Die erste von vier WAZ-Sommertouren mit der Vestischen führte zu den industriellen Wurzlen der Stadt. Alte Zechen und was aus ihnen wurde...
Der Bergbau lässt Bottrop so schnell nicht los. Das spüren auch die WAZ-Leserinnen und -Leser, die bei hochsommerlichen Temperaturen an der ersten der insgesamt vier Sommertouren teilnehmen, die die WAZ jedes Jahr zusammen mit den Vestischen Verkehrsbetrieben anbietet. Stadtführer Holger Kröcher hat diesen Auftakt unter das Motto „Was vom Bergbau übrig blieb“ gestellt. Und das ist in Bottrop noch ganz schön viel, vor allem wenn man bedenkt, das im vergangenen Dezember die letzte Steinkohlenzeche überhaupt die Förderung eingestellt hat. Jetzt wird nur noch abgewickelt. Aber selbst das ist für Holger Kröcher interessant, denn: „Umnutzung kann kreativ, spannend und manchmal sogar spektakulär sein.“
Kreativ ist die Tour sicherlich auch für Dieter Olschewski, nicht nur, weil es für ihn eine Premiere ist. Der Fahrer der Vestischen lenkt den Bus nur grob über die Strecke der Linien 261 und SB 16. Er steuert den bis auf den letzten Platz besetzten Wagen auch durch kleine Anliegerstraßen, in Wendekreise von Gewerbegebieten und vor allem auch die kurvige Haldenstrecke bis hinauf aus das Plateau unterhalb des Tetraeders. Für ein Ehepaar war genau das der Grund, an der Verlosung dieser Tour teilzunehmen. „Wir waren noch nie hier oben, der Wasserstoffbus fährt ja nicht mehr und zu Fuß schaffen wir es nicht mehr.“
Aber auch so ist es trotz Klimaanlage im Bus anstrengend genug. Hut ab übrigens vor Holger Kröcher. Er ist nicht nur in Bergbaukleidung erschienen, sondern behält drei Stunden lang konsequent den weißen Sicherheitshelm der RAG auf. „Soviel Einsatz muss sein“, lacht Kröcher. Vom ZOB geht es zur ersten Station und damit auch zur ersten Bottroper Zeche: Prosper I. Nur noch wenig erinnert an die 1856 eröffnete Zeche. Über dem letzten verfüllten Schacht liegt heute eine große Spedition. Aber der alte Lokschuppen ist noch da, heute Bootshaus der Rudergemeinschaft. Auch der malerische Komplex der alten Werksfeuerwehr und das wie eine klassizistischen Villa daherkommende ehemalige Verwaltungsgebäude erinnern noch an die Frühzeit des Bergbaus in Bottrop zwischen Emscher und Kanal.
Die Arbeitsbedingungen waren einst knochenhart
Manche Teilnehmer wundern sich, als Kröcher von den Arbeitsbedingungen erzählt. „65 bis 70 Wochenstunden waren für Bergleute im 19. Jahrhundert normal, sogar die Arbeitskleidung hatten sie anfangs noch zu stellen. Und die rund 20.000 Bergbautoten zwischen 1896 und 1908 in ganz Deutschland sind auch aus dem bewusstsein verschwunden“, so der Stadtführer. Luis, mit zwölf Jahren der jüngste Tour-Teilnehmer, kann es kaum fassen. Aber auch einige Erwachsene schütteln den Kopf, vor allem, als Kröcher noch Fotos von Untertage vor 100 Jahren zeigt.
Ein Höhepunkt wahrsten Wortsinn ist danach die Auffahrt zum Tetraeder. Unten liegt im leichten Hitzedunst das Emschertal. Über die Kokerei - „unser Schmutzfink“, so Kröcher - reicht der Blick bis zur Kokerei Zollverein, heute Weltkulturerbe. Gladbeck, Gelsenkirchen, der Gasometer Oberhausen und immer wieder einzelne Fördertürme, Wahrzeichen einer vergangenen Epoche. Auf der Schurenbachhalde in Altenessen ragt die „Bramme“ des Bildhauers Richard Serra vin die Höhe. Übrigens ein Schüler des berühmten Bottropers - Josef Albers.
Architektonisch beeindruckend bis heute sind der Malakoffturm von Prosper II, der Lokschuppen und vor allem die ehemalige Lohnhalle von Arenberg Fortsetzung. Der Turm ist mit seiner erhaltenen Maschine ist technisch interessant, die Lohnhalle ein fach nur schöne Architektur einer Zeit, als auch Zweckbauten schön und gewissermaßen „für die Ewigkeit“ errichtet wurden. Holger Kröcher verweist auf zaghafte Elemente des Jugendstils - und erzählt sogleich, was es mit dieser Stilepoche auf sich hatte.
Dann folgt eine große Herausforderung für Dieter Olschewski: Die Rheinbabenstraße ist für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen gesperrt. Telefonieren mit der Zentrale. Am Ende: Besser nicht durchfahren, sonst gibt’s Ärger. Zeche Rheinbaben und deren Relikte müssen ausfallen. Dafür ist Prosper III ein gelungenes Beispiel für die Neunutzung von alten Zecherarealen. Und die alte Platanenallee, der Weg der Kumpel von einst, und das Pförtnerhaus sind ja noch erhalten. Dort sehen die WAZ-Leserinnen und Leser eben das, was dort vom Bergbau übrig blieb… Applaus für Fahrer und Führer.
Stadtführer bietet auch private Thementouren an
Die nächste WAZ-Sommertour mit der Vestischen führt auf die Spuren von Burgen, Schlössern und Industrie. Stadtführer Holger Kröcher begleitet die Leserinnen und Leser nun schon im fünften Jahr auf den Touren.