Bottrop. Zum Ende der Klimakonferenz loben die Teilnehmer das Klimaschutzprojekt Innovation City und wollen von ihm lernen. Umgekehrt gilt das aber auch.

Der Austausch und das Lernen voneinander stand im Mittelpunkt der Klimakonferenz an der Hochschule Ruhr West. Und im Rückblick beurteilen die Beteiligten die Veranstaltung positiv. Es wurde ein Austausch angestoßen, von dem alle Seiten profitieren. Im Mittelpunkt der Tagung stand das Klimaschutzprojekt Innovation City. Die internationalen Gäste zeigen sich beeindruckt, hatten ihrerseits aber auch Anregungen im Gepäck, von denen Bottrop profitieren könne, so Oberbürgermeister Bernd Tischler.

Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart beschreibt die Bedeutung der Quartiere für die Energiewende.
Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart beschreibt die Bedeutung der Quartiere für die Energiewende. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Morten Kabell war mal Umweltbürgermeister von Kopenhagen, leitet nun das Beratungsunternehmen copenhagenize. Ihn beeindrucke, wie eine Stadt sich ambitionierte Ziele setze und sie dann auch verfolgt, sagte er im Nachgang zu der Konferenz. Weltweit bräuchten gerade Städte Vorbilder im Kampf gegen den Klimawandel und Bottrop sei eben ein solches Vorbild, lobte der Experte. Und aus seiner Sicht seien es eben letztlich die Städte, die handeln müssten. „Nationen reden, Städte handeln“, brachte er es auf den Punkt.

Nachholbedarf im Bereich Radverkehr

Aber selbstverständlich gibt es aus Sicht eines Kopenhageners auch in der Innovation City noch Dinge, die verbessert werden könnten. Vor allem im Bereich Radfahrern sieht Kabell Nachholbedarf – des gelte aber auch für zahlreiche andere deutsche Städte. Kabell sieht in Bottrop das Potenzial für mehr Radfahrer. Dafür müsse aber die passende Infrastruktur geschaffen werden, damit sich auch Kinder und ältere Menschen auf dem Rad sicher fühlen.

Tatsächlich war das Projekt Innovation City ja auch auf den Bereich Mobilität ausgelegt. Aber Geschäftsführer Burkhard Drescher hatte selbst zugegeben, dass die Umsetzung dort am stärksten hakt. Stattdessen liegen die Stärken in Bereich der energetischen Gebäudesanierung. Der Erfolg auf diesem Gebiet macht etwa die norddeutsche Stadt Norderstedt neugierig.

Von Bottrop lernen, die energetische Gebäudesanierung voranzutreiben

Seit 20 Jahren habe man sich dort nördlich von Hamburg dem Klimaschutz verschrieben, sagt Herbert Brüning, der in der 80.000-Einwohner-Stadt das Amt für Nachhaltigkeit leitet. Aktuell gehört die Kommune auch zu den Gewinnern des Bundeswettbewerbs Zukunftsstadt, ein Titel, um den sich auch Bottrop beworben hatte. Rund 40 Prozent des CO2-Ausstoßes gehe von Gebäuden aus, sagt Brüning. Umso wichtiger sei es, genau dort anzusetzen. „Und in dem Bereich können wir uns viel von Bottrop abschauen“, so Brüning.

Die Konferenz war international besetzt.
Die Konferenz war international besetzt. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Ein Ansatz, der auch in Russland auf Interesse stößt bei Georgy Kekelidze von der Delegation aus Russland. Seiner Auffassung nach ähneln die Probleme Bottrop mit der Zechenschließung und dem Strukturwandel den Problemen russischer Städte, wenn dort große Arbeitgeber schließen. Wie Bottrop damit umgeht und das Thema Klimaschutz als Motor nutzt, könne ein Beispiel für russische Städte sein. Bei einem Kongress soll ihnen das Modell vorgestellt werden. Außerdem hofft Kekelidze auf wirtschaftliche Kontakte und Zusammenarbeit, hervorgerufen durch den Klimaschutz.

