Im Gespräch sieht Geschäftsführer Burkhard Drescher das Klimaschutzprojekt auf einem guten Weg, übt aber auch Selbstkritik und lobt die Bottroper
Noch bis Ende 2020 läuft das Modellprojekt Innovation City in Bottrop. Doch wie geht es danach weiter? War es das oder geht die Innovation City in die Verlängerung? Schließlich ist das Thema Klimaschutz derzeit aktueller denn je. Reichlich Gesprächsstoff also für den Interview-Termin mit Innovation-City Geschäftsführer Burkhard Drescher (68).
Ist eine Verlängerung oder eine Ausweitung der Innovation City in Bottrop angedacht?
Ja, zunächst steht die Ausweitung des InnovationCity-Ansatzes auf Fuhlenbrock an, dann soll es in Kirchhellen weitergehen. Für den Fuhlenbrock gibt es schon einen Ratsbeschluss, gefördert wird die Erstellung eines Quartierskonzeptes dort von der KfW, die stellen 65 Prozent der Mittel bereit. Den Rest muss die Stadt beisteuern, das geht auch über den Einsatz von Personal. Als nächstes wird die Konzepterstellung ausgeschrieben, darauf werden wir uns als Innovation City-Management GmbH bewerben. Klappt alles, können wir noch in diesem Jahr loslegen.
Aber es gibt ja noch weitere Stadtteile.
Ziel ist es, alle Stadtteile mit Innovation City-Konzepten zu überziehen. Allerdings gibt es dazu noch keinen Ratsbeschlüsse. Wenn die vorliegen, können entsprechende Fördergelder beantragt werden.
Sie sind 2011 als Geschäftsführer zur Innovation City gekommen, haben Sie sich da vorstellen können, dass das Thema Klimaschutz derart an Bedeutung gewinnt?
Als wir angefangen haben, war das Thema auch in der Politik eher ein Nischenthema. Weil die Menschen aber inzwischen den Klimawandel hautnah wahrnehmen, ist der Klimaschutz nun in den Mittelpunkt gerückt – eine eigentlich logische Entwicklung.
Bernd Tischler hat mir das erklärt. Demnach geht es darum, das Thema Klimaschutz auch nach 2020 weiter als Leitbild für die Stadtentwicklung auf der Agenda zu halten. Insofern kann ich es politisch nachvollziehen. Aber das Entscheidende ist doch, was ich gegen den Klimawandel tun will. Jetzt ist in den Städten politische Sommerpause, aber ich bin gespannt, ob es danach auch tatsächlich um Konzepte gehen wird.
Sie haben mit den Jugendlichen von Fridays for Future in Bottrop gesprochen. Was war ihr Eindruck?
Zunächst einmal ist Fridays for Future eine große Chance für die Demokratie. Die Jugendlichen, die hier waren, waren sehr bodenständig, haben sich beispielsweise sehr genau mit den Radwegen und dem Verkehr in der Stadt befasst.
Gerade beim Thema Verkehr tut sich Innovation City schwer. Es gibt ein Teilkonzept Mobilität und auch der Masterplan befasst sich breit damit, umgesetzt wurde davon nur wenig.
Das stimmt. Wir müssen zugeben, dass wir gerade beim Thema Mobilität und Verkehr die Möglichkeiten der Umsetzung über- und die Schwierigkeiten unterschätzt haben. Das beginnt schon mit den Bundesstraßen und Autobahnen rund um die Stadt, auf die wir keinen Einfluss nehmen können. Hinzu kommt, dass Bottrop beim ÖPNV Dienstleistungsempfänger ist, kein eigenes Nahverkehrsunternehmen hat. Auf der anderen Seite hat sich aber gerade beim Thema Radwege in den vergangen Jahren einiges getan.
Wie würden Sie denn Mobilität organisieren, wenn Sie diese Schwierigkeiten einmal außer Acht lassen?
Ziel wäre es, ÖPNV und Radverkehr so attraktiv zu machen, dass die Leute von selbst umsteigen. Dabei geht es nicht darum, den Individualverkehr zu quälen, ihn zu verlangsamen. Dass es anders funktioniert, habe ich zum Beispiel letztens erst in New York gesehen. Dort wurde eine Spur der Sixth Avenue, eine zentrale Straße in Manhattan, gesperrt und für Radfahrer frei gegeben. Und siehe da, es sind jede Menge Radler unterwegs und der Verkehr läuft auch. In meiner Zeit als Oberbürgermeister in Oberhausen haben wir die Trasse für Busse und Straßenbahn realisiert. Dort fährt der ÖPNV an den Autos vorbei.
