lehrstellen verloren
Dennoch sei die Ausbildungssituation schwierig, erklärt IHK-Vertreter Jochen Grüters. Das untermauert Edith Holl, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit Gelsenkirchen, mit einem Zahlenbeispiel: Für rund 800 Jugendliche, die eine Ausbildungsstelle suchen, stehen 600 gemeldete Ausbildungsstellen bereit. Die Zahl der Ausbildungsstellen steige zwar an, dennoch betont Edith Holl: „Man merkt, dass eine große Lücke da ist“. Kurzfristig sei diese kaum zu schließen.
Eine Erklärung dafür liefert Oberbürgermeister Bernd Tischler: Die endgültige Schließung der Steinkohlenzechen in Bottrop gehe nicht nur mit dem großen Verlust an Arbeitsplätzen, sondern auch an Ausbildungsplätzen einher. „Wir alle wissen, dass Bottrop durch große strukturelle Veränderungen vor Herausforderungen steht“, sagte Tischler. Vor fünf Jahren hatte der Oberbürgermeister daher einen Arbeitskreis gegründet. Außer der Stadt, der Agentur für Arbeit, und den Wirtschaftskammern sind darin auch das Jobcenter und der DGB vertreten.
Auch die Firmen selbst müssen sich als attraktive Arbeitgeber präsentieren
Dessen Ziel sei es, die duale und betriebliche Ausbildung zu fördern und dadurch auch Fachkräfte für den örtlichen Arbeitsmarkt zu sichern. Aufgabe der neuen Koordinierungsstelle sei es nicht nur, die Aktivitäten der Kooperationspartner zu bündeln, sondern auch ein Handlungskonzept zu erarbeiten. „Wir wollen, dass sich wieder mehr junge Menschen für eine duale Ausbildung entscheiden“, erklärt Wirtschaftsförderin Dorothee Lauter. Langfristiges Ziel sei es, das es für alle Bewerber auch wieder ein Ausbildungsangebot gebe. Dabei sind die Ansprüche der Kooperationspartner hoch. „Es geht uns darum, alle Jugendlichen zu erreichen“, unterstreicht Thorsten Bräuninger, der Leiter des Bottroper Jobcenters. Er richtet den Blick dabei gerade auch auf junge Leute, die aus Haushalten kommen, die soziale Hilfen erhalten.
Das aber wird offenbar ein hartes Stück Arbeit. Denn im Verhältnis zu den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am örtlichen Arbeitsmarkt sei die Zahl der Ausbildungsverhältnisse sehr gering, berichtet die Handwerkskammer. „Da liegt Bottrop weit hinten“, erklärt Knut-Rüdiger Heine. Er ist der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer. Auf 100 Beschäftige kommen nach seiner Erkenntnis keine acht Auszubildenden. „Die großen Ausbildungsbetriebe sind ja weg“, erklärt Heine. Es komme daher darauf an, dass sich auch kleinere Firmen selbst kümmern und als attraktive Arbeitgeber präsentieren. „Das kommt hier zu kurz“, stellt der Geschäftsführer auch mit Blick auf Handwerksbetriebe fest. Gerade junge Leute brauchten jedoch berufliche Perspektiven in ihrer Heimatregion, sonst wanderten sie ab.
Doch auch die Wirtschaftsbetriebe vor Ort benötigen unbedingt fachkundiges Personal, betont DGB-Geschäftsführer Mark Rosendahl. Der Gewerkschafter beleuchtet aber auch eine weitere Kehrseite des Arbeitsmarktes. „Viele Jugendliche hangeln sich von Aushilfsjob zu Aushilfsjob und gleiten dann in die Langzeitarbeitslosigkeit ab“, berichtet Rosendahl. „Das ist eine Katastrophe.“
Berufe checken, Nachwuchs finden
Querfeldein - Berufe checken, Nachwuchs finden“ lautet der Titel des Handlungskonzeptes zur Förderung der dualen Ausbildung und damit der Sicherung von Fachkräften in Bottrop. In der Verwaltung arbeiten daran die Ressorts für Wirtschaftsförderung sowie für Schule und Jugend mit.
Für die Steuerung und Koordinierung des Vorhaben wird zum Jahresende eine Geschäftsstelle eingerichtet. Die Hälfte der Personalkosten übernehmen bis Ende 2020 das Land und die EU gemeinsam.