Oberbürgermeister ist blickt neidvoll auf exzellente Datengrundlage in den USA

Oberbürgermeister Bernd Tischler schaut ein wenig neidisch in die USA. „Dort gibt es eine exzellente Datengrundlage zu den Gebäuden, aber auch darüber, wie sich die Investitionen im Klimaschutz in Arbeitsplätzen und Wertschöpfung niederschlagen.“ Das sei ein Aspekt, von dem Deutschland lernen können. Dale Medearis ist Landschaftsplaner für Nord-Virginia. Er lobt die Kooperation mit Bottrop und berichtet seinerseits von einem 7-Millionen-Dollar-Invest in Solarenergie.

Doch auch vor der Haustür wird das Bottroper Modell mit großem Interesse wahrgenommen. Der RVR verfolgt das Ziel, 50 Prozent der CO2-Emissionen einzusparen, sehr genau. Der EU-Beauftragte des Verbands, Michael Schwarze-Rodrian betont die Bedeutung – gerade mit Blick auf das Ausrollen auf 20 Quartiere in der Region. Den Erfolg gelte es weiter zu kommunizieren in andere Städte und Regionen, gerade angesichts der besonderen Zusammenarbeit zwischen Stadt, Bürgern Wirtschaft und auch Nachbarstädten.

„Auf Grundlage der Bottroper Erfahrungen können wir die Klimapolitik der Region neu definieren.“ Schwarze-Rodrian wirbt für einen regionalen Dialog, um im Jahr 2020 den Klimaschutz auf die regionale Agenda zu setzen.

Das Quartier ist die Grundlage für die Energiewende

Innovation-City-Geschäftsführer Burkhard Drescher nutzte die Klimakonferenz, um mit dem Bund abzurechnen. Denn der behindere die Energiewende von unten, so sein Vorwurf, den er anhand konkreter Beispiele untermauerte.

Er forderte die Abschaffung von Regelungen, die einer Energiewende entgegen stünden. So ist es aus Dreschers Sicht absurd, dass Hauseigentümer, die eine Mikro-KWK-Anlage betreiben, wie Betreiber von Großkraftwerken behandelt würden. Ein Problem sei auch, dass eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach jeden Hausbesitzer automatisch zum Unternehmer mache. Zudem dürfe der vor Ort erzeugte Sonnenstrom nicht innerhalb des Quartiers verkauft werden. In vielen solcher Fragen sei ein Anpassen von Regeln, Normen und Gesetzen notwendig.

Land kündigt Förder- und Finanzierungsprogramme an

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart hatte zuvor die Bedeutung des Quartiers für die Energiewende und den Klimaschutz betont. Quartiersentwicklung sei jedoch mehr als Klimaschutz, stellte der Minister klar. Es gehe auch um soziale Durchmischung oder Nahversorgung. Klimaschutz stehe gleichberechtigt daneben. Er versprach, dass das Land Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten für urbane Energieerzeugung bereit stellen werde.

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Auch Johannes Teyssen, Vorstandsvorsitzender von Eon, stellte das Quartier in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Allerdings funktioniere Klimaschutz nur, wenn die gesamte Gesellschaft mitgenommen werde. Teyssen warb für eine C02-Besteuerung. Die Einnahmen könnten genutzt werden, erneuerbare Energieträger von sämtlichen Umbaukosten zu befreien. Trotzdem gab Teyssen zu: „Ich halte es im Augenblick für unvorstellbar, dass das Ruhrgebiet 2030 klimaneutral ist.“ Wobei er zugab, dass es schwierig sei, alle technischen Entwicklungen vorherzusehen.

Aktionsbündnisse wünschen sich, das Thema mutig anzugehen

Sven Hermens, Sprecher der Bottroper Fridays-for-Future-Gruppe warb dafür, den Klimaschutz mutig anzugehen, sich zu trauen, bestehende Lösungen zu hinterfragen. Volker Quaschning, Mitbegründer der Scientists for Future warnte, dass noch maximal 20 Jahre Zeit blieben, den Klimawandel zu stoppen und von derzeit 14 auf 100 Prozent Energie aus erneuerbaren Quellen zu kommen.