Zurück nach Bottrop: Erreicht die Innovation City ihr Ziel, 50 Prozent CO2 einzusparen?
Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Zur Halbzeit im Jahr 2015 hatten wir ja 38 Prozent der Einsparung gesichert. eingespart. das heißt, das Wuppertal Institut hat uns bestätigt, dass wir Ende 2020 auf jeden Fall eine Reduktion von 37,4 Prozent erreicht haben werden. Aber jetzt neue Zahlen zu nennen wäre nicht seriös. Wir können das Endziel 2020 erst Anfang 2021 auswerten. Das liegt daran, dass manche Zahlen erst später kommen. Das gilt etwa für die Ele und die Bundesnetzagentur, was die Daten für Photovoltaik angeht. Grundsätzlich glaube ich, dass Bottrop ein gutes Vorbild für Deutschland ist. Es gibt keine Stadt, die überhaupt ein 50-Prozent-Ziel bei der CO2-Reduktion ansteuert.
Spüren Sie denn vor Ort immer noch Nachfragen?
Gute Zusammenarbeit mit der Stadt
Burkhard Drescher lobt die Zusammenarbeit mit der Stadt bei der Umsetzung von Projekten. Inzwischen ist das Klimaschutzprojekt auch in zahlreichen anderen Ruhrgebietsstädten aber auch darüber hinaus etwa in Berlin und Hamburg aktiv sowie in Thüringen. Nicht immer sei die Zusammenarbeit so reibungslos, vieles hänge davon ab, ob die Stadtspitze dahinter stehe. Ähnlich gut wie in Bottrop laufe es etwa auch in Herne.
Das Klimaschutzprojekt geht zurück auf einen Wettbewerb des Initiativkreises Ruhr (IR), ein Zusammenschluss von rund 70 Ruhrgebietsunternehmen. Diesen Wettbewerb hat Bottrop mit dem Projektgebiet im Bottroper Süden gewonnen. Der IR hat etwa einen Teil der Kosten fürs Personal übernommen.
Inzwischen trägt sich die Innovation City Management GmbH weitgehend selbst, der IR bezuschusst gegebenenfalls noch einzelne Projekte. Mit Tobias Clermont gibt es neben Drescher inzwischen einen zweiten Geschäftsführer.
Die Bereitschaft der Bottroper, sich immer wieder mit dem Thema zu befassen, ist für mich tatsächlich erstaunlich. Das Interesse ist ungebrochen. Davon zeugen unsere Themenabende, die sehr gut besucht sind. Und auch die Solar-Offensive war ein Erfolg. Wir haben den Fördertopf ja nochmal aufgefüllt und er ist schon wieder leer. Dabei ist Bottrop schon jetzt die Stadt mit der größten Solardichte pro Einwohner im Ruhrgebiet. Außerdem steuern wir inzwischen auf 3500 Energieberatungen zu. All das zeigt das Interesse der Bottroper – unabhängig von der aktuellen politischen Debatte.
Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?
Für mich bedeutet es, dass Klimaschutz möglich ist, und zwar: Wenn man es richtig organisiert, wenn man es von unten organisiert und wenn man es mit den Bürgern organisiert. Dazu gehört, einzelne Maßnahmen zu bezuschussen, die einen Beitrag leisten. Es kostet die Hausbesitzer zwar immer noch Geld, es rechnet sich aber auch, denn sie sparen Energiekosten. Gleichzeitig verbessern viele Maßnahmen auch die Lebensqualität. Aber es muss eben nicht – wie bei vielen Förderprogrammen vorgeschrieben – das komplette Paket sein. Es muss nicht zwangsläufig das Dach gedämmt werden. Mit dem Dämmen der obersten Geschossdecke ist auch schon viel erreicht. Gut wäre auch, wenn Investitionen in den Klimaschutz steuerlich geltend gemacht werden könnten. Das würde bei Wohnungsunternehmen die Mieter entlasten, weil Kosten nicht auf sie umgelegt werden müssten. Grundsätzlich aber gilt: Wir haben hier die Erfahrung gemacht, dass die Bürger mitmachen, wenn man sie direkt anspricht. Aber das geht nicht von Berlin aus.
Auch interessant